Namenlos. Уилки Коллинз. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
isbn:
Скачать книгу
mich hinein zu schleichen pflegte vor langen, langen Jahren, als wir noch Kinder waren. Sie war nicht zu Bette, sie saß mit ihren Schreibmaterialien vor sich in Gedanken da. Ich sagte, ich möchte die letzte Nacht bei ihr bleiben, und sie küßte mich und sagte mir, ich sollte mich nur niederlegen Sie würde schon bald nachkommen versprach sie mir. Meine Seele war schon etwas ruhiger geworden, und ich schlief ein. Es war Tag, als ich erwachte, und das Erste, was ich sah, war Magdalene, welche noch immer auf dem Stuhle saß und immer noch nachsann. Sie war gar nicht ins Bett gekommen, sie hatte die ganze Nacht gewacht.

      – Ich will schlafen, wenn wir Combe-Raven verlassen haben, sagte sie. Es wird mir wohler sein, wenn Alles vorüber ist, und ich Frank Lebewohl gesagt habe.

      Sie hatte unseres Vaters Testament in den Händen und den Brief, welchen er an Sie schrieb, und als sie ausgesprochen hatte, legte sie Beides in meine Hände nieder. Ich wäre die älteste – sagte sie – und diese letzten kostbaren Reliquien müßten von mir aufbewahrt werden. Ich schlug ihr erst vor, daß wir uns hinein theilten, aber sie schüttelte mit dem Kopfe.

      – Ich habe für mich selbst eine Abschrift genommen, sagte sie, von Allem, was er von uns sagt in dem Testament und von Allem, was er in dem Briefe sagt.

      Sie erzählte mir Dies und nahm aus ihrem Busen eine kleine weißseidene Tasche, die sie sich in der Nacht gemacht hatte und in welche sie die Auszüge gesteckt hatte, als wollte sie dieselben immer bei sich führen.

      – Dies sagt mir in seinen eigenen Worten, welches seine letzten Wünsche für uns Beide waren, sagte sie, und dies ist Alles, was ich für die Zukunft brauche.

      Dies Alles sind Kleinigkeiten, bei denen ich verweile, und ich bin über mich selbst erstaunt, daß ich mich nicht schäme, Sie damit zu behelligen. Aber seitdem ich weiß, welches Ihre früheren Beziehungen zu meinem Vater und meiner Mutter waren, habe ich gelernt, Sie als einen alten Freund zu betrachten, und wohl auch so an Sie zu schreiben. Und dann liegt es mir so sehr am Herzen, Ihre Meinung von Magdalenen umzuwandeln, daß ich mir nicht helfen kann, ich muß die kleinsten Dinge von ihr erzählen, welche nach meiner Ansicht darauf abzielen mögen, Sie über sie so denken zu lassen, als ich selber.

      Als die Frühstücksstunde kam – am Donnerstage – waren wir erstaunt, einen fremden Brief vorzufinden. Vielleicht muß ich Ihnen Das mittheilen, im Fall, daß künftig Ihr Einschreiten nöthig werden sollte. Er war an Miss Garth gerichtet auf Papier mit einem breiten Trauerrande, und der Schreiber war derselbe Mann, welcher eines Tages im letzten Frühjahre uns auf einem Spaziergange nachging: Hauptmann Wragge. Seine Absicht war, wie es schien, seinen kühnen Anspruch auf eine Verwandtschaft mit meiner armen Mutter geltend zu machen, unter dem Vorwande einer Beileidsbezeigung, welche überhaupt zu schreiben von einer solchen Person eine Unverschämtheit ist. Er sprach so viel Mitgefühl aus, nachdem er unsern Trauerfall aus den Zeitungen erfahren hatte – als ob er uns wirklich nahe gestanden hätte.

      Dann bat er uns in einer Nachschrift, ihn doch wissen zu lassen – er war also ganz offenbar vollständig unbekannt mit Allem, was wirklich vorgefallen war —, ob es wünschenswerth wäre, daß er oder andere Verwandte bei der Eröffnung des Testaments zugegen wären! Die Adresse, welche er angibt und unter der Briefe ihn in den nächsten vierzehn Tagen treffen würden, lautet: »Birmingham, Postamt«. Das ist Alles, was ich Ihnen über diesen Gegenstand zu sagen habe. Sowohl Brief wie Schreiber scheinen mir eigentlich für uns, wie für Sie nicht der geringsten Beachtung werth zu sein.

      Nach dem Frühstück verließ uns Magdalene und ging vor sich hin ins Morgenzimmer. Das Wetter war noch immer etwas regnerig, und wir hatten die Anordnung getroffen, daß Francis Clare sie in jenem Zimmer sprechen sollte, wenn er sich einfände, um Abschied zu nehmen. Ich war oben, als er kam, und ich blieb auch noch über eine halbe Stunde oben, von trüber Sorge erfüllt, wie Sie wohl denken können, über Magdalenen.

      Nach einer halben Stunde oder etwas später kam ich die Treppe herunter. Als ich an den Absatz kam, hörte ich ihre Stimme, welche durchdringend kreischte und ihn bei Namen rief,… dann lautes Schluchzen, … dann ein fürchterliches Lachen und Schreien durch einander, das durch das Haus schallte. Ich eilte sofort in das Zimmer und fand Magdalenen auf dem Sopha in heftigen hysterischen Krämpfen liegend, Frank stand da, starrte sie an mit finsterer, zorniger Miene, seine Nägel kauend.

