Stellt Euch Lißt vor, jung von Alter, schön von Begeisterung.
Nun! das war unser Schulmeister Justin.
Nach dem Contretanz machte ihm der Orchesterchef die aufrichtigsten Complimente und seine Collégen, die Instrumentisten, spendeten ihm lauten Beifall.
Tänzer und Tänzerinnen klatschten in die Hände.
Der gute alte Professor war außer sich vor Freude; er klatschte auch in die Hände und weinte vor Rührung.
So wahr ist es, daß der Triumph immer der Triumph bleibt, wer auch diejenigen sein mögen, welche ihn zuerkennen.
Um elf Uhr erkundigte sich Justin, wie lange der Ball dauern werde.
Man antwortete ihm: »Manchmal bis Morgens um zwei Uhr.«
Da winkte er dem guten Müller.
Dieser eilte herbei.
Die Mutter und die Schwester, welche in einer tödtlichen Angst sein mußten, sollten benachrichtigt werden: nie, gar nie war Justin über zehn Uhr auswärts geblieben.
Der gute Professor begriff die Lager er lief über Hals und Kopf weg und fand Madame Corby, – dies war der Name der Mutter von Justin den wir zum ersten Male auszusprechen die Ehre haben. – und fand Madame Corby und ihre Tochter im Gebete.
»Nun,« sprach er eintretend. »Ihre Gebete sind erhört, tugendhafte Frau und fromme Mutter; Justin hat eine Stelle von sechsunddreißig Franken monatlich gefunden!«
Die zwei Frauen gaben einen Freudenschrei von sich.
Der Professor erzählte ihnen das Abenteuer.
Mit dem vollkommenen Zartgefühl, dass gewöhnlich die Frauen besitzen, begriffen Madame Corby und ihre Tochter den Umfang des Opfers, das ihr Sohn und ihr Bruder den Bedürfnissen der Lage brachte.
»Guter theurer Justin!« sprachen sie.
Und es lag in ihrem Tone ein so zärtlicher Ausdruck, daß er beinahe klagend war.
»Oh! bemitleiden Sie ihn nicht,« sprach der Professor. »Das ist ein Triumph! Er ist schön, er ist herrlich! er gleicht Weber, als er jung war.«
Und nachdem er so gesprochen, da er nicht mehr zu sagen gewußt hätte, nahm er Abschied von den zwei Frauen, um nach der Schenke zurückzukehren.
Er verließ die Barrière erst mit seinen Zögling Morgens um zwei Uhr.
Sie fanden die Riegel der Hausthüre durch die Sorge der Schwester von Justin zurückgezogen.
Am Ende des Monats hatte Justin zwölfmal gespielt, und er erhielt seine sechs und dreißig Franken.
Man konnte mit diesen sechs und dreißig Franken die nothwendigsten Gegenstände kaufen.
Und nun glauben wir unsern Lesern hinreichend gezeigt zu haben, was Alles gründlich Gutes und Redliches im Herzen unseres Helden war, wir werden daher nur noch ein. paar Worte beifügen, um das Gemälde seines Charakters zu vervollständigen.
Dieser Charakter war übrigens in seinem Gesammtwesen leicht durch ein einziges Wort zu definieren.
Es war das Wort, durch das Salvator Jean Robert die Melodie, welche Justin ausführte, bezeichnet hatte:
Resignation.
Setzen wir hinzu, daß, wenn diese Tugend, eine etwas negative Tugend, je eine menschliche Gestalt annähme, um auf die Erde herabzusteigen, sie gewiß keine andere als die des ergebenen Justin wählen würde.
Man erlaube uns, ein wenig Analyse zu machen: wir haben zehn Bände vor uns, – zwanzig, wenn uns zehn nicht genügen, – und überdies ist es nicht ein Abenteuer, was wir erzählen, sondern die Geschichte eines leidenden Herzens. Durchforschen wir dieses Herz bis in seine verborgensten Falten; sehen wir, was aus diesem durch das Unglück so wohl gestählten Charakter werden wird; sehen wir, was daraus werden wird vor einem ungeheuren Glück oder vor einem unermeßlichen Schmerz!
