»Aha! ich glaube Dich zu verstehen,« sagte der General, indem er den Bauer aufmerksamer betrachtete, »Du kannst mir diese Zeichen erklären?«
»Vielleicht, auf jeden Fall aber andere Auskunft geben, die nicht zu verachten ist.«
»Aber Du willst dafür bezahlt werden?«
»Das versteht sich!« antwortete der Bauer keck.
»So dienst Du also der Regierung, die Dich zum Maire gemacht hat?«
»Die Regierung hat kein Ziegeldach auf meine Meierei gelegt, sie hat keine steinernen Wände aufgemauert; die Gebäude sind mit Stroh gedeckt, aus Holz und Lehm erbaut; sie gerathen leicht in Brand und es bleibt nichts als die Asche zurück. Wer viel wagt, muß viel gewinnen; denn es kann Alles in einer Nacht verbrennen.«
»Ihr habt Recht. – Die Sache gehört in Ihren Wirkungskreis, Herr Unterpräfect. Ich bin nur Soldat, und die Waare muß bei der Ablieferung bezahlt werden; bezahlen Sie also und liefern Sie sie mir.«
»Beeilen Sie sich,« sagte der Bauer, »denn wir werden von allen Seiten beobachtet.«
Die Bauern hatten sich wirklich allmälig genähert, dem Anschein nach blos aus Neugierde, welche durch die Anwesenheit von Fremden ganz gerechtfertigt schien.
Der General bemerkte es.
»Ich will Ihnen nicht zumuthen,« sagte er zu dem Unterpräfecten, »den Worten dieses Mannes unbedingt zu glauben. Er verkauft Ihnen zwei Säcke Hafer zu hundert neun Francs den Sack; es fragt sich jetzt, ob er sie Ihnen liefern wird; geben Sie ihm ein Aufgeld und lassen Sie sich eine schriftliche Zusicherung geben.«
»Ich habe weder Papier, noch Bleistift bei mir,« entgegnete der Unterpräfect, der die Absicht des Generals merkte.
»So gehen Sie in den Gasthof!« sagte der General. »Hat sonst noch Jemand Hafer zu verkaufen? Wir haben viele Pferde zu füttern.«
Ein Bauer antwortete bejahend, und während der General mit ihm über den Preis unterhandelte, konnte sich der Unterpräfect mit dem Andern entfernen, ohne allzu großes Aufsehen zu machen.
Der Bauer mit dem Brotkuchen – unsere Leser haben es bereits errathen – war kein Anderer als Courtin.
Wir wollen sehen, was er seit dem frühen Morgen gethan hatte.
Nach der Unterredung mit seinem jungen Herrn hatte er sich lange besonnen. Eine einfache Anzeige schien ihm nicht vortheilhaft genug: die Regierung würde den Dienst eines untergeordneten Beamten vielleicht unbelohnt lassen. Es war ein sehr gewagter Schritt, denn Courtin würde dadurch die im Canton so zahlreichen Royalisten aufs Aeußerste erbittert haben.
Er hatte nun das Plänchen ausgedacht, welches er dem Waldhüter Oullier mitgetheilt. Er hoffte als Heirathsvermittler das Wohlwollen des Marquis von Souday zu erwerben, welchem wie er glaubte, eine solche Heirath sehr willkommen seyn müsse. Der Marquis, meinte er, werde ein Stillschweigen, welches einen für die royalistische Partei so theuern Kopf rette, gewiß sehr theuer bezahlen.
Wir haben gesehen, wie Jean Oullier den Antrag Courtin‘s aufgenommen hatte. Das vermeinte glänzende Geschäft war vereitelt, und Courtin war, um wenigstens ein kleines Geschäft zu machen, wieder auf die Seite der Regierung getreten.
IV.
Der Aufstand
Eine halbe Stunde nach der Unterredung des Unterpräfecten mit Courtin suchte ein Gendarme den General auf dem Markte. Er fand ihn in vertraulichem Gespräch mit einem zerlumpten Bettler. Der Gendarme flüsterte dem General einige Worte zu und dieser eilte in den Gasthof zurück.
Der Unterpräfect erwartete ihn vor der Thür.
»Nun, wie stets?« fragte der General, als er das heitere Gesicht des Beamten sah.
