»Vielleicht, Inn Dich zu retten, vielleicht auch ganz einfach, um der Entwicklung des kleinen Lustspiels beizuwohnen, das Du mir versprachst! Rathe!«
»Nun wohl, so machen Sie sogleich aus dem Lustspiel ein Trauerspiel Sie haben den Dolch, und das Leben scheint mir doppelt unerträglich, wenn ich es Ihnen verdanke. Tödten Sie mich! Tödten Sie mich!« rief Eusebius und machte eine Bewegung, sich dem Dolche entgegen zu stürzen; »das ist der einzige Dienst, den Sie mir leisten können, der einzige, den ich von Ihnen empfangen will.«
»Ganz gut! Beschimpfungen, hübsche kleine Beschimpfungen, ohne Schleier und Schminke. Du verbesserst Dich schon, Eusebius van der Beck, und das ist mir lieber, als Deine Allbernheiten. – Laß hören; wir wollen also noch immer unsere schöne Esther wieder finden und das Leben erscheint uns unerträglich, da wir sie nicht mehr haben, um es zu schmücken?«
»Mache ein Ende, Henker,« sagte Eusebius mit einer gewaltigen Anstrengung, sich von dem Doctor loszumachen.
»Ein wenig Geduld, mein junger Freund, ein wenig Geduld. In ihr liegt das Geheimniß des Lebens, die ganze Quelle der Kraft.«
Er nahm den Dolch zwischen die Zähne, schob Eusebius Kleider zurück, um seine Brust zu entblößen, und that dies Alles mit einem so großen Gleichmuth, als handelte es sich um eine einfache chirurgische Operation. Darauf bedrohte er Eusebius aufs Neue mit der Spitze des Dolches und sagte: »Bist Du denn wirklich so gewiß, dort oben Die wieder zu finden, die Du liebst?«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Daß Du Dich tödten willst, oder verlangst, getödtet zu werden, um mit Esther Vereinigt zu sein, nicht wahr?«
»Ohne Zweifel.«
»Nun wohl, wenn nun statt die Seelen zu vereinigen, der Tod ganz einfach die Körper trennte? Wenn sie nun bei dem Rendez-vous ausbliebe oder vielmehr, wenn Keiner von Euch Beiden bei demselben erschiene? Es gibt ein Nichts, an welches sehr verständige Menschen glauben.«
»Mein Gott, mein Gott!« sagte Eusebius, indem er vor Verzweiflung keuchte, »dieser Mensch, dieser Elende, dieser Teufel, wird also nicht müde, mich zu martern?«
»Nicht im Geringsten. Seit drei Stunden bist Du auf falschem Wege und ich versuche es, Dich auf den richtigen Weg zurückzuführen. Uebrigens,« fügte der Doctor hinzu, als ob er zu sich selbst spräche, brauche ich Dich nicht unter meinem Knie zu halten« um Dir das Leben zu nehmen, sobald ich will. Du mußt Dich in dieser Stellung sehr übel befinden und die meinige ist auch gerade nicht bequem. Laß uns daher aufstehen und mit einander plaudern.«
Und das Beispiel dem Worte hinzufügen, löste der Doctor den Schraubstock, in welchem er die beiden Handgelenke seines Gefangenen gehalten hatte, stand auf, reichte Eusebius die Hand und half ihm ebenfalls auf die Beine. Dann fügte er hinzu: »Reichen Sie mir einen Sessel, mein lieber Eusebius.«
Eusebius gehorchte. ohne sich erklären zu können weshalb, dem Einfluße, den der Wille des Arztes auf ihn ausübte und zog den Bambusschemel in die Mitte des Gemaches. Er aber blieb daneben stehen.
»Ich danke Ihnen,« sagte der Doctor. Darauf machte er es sich auf seinem Sitze so bequem als möglich und fuhr fort: »Jetzt, da Sie ein wenig ruhiger sind, lassen Sie uns sehen, mein lieber Eusebius, ob es Ihnen nicht etwas weniger eilig scheint, mit Ihrem Leben ein Ende zu machen!«
»Wozu hätte ich nöthig, länger zu warten?« fragte der junge Mann. »Ist meine Esther nicht todt?« – und er deutete auf den starren Leichnam seiner Frau.
