In reichen Ländern ist der Markt in der Regel so ausgedehnt, dass jedes Gewerbe hinreichend ist, die Arbeit und das Kapital derer, welche sich ihm widmen, ganz in Anspruch zu nehmen. Beispiele davon, dass Leute von einem Geschäfte leben und daneben aus einem anderen einen kleinen Gewinn ziehen, kommen hauptsächlich in armen Ländern vor. Folgenden ganz ähnlichen Fall jedoch findet man in der Hauptstadt eines der reichsten Länder. Ich glaube, es gibt keine Stadt in Europa, in welcher der Hauszins teurer wäre als in London, und doch kenne ich keine Hauptstadt, in der ein möbliertes Zimmer so wohlfeil zu mieten ist. Ein Zimmer in London ist nicht nur viel wohlfeiler als in Paris, sondern auch viel wohlfeiler als in Edinburgh, und zwar bei derselben Ausstattung, und befremdlicher Weise ist gerade die Höhe des Hauszinses der Grund jener Wohlfeilheit der möblierten Zimmer. Die Höhe des Hauszinses in London rührt nicht nur von den Ursachen her, die ihn in allen großen Hauptstädten teuer machen, – von der teuren Arbeit, den teuren Baumaterialien, die gewöhnlich aus weiter Ferne herbeigebracht werden müssen, und vor allem von der hohen Grundrente, da jeder Grundeigentümer als Monopolist verfährt, und oft für einen einzigen Morgen schlechten Bodens in der Stadt eine höhere Rente fordert als man für hundert Morgen des besten Bodens auf dem Lande erhalten kann, – sondern sie entspringt zum Teil aus den besonderen Gebräuchen und Gewohnheiten der Bewohner, wonach jeder Hausvater ein ganzes Haus von oben bis unten mieten muss. Eine »Wohnung« in England heißt so viel, wie alles, was unter demselben Dache enthalten ist. In Frankreich, Schottland und vielen anderen Teilen Europas bedeutet es oft nicht mehr als ein einzelnes Stockwerk. Ein Gewerbsmann in London ist genötigt, in dem Stadtteile, in dem seine Kunden wohnen, ein ganzes Haus zu mieten. Sein Laden ist zur ebenen Erde; er selbst aber schläft mit seiner Familie unter dem Dache, und sucht einen Teil seines Hauszinses dadurch zu bezahlen, dass er die beiden mittleren Stockwerke an Aftermieter ablässt. Den Unterhalt seiner Familie hofft er durch sein Gewerbe, nicht durch seine Mieter zu bestreiten, wohingegen Leute, welche in Paris und Edinburgh Zimmer vermieten, gewöhnlich keine anderen Unterhaltsmittel haben, und der Preis der Zimmer nicht nur den Hauszins, sondern die ganzen Ausgaben der Familie bestreiten muss.
Zweite Abteilung
Ungleichheiten, welche durch die europäische Wirtschaftspolitik veranlasst sind
Dies sind die in der Gesamtheit der Vorteile und Nachteile bei den verschiedenen Arbeits- und Kapitalanlagen vorkommenden Ungleichheiten, welche die Abwesenheit eines der drei oben erwähnten Erfordernisse auch da veranlasst, wo die vollkommenste Freiheit herrscht. Aber andere viel bedeutendere Ungleichheiten veranlasst die europäische Wirtschaftspolitik dadurch, dass sie den Dingen nicht ihre volle Freiheit lässt.
Dies geschieht vornehmlich auf dreierlei Weise. Erstens dadurch, dass in gewissen Gewerben die Konkurrenz auf eine geringere Anzahl von Mitwerbern beschränkt wird als sich sonst damit befassen würden; zweitens dadurch, dass in anderen die Mitwerber über das natürliche Maß vermehrt werden und drittens dadurch, dass die freie Bewegung von Arbeit und Kapital, sowohl von Gewerbe zu Gewerbe als von Ort zu Ort gehemmt wird.
Erstens, die europäische Wirtschaftspolitik veranlasst eine sehr bedeutende Ungleichheit in der Gesamtheit der Vorteile und Nachteile bei den verschiedenen Arbeits- und Kapitalanlagen dadurch, dass sie in gewissen Gewerben die Konkurrenz auf eine geringere Anzahl von Mitwerbern beschränkt, als sich sonst damit befassen würden.
Die ausschließlichen Zunftprivilegien sind das hauptsächlichste Mittel, dessen sie sich zu diesem Zwecke bedient.
Das ausschließliche Privilegium eines zünftigen Gewerbes schränkt notwendig in der Stadt, in der es betrieben wird, den Wettbewerb auf diejenigen ein, die zur Zunft gehören. Das notwendige Erfordernis zur Erlangung des Zunftrechts besteht gewöhnlich darin, dass man in der Stadt unter einem gehörig qualifizierten Meister gelernt hat. Die Zunftordnungen bestimmen öfters die Zahl der Lehrlinge, welche einem Meister zu halten gestattet ist, und fast immer die Zahl der Jahre, die ein Lehrling dienen muss. Die Absicht dieser beiden Bestimmungen geht dahin, die Konkurrenz auf eine geringere Anzahl einzuschränken als sich sonst auf das Geschäft einlassen würden. Die Beschränkung der Zahl der Lehrlinge beschränkt den Wettbewerb direkt; eine lange Lehrzeit tut es mehr indirekt, aber ebenso wirksam durch die vermehrten Kosten der Ausbildung.
