Von diesem Momente an hegte Johanna keinen Zweifel mehr: es war weder eine Erscheinung, noch ein Traum, sondern eine wunderbare Wirklichkeit, und da in diesem Augenblicke der Priester, der die Messe gelesen hatte, durch die Kirche schritt, um in das Pfarrhaus zu gehen, bat ihn Johanna, sie Beichte zu hören, und erzählte ihm, was sie so eben gesehen und gehört hatte. Der Priester, ein alter einfacher und guter Pfarrer, hatte eine große Freude über dieses Geständnis Johannas, die er wegen ihrer Bescheidenheit und Andacht immer geliebt hatte; dann anempfahl er ihr, von diesen Erscheinungen Niemanden etwas zu sagen, und pünktlich die Befehle zu vollziehen, die sie vom Himmel erhalten würde.
Drei Jahre verflossen, ohne dass Johanna wieder etwas von dem sah, was sie gesehen hatte, aber sie fuhr fort, groß zu werden, frisch und bescheiden, wie eine Feldblume, und obgleich nichts von diesem himmlischen Schutze materiell den Augen dessen sich kund gab, was sie umgab, fühlte sie sich doch innerlich in der Gnade des Herrn; daher dünkte es ihr oft, wenn sie allein war, die Chöre der Engel zu vernehmen, und dann erhob sie sanft die Stimme, und sang Liedchen nach einer unbekannten Weise, die sie nicht wieder finden konnte, wenn diese himmlische Musik verklungen war. Oft auch, wenn der Winter gekommen war, wenn der Schnee die Erde bedeckte, ging sie aus, und sagte, dass sie einen Blumenstrauß für ihre Heiligen pflücken wolle: so nannte sie die heilige Katharina und die heilige Margareth, und Jeder machte sich lustig über sie, die ganz mit Schnee bedeckten Gefilde ihr zeigend, und sie lächelte sanft, verließ das Dorf auf dem Wege nach Neuschâteau, und kehrte mit einer schönen Krone von Veilchen, von Schlüsselblumen und Goldknöpfen3 heim, die sie gepflückt und unter dem Baume der Damen geflochten hatte.
Welche Sicherheit verhießen; es gab keinen Anbau, und folglich keine Ernten mehr, mit Ausnahme eines Bogenschusses im Umkreise der Mauern; eine Schildwache stand immer auf dem Kirchthurme, und läutete Sturm, sobald sie den Feind bemerkte. Bei diesem Dröhnen kehrten die Feldarbeit« eilig zurück, ohne sich um ihre Heer» den zu kümmern; denn auch die Heerden hatten diesen Schall erkennen gelernt, und rannten hastig heimwärts, sobald sie die Glocke ertönen hörten, brüllend und blökend mit kläglicher Stimme, und an den Thoren um den Vortritt sich drängend und kämpfend, um sich unter dem Schutze der Menschen in Sicherheit zu bringen.
Dann schauten sie ihre jungen Gefährtinnen erstaunt an, und als sie ebenfalls hingingen, und nichts fanden, sagten sie, dass die Feen der Johanna diese Kronen schon geflochten geben. Noch seltsamer endlich war der Umstand, dass die scheuesten Thiere sie durchaus nicht fürchteten, und die kleinen Rehe und jungen Pfaue zu ihren Füßen spielten und hüpften, und oft irgend eine Grasmücke oder irgend ein Stieglitz kam und sich auf ihre Schulter setzte, und da sein melodisches Lied sang, wie wenn er auf dem höchsten Zweige eines Baumes gesessen wäre.
Während dieser drei Jahre ging es mit den Angelegenheiten des Königs und Frankreichs immer schlimmer; das Königreich war bis an die Loire einer großen Wüste gleich geworden, die Felder lagen öde, die Dörfer in Ruinen, und die einzigen bewohnten Orte waren die Wälder und Städte; die Wälder, wegen ihrer Dicke, welche eine Zuflucht bot; die Städte, wegen ihrer Mauern, welche Sicherheit verhießen; es gab keinen Anbau, und folglich keine Ernten mehr, mit Ausnahme eines Bogenschusses im Umkreis der Mauern; eine Schildwache stand immer auf dem Kirchturm, und läutete Sturm, sobald sie den Feind bemerkte. Bei diesem Dröhnen kehrten die Feldarbeiter eilig zurück, ohne sich um ihre Heerden zu kümmern; denn auch die Heerden hatten diesen Schall erkennen gelernt, und rannten hastig heimwärts, sobald sie die Glocke ertönen hörten, brüllend und blökend mit kläglicher Stimme, und an den Toren um den Vortritt sich drängend und kämpfend, um sich unter dem Schutz der Menschen in Sicherheit zu bringen.
Um diese Zeit, nämlich gegen den Anfang des Jahres 1428, wurde Monseigneur Thomas von Montaigu, Ritter, Graf von Salisbury, von den drei Ständen Englands beauftragt und entsendet, Frankreich zu bekriegen. Da nun die Kunde von diesem Feldzuge dem Herzog von Orleans zukam,der seit der Schlacht von Azincourt Gefangener in der Stadt London war, ohne dass die Engländer ihm gestatteten, sich loszukaufen, ging er zu dem Grafen von Salisbury, und bat ihn, als guter und loyaler Feind, nicht Güter und Domainen mit Krieg zu überziehen, die er, als abwesend, nicht mehr vertheidigen könne; der Graf versprach es ihm eidlich, landete, nach Ueberschiffung des Meeres, mit einer großen Macht zu Calais, und schlug sogleich den Weg nach jenem Theile Frankreichs ein, der noch nicht erobert war.