»Ja, ist gestehe es, sie ist todt. – Aber bist Du denn überzeugt, armer Dummkopf, daß das Leben, weil Du deiner Frau, die Du liebtest, beraubt bist, in Zukunft für Dich weder Trost noch Freude haben würde?«
»Ist es das, wohin Sie zielen? Hielten Sie nur deshalb meinen Arm zurück, um eine solche Posse aufzuführen, so ist Ihre wohlwollende Sorgfalt nutzlos. Ich sagte es Ihnen bereits, mein Herr, und ich wiederhole es Ihnen, daß ich nur Esther geliebt habe, daß ich nie eine Andere lieben werde, als sie, und wenn ich mich nicht heute von einem mir lästigen Leben befreie, so wird es morgen sein.«
»Nun schön! Das nenne ich Gefühl! Ich sehe daß Sie so sehr lieben, wie ein sterbliches Herz zu lieben vermag. Meine Neugier ist befriedigt, denn bei mir, Eusebius van der Beek, das lassen Sie sich ein für alle Mal gesagt sein, herrscht weder Wohlwollen noch Eigennutz. Ich empfinde Neugier, das ist Alles. Ich mache Experimente mit den Seelen wie meine Amtsgenossen mit den Körpern. He! he! he! Das ist zuweilen eben so unsauber, aber stets Viel unterhaltender.«
»Kommen wir zu Ende,« sagte Eusebius, mit dem Fuße stampfend, »denn diese Unterhaltung wird mir über alle Beschreibung lästig. Was wollen Sie noch von mir, wenn Ihre Neugier befriedigt ist?
»Lassen Sie mich mein Geschick erfüllen, dann ist nichts weiter nöthig, als mir den Dolch zurückzugeben und in wenigen Stunden werden Sie wissen, was die Liebe über ein lebhaft von ihr erfülltes Herz vermag.«
»Sie sind wahrlich zu eilig, mein junger Freund«« sagte der Doctor. »Zum Glück habe ich Zeit und bin weit davon entfernt, Ihre Ungeduld zu theilen. Da Sie nun aber diesen Dolch gegen mich erhoben haben und Sie nur noch durch meinen Willen allein leben, habe ich von jetzt an das Recht, die Tage, die Stunden, die Minuten, zu leiten, die Sie noch auf dieser Erde zuzubringen haben. Ich glaube, Sie sind zu ehrlich, um mir dieses Recht zu bestreiten.«
»Was wollen Sie damit sagen? Erklären Sie sich! Sprechen Sie!« sagte Eusebius.
»Nun wohl denn« Eusebius van der Beek,« entgegnete der Doctor, »Du, der Du ein vernünftiger Mensch bist – wie hast Du glauben können, daß der Doctor Basilius, der sich um keines Menschen Willen in seiner Bequemlichkeit stören läßt, und der noch gestern es verweigerte, nach Buytenzorg zu gehen, um den Gouverneur von Java, der morgen todt sein wird, zu behandeln, während er mit einer Fingerspitze voll von dem Pulver, das er in seinem Säckchen hat, gerettet werden könnte, anderthalb Meilen Weges zu Fuße und bei einem solchen Wetter, wie das mit dem der Teufel uns diesen Abend beschenkte, zurückgelegt haben soll, nur um der Beerdigung einer Leiche beizuwohnen und Deine Klagen anzuhören? Denn Du wirst wohl glauben, daß ich, als ich mein Haus verließ, bereits wußte, daß Deine Frau todt sei, nicht wahr?«
Der junge Mann war, wie es scheint, auf dem Puncte angelangt, auf welchem der Doctor ihn zu sehen wünschte, denn er reichte ihm den Dolch und sagte: »Eusebius van der Beek, wenn du wirklich entschlossen bist, so halte ich Dich nicht länger zurück. Geh und sieh in jenen unbekannten Regionen, von denen noch kein Reisender zurückgekehrt ist, nach, ob sie die Hölle oder das Paradies der Christen, die mit Huris bevölkerten Gärten des Vaters der Gläubigen, der Ort der Seelenwanderungen Brahma’s das Elysium der Griechen oder das finstere schweigende Nichts der Atheisten sind. Aber wie Du auch das Land finden magst, wo das Jenseits des Grabes liegt, wirst Du Esther nicht entdecken«, wie Du auch suchst.«
»Mein Gott! mein Gott!« rief Eusebius, indem er sich die Haare raufte.
»Nimm dabei,« fuhr der Doctor fort, die eine Vermuthung an, daß Esther nicht todt ist.«
»Esther wäre nicht todt!« rief Eusebius, indem er auf das Bett zusprang und beide Hände auf die Brust seiner Frau legte, während er den Doctor mit irren Blicken ansah.
»Ich sage Dir nicht, daß Esther nicht todt ist, sondern nur, daß Du es annehmen sollst, oder daß ich, wenn Du todt wärest, die Macht besäße, sie wieder zum Leben zu erwecken.«
»Ha!« rief der junge Mann, »das wäre entsetzlich!«
»Schön,« sagte der Doctor, »jetzt habe ich Deine schwache Seite, die Grenze Deiner Liebe gefunden, Du konntest Dich nicht entschließen, ohne Esther zu leben; aber Du würdest Dich noch viel weniger darein ergeben, sie ohne Dich leben zu lassen.«
Eusebius gewann, von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, seine Ruhe wieder, ließ den Körper seiner Frau, den er bisher in seinen Armen gehalten hatte, sinken« näherte sich dem Doctor und sagte: »Sie täuschen sich, mein Herr; geben Sie mir die Versicherung, daß Esther nicht todt ist; geben Sie mir ferner die Versicherung, daß sie weder ihrer entsetzlichen Krankheit noch dem Schmerz