In Sheffield kann zufolge eines Ortsstatuts der Zunft kein Messerschmidt zu gleicher Zeit mehr als einen Lehrling halten. In Norfolk und Norwich kann kein Webermeister, bei Strafe von fünf Pfund monatlich, mehr als zwei Lehrlinge haben. In ganz England und den englischen Kolonien darf ein Hutmacher nicht mehr als zwei Lehrlinge haben, bei Strafe von fünf Pfund monatlich, die halb dem Fiskus und halb dem Angeber zufallen. Diese beiden Bestimmungen sind, obgleich sie durch ein allgemeines Staatsgesetz bestätigt sind, offenbar von demselben Zunftgeiste diktiert, der die Sheffielder Verordnung eingegeben hat. Kaum waren die Seidenwirker in London ein Jahr lang eine Zunft als sie auch schon eine Verordnung erließen, die jedem Meister untersagte, mehr als zwei Lehrlinge zu gleicher Zeit zu haben. Es bedurfte einer eigenen Parlamentsakte, um dieses Ortsstatut umzustoßen.
In früherer Zeit scheinen sieben Jahre in ganz Europa der übliche Zeitraum gewesen zu sein, der für die Dauer der Lehrjahre in den meisten zünftigen Gewerben festgesetzt war. Alle diese Zünfte wurden früher Universitäten genannt, was in der Tat der eigentliche lateinische Name für jede Körperschaft ist. Die Universität der Schmiede, die Universität der Schneider usw. sind Ausdrücke, denen man in den vergilbten Dokumenten alter Städte oft begegnet. Als jene besonderen Korporationen, die man noch jetzt Universitäten nennt, gegründet wurden, hat man augenscheinlich die Anzahl der Jahre, die man studieren musste, um den Grad eines Magisters der freien Künste zu erlangen, von den Feststellungen der Lehrzeit in den gewöhnlichen Gewerben, deren Vereinigungen viel älter waren, kopiert. Wie man sieben Jahre unter einem gehörig qualifizierten Meister gearbeitet haben musste, wenn man in einem gewöhnlichen Gewerbe die Berechtigung, Meister zu werden und selber Lehrlinge zu halten erwerben wollte, so musste man auch sieben Jahre unter einem gehörig qualifizierten Meister studiert haben, um das Recht zu erwerben, in den freien Künsten Magister, Lehrer oder Doktor (früherhin gleichbedeutende Wörter) zu werden, und Schüler oder Lehrlinge (ursprünglich ebenfalls gleichbedeutende Ausdrücke) zu haben, die unter dem Meister studierten.
Durch ein Statut ans dem fünften Jahre Elisabeths, gewöhnlich das Lehrzeitstatut genannt, wurde bestimmt, dass in Zukunft niemand ein zu jener Zeit in England betriebenes Handwerk, Gewerbe oder Geschäft treiben sollte, wenn er nicht zuvor darin wenigstens sieben Lehrjahre bestanden hätte; und was früher bloßes Ortsstatut einzelner Zünfte gewesen war, wurde nun in England allgemeines Staatsgesetz für alle in Marktstädten betriebenen Geschäfte. Die Worte des Statuts lauten zwar ganz allgemein, und scheinen das ganze Königreich zu umfassen, doch ist seine Wirkung durch Auslegung auf die Marktstädte beschränkt worden, weil man dafür hielt, dass auf dem Lande dieselbe Person verschiedene Gewerbe müsse treiben können, auch ohne in jedem sieben Jahre gelernt zu haben, da Handwerker für den Bedarf der Einwohner nötig, und diese doch nicht immer zahlreich genug sind, um einen Mann, der nur sein Handwerk betreibt, zu ernähren.
Ferner ist durch eine strenge Auslegung der Worte die Wirkung dieses Statuts auf die Gewerbe beschränkt worden, welche in England vor dem fünften Regierungsjahre Elisabeths bestanden haben, und niemals auf solche ausgedehnt worden, die seit jener Zeit erst eingeführt worden sind. Diese Beschränkung hat zu einigen Unterscheidungen Anlass gegeben, die als Maßregeln der Wirtschaftspolitik betrachtet, so töricht als möglich erscheinen. So ist z. B. entschieden worden, dass ein Wagner seine Wagenräder weder selbst machen, noch durch Gesellen machen lassen darf, sondern sie von einem Radmachermeister kaufen muss, weil letzteres Handwerk schon vor dem fünften Regierungsjahre Elisabeths existiert hat. Dagegen kann ein Radmacher, wenn er auch niemals bei einem Wagner in der Lehre gewesen ist, selbst Wagen machen oder von Gesellen machen lassen, weil das Gewerbe eines Wagners in dem Statut