Die Vendéer wichen zurück, ganze Glieder fielen, ohne daß man ein anderes Geräusch als Flüche hörte.. Der Priester bemerkte es; er machte ein Zeichen: die Fackeln erloschen, der Kampf kehrte in die Finsterniß zurück. Dann war es nur noch eine Scene der Verwirrung und des Gemetzels, wobei Jeder mit Wuth schlug, ohne zu sehen, und starb, ohne Gnade zu verlangen, Gnade, die man kaum bewilligt, wenn man sie in derselben Sprache von einander fordert.
Es wurden indessen doch die Worte: »Gnade! Gnade!« von einer herzzerreißenden Stimme zu den Füßen von Marceau, der eben einen Streich führen wollte, ausgesprochen.
Es war ein junger Vendéer, ein Knabe ohne Waffen, der aus diesem entsetzlichen Gemenge hinauszukommen suchte.
»Gnade! Gnade,« sagte er, retten Sie mich! im Namen des Himmels, im Namen Ihrer Mutter!«
Der General schleppte ihn ein paar Schritte vom Schlachtfelde fort, um ihn den Blicken seiner Soldaten zu entziehen, bald sah er sich aber genöthigt, anzuhalten: der junge Mann war ohnmächtig geworden. Dieses Uebermaß von Angst setzte ihn von Seiten eines Soldaten in Erstaunen; nichtsdestoweniger beeiferte er sich, ihm Hilfe zu leisten; er öffnete seinen Rock, um ihm Luft zu geben: es war ein Weib,
Man durfte keinen Augenblick verlieren; die Befehle des Convents waren sehr bestimmt; jeder Vendéer, den man mit den Waffen in der Hand oder zu einer Zusammenschaarung gehörend ergriff, was auch sein Alter und sein Geschlecht sein mochte, sollte auf dem Schaffot sterben. Er legte die junge Person an den Fuß eines Baumes und eilte nach dem Schlachtfelde. Unter den Todten erblickte er einen jungen republicanischen Officier, dessen Wuchs ihm ungefähr der der Unbekannten zu sein schien; er nahm ihm rasch seine Uniform und seinen Hut ab, und kehrte zu ihr zurück. Die Kühle der Nacht erweckte sie bald aus ihrer Ohnmacht.
»Mein Vater! mein Vater!« waren ihre ersten Worte; dann stand sie auf und drückte ihre Hände an ihre Stirne, als wollte sie ihre Gedanken darin befestigen. »Oh! das ist gräßlich; ich war mit ihm, ich habe ihn verlassen. Mein Vater, mein Vater! er wird todt sein!«
»Unsere junge Gebieterin, Fräulein Blanche,« sagte ein Kopf, der plötzlich hinter dem Baume erschien, »der Marquis von Beaulieu lebt, er ist gerettet. Es lebe der König! es lebe die gute Sache!«
Derjenige, welcher diese Worte gesprochen, verschwand wie ein Schatten; jedoch nicht schnell genug, daß Marceau nicht Zeit gehabt hätte, den Bauern von Saint-Crepin zu erkennen.
»Tinguy! Tinguy!« rief das Mädchen seine Arme gegen den Mann ausstreckend.
»Stille! ein Wort verräth Sie: ich könnte Sie nicht retten, und ich will Sie retten! Ziehen Sie diesen Rock an, setzen Sie diesen Hut auf, und erwarten Sie mich hier.«
Er kehrte auf das Schlachtfeld zurück, gab den Soldaten den Befehl, sich gegen Chollet zurückzuziehen, überließ seinem Collegen das Commando über die Truppe, und kam wieder zu der jungen Vendéerin.
Er fand sie bereit, ihm zu folgen. Beide wandten sich nach einem Orte der Landstraße, welche die Romagne durchzieht, wo der Bediente von Marceau mit Handpferden wartete, die nicht in das Innere der Landschaft eindringen konnten, da hier die Wege nur Schluchten und Morastlöcher sind. Nun verdoppelte sich seine Verlegenheit; er befürchtete, seine junge Gefährtin könne nicht reiten und habe nicht die Kraft, zu Fuße zu gehen; doch sie hatte ihn bald beruhigt, da sie ihr Pferd mit weniger Kraft, aber mit ebenso viel Anmuth als der beste Reiter führte.1 Sie sah das Erstaunen von Marceau und lächelte.
»Sie werden weniger erstaunt sein, wenn Sie mich kennen. Sie werden erfahren, durch welche Reihenfolge von Umständen ich mit den Uebungen der Männer vertraut geworden bin; Sie sehen so gut aus, daß ich Ihnen alle Ereignisse meines so jungen und schon so gemarterten Lebens sagen will.«
»Ia, ja, doch später,« erwiederte Marceau; »wir werden Zeit dazu haben, denn Sie sind meine Gefangene, und um Ihretwillen werde ich Ihnen nicht die Freiheit geben. Was wir nun zu thun haben ist, daß wir Chollet so rasch als möglich erreichen. Befestigen Sie sich also auf Ihrem Sattel, und im Galopp, mein Cavalier!«
»Im Galopp!« wiederholte die Vendéerin; und nach drei Viertelstunden ritten sie in Chollet ein. Der Obergeneral war auf der Manie. Marceau ließ seine Gesungene und seinen Bedienten vor der Thüre und ging hinauf. Er erstattete mit ein paar Worten Bericht über seine Mission, kam zurück und suchte mit seiner kleinen Escorte ein Lager im Gasthause zu den Sansculottes, eine Inschrift, welche auf dem Schilde die Worte: Zum großen heiligen Nicolaus ersetzt hatte.
Marceau nahm zwei Zimmer: er führte die junge Gefangene in eines derselben und lud sie ein, sich ganz angekleidet auf das Bett zu werfen, um hier einige Augenblicke eine Ruhe zu genießen, die sie nach der gräßlichen Nacht, welche sie zugebracht, sehr nöthig haben müßte, und er schloß sich in das seine ein, denn nun hatte er die Verantwortlichkeit für eine Existenz, und er mußte aus Mittel, sie zu erhalten, bedacht sein.
Blanche ihrerseits hatte auch zu träumen, von ihrem Vater vor Allem, sodann von dem jungen republicanischen General mit dem sanften Gesichte und der milden Stimme. Alles das dünkte ihr ein Traum. Sie ging, um sich zu versichern, daß sie wirklich wach war, sie blieb vor einem Spiegel stehen, um sich zu überzeugen, daß wirklich sie
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