»Sehr gut,« antwortete dieser. »Der Bauer ist ein sehr kluger Mensch.«
»O sie sind Alle sehr klug,« sagte der General, »der einfältigste unter ihnen würde Herrn von Talleyrand etwas aufzurathen geben. Was hat der kluge Mann gesagt?«
»Er sagt, gestern Abends sey der Graf von Bonneville, als Bauer verkleidet, in Begleitung eines Bauernknaben, den er für ein Frauenzimmer gehalten, in das Schloß Souday gegangen.«
»Und was schließen Sie daraus?«
»Es ist kaum zu bezweifeln, Herr General —«
»Heraus mit der Sprache, Herr Unterpräfect! Sie sehen ja meine Ungeduld,« sagte der General in ganz ruhigem Tone.
»Es scheint mir nicht zweifelhaft, daß der Bauernknabe – die Prinzessin ist.«
»Aber mir scheint es zweifelhaft.«
»Warum, Herr General?«
»Weil ich ebenfalls vertrauliche Mittheilung erhalten habe.«
»Freiwillige oder erzwungene?«
»Weiß man denn, wie man mit diesen Leuten daran ist? Doch lassen Sie hören – was hat Ihnen der kluge Mann gesagt?«
»Nichts hat er gesagt. Als ich Sie verließ, sprach ich mit ihm über die Haferlieferung.«
»Und was weiter?«
»Der Bauer verlangte ein Aufgeld; ich dagegen verlangte eine Quittung. Er wollte sie in einem Kramladen schreiben. Ich wollte ihn aber nicht aus den Augen lassen, ich nahm einen Bleistift aus der Brieftasche und sagte zu ihm: Ihr werdet wohl ein Stückchen Papier bei Euch haben; mein Hut kann Euch als Tisch dienen. Er zerriß einen Brief und schrieb auf die weiße Seite die Quittung. Hier ist sie, hören Sie.«
Der Unterpräfect zog den Zettel aus der Tasche und las:
»Erhalten von Herrn Jean Louis Robier die Summe von fünfzig Francs als Aufgeld für dreißig Säcke Hafer, die ich ihm am 28. dieses Monats zu liefern habe.
Den 14. Mai 1832.«
»Ich sehe hierin keine Auskunft,« setzte der Unterpräfect hinzu.
»Kehren Sie gefälligst das Papier um.«
Der Unterpräfect stutzte. Auf der Rückseite standen folgende verstümmelte Zeilen:
»– — Arquis – augenblicklich die Nachricht – welche wir erwarten – zu Beaufays am 26. Abends – Offiziere Ihrer Division – ihr vorgestellt wurden – Ihre Leute in Bereitschaft – gehorsamst —«
»Das ist ja die Ankündigung einer Schilderhebung,« sagte der Unterpräfect, »denn das Fehlende ist leicht zu ergänzen«
»Ja, sehr leicht,« setzte der General hinzu, »ich glaube fast zu leicht.«
»Sie rühmten die Schlauheit dieser Leute,« entgegnete der Beamte, »ich finde sie vielmehr ganz harmlos —«
»Hören Sie nur,« sagte der General, »als Sie sich mit dem Haferhändler entfernt hatten, redete ich einen Bettler an, der etwas blödsinnig zu seyn schien. Ich sprach von dem lieben Gott und den Heiligen, vom Buchweizen, von der Apfelernte – bedenken Sie, daß die Apfelbäume jetzt blühen – und endlich fragte ich ihn, ob er uns als Wegweiser nach Liroux dienen wolle. Ich kann nicht, antwortete der Blödsinnige grinsend. – Warum nicht? fragte ich so unbefangen wie möglich. – Weil ich Befehl habe, antwortete er, eine schöne Dame und zwei Herren, wie Sie, von Puy-Laurent nach La Flocelière zu führen.«
»Die Sache scheint verwickelt zu werden,« sagte der Beamte.
»Keineswegs, sie wird klarer.«
»Erklären Sie sich.«
»Die in einem Lande, wo es so schwer ist, Auskunft zu erhalten, ungerufen kommende Mittheilungen sind aller Wahrscheinlichkeit nach Fallen, in die aber ein alter Fuchs wie ich nicht geht. Die Herzogin von Berry – wenn sie wirklich hier im Lande ist – kann nicht zugleich in Souday, in Beaufays und in Puy-Laurent seyn. Was sagen Sie dazu, Herr Unterpräfect?«
»Ich glaube,« erwiderte der Beamte, sich am Ohr kratzend, »daß sie abwechselnd an den drei Orten gewesen ist. Ich würde mich um das Versteck, wo sie war oder seyn wird, gar nicht