Auf diese Art wurde die Gefahr dringender, als sie jemals gewesen war; daher erschienen Johanna's Visionen wieder. Das erste mal, da sie den heiligen Michael wieder sah, war er, wie er es dem jungen Mädchen versprochen hatte, von der heiligen Katharina und der heiligen Margareth begleitet; die beiden Heiligen nannten sich selbst der Johanna, und dankten ihr für ihre Andacht zu ihnen, und sagten ihr, dass, weil sie fromm, gut und sittsam geblieben, Gott sie noch immer für jene halte, welche Frankreich befreien sollte: sie befahlen ihr folglich, zu dem Könige Karl VII. zu gehen, und ihm zu sagen, dass sie aus Auftrag Gottes komme, um Kriegsanführer zu werden, und mit den Franzosen gegen die Engländer und Burgunder zu marschieren.
Johanna blieb stumm bei diesem Befehle: denn sie war schwach und furchtsam wie ein junges Mädchen, konnte nicht leiden sehen, ohne gerührt zu werden, kein Blut stießen sehen, ohne zu weinen; wie kam es also, dass man ihr, einem Herzen voll Mitleiden, befahl, das harte Werk eines Kriegsmeisters zu vollbringen? Daher bebte sie, das arme Kind von sechzehn Jahren, vor der schrecklichen Zukunft zurück, die ihr beschieden war, Gott bittend, sie in ihrer Niedrigkeit zu lassen, und irgend einer Andern, Würdigeren, als sie, das Gewicht dieser blutigen Erwählung aufzuladen.
Aber Johanna war gewählt; weder stumme Herzensaufschwünge, noch Bitten mit lauter Stimme, sollten den Beschluss der Vorsehung ändern. Eines Tages, da sie bei einer kleinen, der Jungfrau Maria geweihten, und an einem Kreuzwege des Waldes Chenu erbauten Kapelle kniete, schwebte die Wolke wieder zwischen ihren Augen und dem Himmel herab, aber diesmal noch leuchtender, als gewöhnlich; sie öffnete sich dann, und enthüllte die drei Abgesandten des Herrn; nur waren diesmal die beiden Heiligen, die bei ihrer ersten Erscheinung nur eine Armlänge hatten, in natürlicher Größe. Nun schlug Johanna die Augen nieder, denn menschliche Blicke konnten diesen göttlichen Glanz nicht ertragen, und sie hörte, ohne zu wissen, welche von den drei himmlischen Personen mit ihr sprach, eine Stimme, die ihr den Vorwurf machte:
»Warum zögerst Du so, Johanna? Auf was wartest Du, da der Befehl gegeben ist, und warum beeilst Du Dich nicht, ihn zu vollziehen? In Deiner Abwesenheit wird Frankreich zerfleischt, die Städte sind zertrümmert, rechtschaffene Leute gehen zu Grunde, die Edlen werden niedergemetzelt, und ein kostbares Blut fließt zu Boden, wie wenn es das unnütze und schlammige Wasser der Ströme wäre. Ziehe also von dannen, Johanna, ziehe also hurtigen Schrittes von dannen, da der König des Himmels Dich gesendet hat!«
Johanna ging nun zu ihrem Beichtvater, und erzählte ihm, was sie so eben gesehen und gehört hatte. Der alte Priester erteilte ihr den Rat, zu gehorchen.
»Aber,« versetzte Johanna, »wenn ich auch von dannen ziehen möchte, wie könnt' ich es tun?« Ich kenne die Wege nicht, ich kenne weder das Volk noch den König; sie werden mir nicht glauben; Jedermann wird über mich lachen, und mit Recht, denn was gibt es Unsinnigeres, als zu den Großen zu sagen: »»Ein Kind wird Frankreich befreien, durch seine Fähigkeit die militärischen Unternehmungen leiten, den Sieg durch seinen Mut zurückführen;-« und was ist übrigens seltsamer und unschicklicher, mein Pater, als ein junges Mädchen in Mannskleidern?«
Auf diese so vernünftige Rede wusste der alte gute Priester nur zu antworten, dass Gott sehr mächtig sei, und dass man gehorchen müsse; als dann Johanna zu weinen begann, an das ihr auferlegte peinliche Werk denkend, tröstete und stärkte er sie, so gut er es vermochte, indem er zu ihr sagte, sie solle noch warten, und das erste mal, da sie den heiligen Michael und die beiden Heiligen wieder sähe, sie fragen, wie sie es anstellen, welchen Weg sie nehmen, und an welchen Ort sie gehen müsse.
Einige Monate lang, entweder weil die Stimmen, wie sie sie nannte, ob ihrer Unschlüssigkeit zürnten, oder weil die Zeit, zu handeln, noch nicht gekommen war, sah Johanna jedoch nichts. Dann wurde sie besorgt; das arme Kind wähnte, bei dem Herrn in Ungnade gefallen zu sein, und da sie von ihren himmlischen Beschützerinnen