Wird es widerstehen oder brechen?
Die Leser mögen uns glauben. es ist hierbei ein Studium von ergreifendem Interesse.
Hier ist ein in der vollen Bedeutung des Wortes jungfräulicher Mann; er hat bis jetzt gelebt wie die Vögel des Himmels, von Luft zu Luft, von Ebene zu Ebene das Korn suchend, das er nach seinem Neste zurückbrachte; bis heute war es sein einziger Gedanke, seine einzige Sorge die materiellen Bedürfnisse des Lebens zu befriedigen; um den Preis seiner Nachtwachen, um den Preis seines Schweißes um den Preis seines Blutes ist es ihm gelungen, seiner armen Familie immer die Existenz, manchmal sogar eine Art von Wohlstand zu geben.
Was hat er für sich selbst getan?
Nichts!!
Würde er nicht allein in der Welt, wenn er weder Schwester, noch Mutter gehabt hätte, Mittel gefunden haben, seine Studien fortzusetzen, Baccalaureus, Licentiat zu werden, wer weiß? vielleicht Doktors und nun, statt des Lehrstuhles einer Fakultät auf den ihn seine Arbeit gebracht hätte, statt des ehrenvollen Ranges, zu dem er durch die Beharrlichkeit gelangt wäre, welche einer der unterscheidenden Charaktere seiner ergebenen Natur ist, liegt er begraben in einer Art von Casematte, wo ihn die Pflicht fest genagelt hat, wo ihn die kindliche Frömmigkeit gefesselt hält.
Oh! wir, die mir unsere Mutter so sehr geliebt haben und so zärtlich von ihr geliebt worden sind, werden uns gewiß nie über die Familie beklagen.
Absorbiert aber die Familie, – welche in Folge eines großen Unglücks Unterstützung von der Gesellschaft erhalten sollte, – von ihr dem Elend überlassen, einer Luftpumpe ähnlich, die Luft von einem ihrer Mitglieder, wenn wir uns dann nicht laut beklagen, so vermöchte uns doch Niemand zu verhindern, daß wir leise seufzen.
Von seiner Familie kam also das ganze Unglück von Justin;«und dennoch würde ihm, dem Goldherzen, nichts eine so tiefe Verzweiflung verursacht haben, als nur der Gedanke, seine Familie hätte nicht mehr existieren können.
Wie konnte er also da herauskommen?
Justin wollte nicht herauskommen: er wollte fortfahren; morgen zu leben, wie er gestern gelebt; wie er seine Jünglingszeit geopfert hatte, so würde er sein reiferes Alter, sein Leben opfern.
Doch es würde für ihn das Alter, sich zu verheirathen, eintretend eine Frau würde ihm mitten in dieser Einöde, statt dieser Dürre, alle Heiterkeiten, alle Freuden, alle Berauschungen der Jugend bringen . . .
Acht wo sie finden, diese gesegnete Frau, diese angebetete Rachel?
Hatte man Laban zehn Jahre Zeit und Arbeit zu geben?
Welche Gesellschaft sah man?
Genügte es, sich ans Fenster zu stellen, um in der Ferne das gelobte Land der jungen Leute zu sehen, das man ein Mädchen nennt?
Und dann, im Grunde, würde er es wagen, zu heirathen, der ehrliche und ängstliche Justin?
Sagte ihm sein Gewissen nicht, die Heirath sei ein Vertrag, der die Seelen ebenso binde, wie die Hände?
Und gehörte seine Seele ihm?
Gehörten seine Hände ihm?
Stand es ihm frei, eine Fremde an den mütterlichen Herd zu führen? würde er nicht das, was er an Zärtlichkeit einer Gattin gegeben hätte seiner Mutter, seiner Schwester genommen haben?
Dies, was die Seele betrifft.
»Würde die Frau, die Gattin nicht in den Ansprüchen ihrer Jugend, der Coquetterie ihres Putzes einen Theil von dem geringen Einkommen verzehren?
Dies, was die Hände betrifft.
Nein, die Heirath war kein Mittel, diesem tiefen Unglück abzuhelfen.
Man mußte also die Selbstverleugnung ewig fortsetzen.
Das