      Ich fühlte mich so aufgebracht – ohne eigentlich zu wissen, warum, denn ich hatte ja keine Ahnung von Dem, was in der Unterredung vorgefallen war – daß ich Mr. Francis Clare bei den Schultern nahm und ihn aus dem Zimmer stieß. Es liegt mir sehr am Herzen, Ihnen zu sagen, wie ich gegen ihn gehandelt, und was mich dazu gebracht hat. Denn ich begreife, daß er sich von mir äußerst beleidigt halten muß und daß er leicht irgendwo erzählen kann, was er meine unweibliche unziemende Heftigkeit gegen ihn nennt. Wenn er gegen Sie davon sprechen sollte, so liegt mir meinerseits viel daran das Zugeständniß zu machen, daß ich mich selbst vergaß; doch geschah Das, wie Sie hoffentlich denken werden, nicht ohne einigen guten Grund.

      Ich stieß ihn auf die Hausflur hinaus und überließ Magdalenen für den Augenblick der Sorge von Miss Garth. Anstatt nun wegzugehen, setzte er sich störrisch auf einen der Stühle der Halle.

      – Wollen Sie mir die Frage erlauben, was der Grund dieser außerordentlichen Aufwallung ist? fragte er Zornigen Auges.

      – Nein, sagte ich. Sie werden gefälligst selber den Grund dazu sich denken können und uns augenblicklich verlassen, wenn Sie so gut sein wollen.

      Er blieb verstockt auf dem Stuhle sitzen, kaute an den Nägeln und dachte nach.

      – Was habe ich verschulden um auf diese gefühllose Art behandelt zu werden? fragte er nach einer Weile.

      – Ich kann mit Ihnen darüber nicht verhandeln, antwortete ich, ich kann Sie nur ersuchen, uns zu Verlassen. Wenn Sie darauf beharren zu warten, um meine Schwester wieder zu sehen, so will ich selber hinüber gehen und mich an Ihren Vater wenden.

      Er erhob sich bei diesen Worten in großer Hast.

      – In dieser Sache bin ich auf elende Weise behandelt worden, sprach er. Alles Harte und alle Opfer fallen auf meinen Theil. Ich in unter Ihnen der Einzige, der ein Herz hat. Die Uebrigen alle sind so hart wie Steine – Magdalene mit eingeschlossen. In einem Athem sagt sie mir wohl, sie liebe mich, und gleich hinterher sagt sie. mir wieder, ich solle nach China gehen. Was habe ich gethan, um mit diesem herzlosen Wankelmuth behandelt zu werden? Ich bin meinerseits nicht wankelmüthig – ich will nur zu Hause bleiben… und – was folgt daraus? Ihr seid Alle gegen mich!

      In dieser Art ging er langsam die Stufen hinunter, und das war das letzte Mal, daß ich ihn sah. Das ist Alles, was zwischen uns vorgefallen ist. Wenn er es Ihnen anders darstellt, so wird Das, was er etwa sagt, falsch sein. Er machte keinen Versuch, noch einmal zu kommen. Eine Stunde später kam sein Vater allein, um Lebewohl zu sagen. Er sah Miss Garth und mich, aber nicht Magdalenen. Wir hatten, als Mr. Clare uns verlassen hatte, knapp nur noch zwei Stunden, bis die Zeit zur Abreise da war. Ich ging zu Magdalenen zurück und fand sie ruhiger und besser, obgleich schrecklich bleich, erschöpft und gedrückt, wie ich glaubte, durch Gedanken, die sie nicht über sich gewinnen konnte mitzutheilen Sie wollte mir damals Nichts weiter erzählen, sie hat mir auch nachher Nichts erzählt von Dem, was zwischen ihr und Francis Clare vorgefallen war. Wenn ich mit Unwillen von ihm sprach – indem ich doch fühlte, daß er sie betrübt und gequält hatte in einer Zeit, wo er ihr alle Ermuthigung und allen Trost hätte geben sollen, den ein Mann nur spenden kann – so weigerte sie sich mich anzuhören. Sie machte ihm die liebevollsten Zugeständnisse, sie fand die annehmbarsten Entschuldigungen für ihn und legte die ganze Schuld des schrecklichen Zustandes, in dem ich sie gefunden hatte, lediglich und allein sich selber zur Last. Hatte ich Unrecht, als ich Ihnen sagte, sie habe einen edlen Charakter? Und wollen Sie Ihre Meinung noch nicht ändern, wenn Sie diese Zeilen lesen?

      Wir hatten keine Freunde, welche hätten kommen und uns Lebewohl sagen können. Unsere wenigen Bekannten waren zu entfernt von uns, Vielleicht auch zu gleichgültig gegen uns, um uns Abschiedsbesuche zu machen. Wir benutzten die wenige uns bleibende freie Zeit, um mit einander zum letzten Male durch das Haus zu wandeln. Wir nahmen Abschied von unserm alten Schulzimmer,