Antonia. Уилки Коллинз. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Уилки Коллинз
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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zweite sein ältester Sohn sein solle.

      In diesem Entschlusse fest, weihte er sein Kind sofort dem großen Plane, welchen er jetzt beständig im Auge behielt. Er wußte recht gut, daß das Heidenthum zwar neu belebt, aber doch nicht mehr die frühere allgemeine Religion war, daß es jetzt geheimen Widerstand fand und ihm bald von den verfolgten Christen im ganzen Reiche offene Widersetzlichkeit zu Theil werden könne. Wenn daher die jüngere Generation dasselbe mit Erfolg vor allen künftigen Eingriffen bewahren und sicher zu seinen höchsten Ehren steigen wolle, müsse dann mehr von ihnen gefordert werden, als die ruhige Anhänglichkeit an die alte Religion, welche von den Gläubigen früherer Tage gefordert wurde. Damals vertrug sich die Ausübung der wichtigsten Aemter der Priesterschaft mit dem Besitz militärischen oder politischen Ranges. Jetzt aber sollten die künftigen Diener der Götter dem Tempel und nur dem Tempel geweiht werden. Diesem Entschlusse zufolge trug der Vater dafür Sorge, daß steh alle Beschäftigungen und Belohnungen des Sohnes von dessen frühesten Jahren an aus die eine oder andere Art mit der Laufbahn, für welche er bestimmt war, verbanden. Seine kindischen Freuden wurden auf Opfer und Augurien gerichtet, seine kindischen Spielsachen waren Götterbilder. Der Knabe leistete diesem Erziehungsplane keinen Widerstand. Weit verschieden von seinem jüngern Bruder, dessen unruhiger Charakter aller Herrschaft Trotz bot, war er von Natur gelehrig und seine über seine Jahre hinaus lebhafte Einbildungskraft ließ sich leicht durch ihr gebotene merkwürdige Gegenstände fesseln. So aufgemuntert, wurde sein Vater völlig von der Beschäftigung in Anspruch genommen, ihn ganz für seine künftige Existenz zu formen. Der Einfluß seiner Mutter auf ihn wurde eifersüchtig beobachtet, der geheime Ausdruck ihrer Liebe, ihres Kummers über die Aussicht auf die Trennung von ihm unbarmherzig unterdrückt, sobald er entdeckt ward, und sein jüngerer Bruder vernachlässigt, ja fast vergessen, um dem ältesten Sohne die väterliche Wachsamkeit gänzlich und unablässig weihen zu können.

      Als Eimilius fünfzehn Jahre alt geworden war, sah sein Vater mit Freuden, daß die Zeit gekommen sei, wo er den Beginn zur Verwirklichung aller seiner Pläne vor sich sehen könne. Der Knabe wurde vom Hause entfernt, nach Alexandria gebracht und von seinem stolzen, triumphirenden Vater freudig unter der besondern Obhut des Hohenpriesters Macrinus gelassen.

      Der Tempelvorsteher dachte in Bezug auf die Pläne mit dem jungen Emilius, ganz eben so wie sein Bruder. Sobald der Knabe seine neuen Beschäftigungen begonnen hatte, wurde ihm gesagt, daß er Alles, was er in Rom zurückgelassen, vergessen, daß er den Hohenpriester als seinen Vater und den Tempel fortan als seine Heimath betrachten und der einzige Zweck seiner jetzigen Bemühungen und seines künftigen Ehrgeizes der sein müsse, im Dienste der Götter zu steigen.

      Hiermit begnügte sich Macrinus aber noch nicht. Er war eifrig darauf bedacht, bei seinem Schüler Vaterstelle zu vertreten, und sich seine Anhänglichkeit dadurch zu sichern, daß er ihn auf jede mögliche Weise von der Welt abzog, in welcher er bisher gelebt hatte, und so veränderte er sogar dessen Namen, legte ihm eine von seinen eigenen Benennungen bei, und bezeichnete dies als ein Vorrecht, um ihn zu fernern Anstrengungen aufzumuntern. Aus dem Knaben Emilius wurde er jetzt für immer in den Zögling Ulpius umgewandelt.

      Bei einer natürlichen Neigung, wie die bereits beschriebene, und unter einer Obhut wie die des Hohenpriesters, war kaum zu fürchten, daß Ulpius die ungewöhnlichen Erwartungen, welche man. sich von ihm gemacht hatte, täuschen werde. Seine Aufmerksamkeit für seine neuen Pflichten erschlaffte nie; sein Gehorsam gegen seine neuen Herren kam nie zum Schwanken. Alles, was auch Macrinus von ihm verlangen mochte, führte er zuverlässig aus. Welche Sehnsucht er auch fühlen mochte, nach Hause zurückzukehren, so ließ er sie doch nie blicken, er suchte nie die seinem Alter natürlichen Neigungen zu befriedigen. Der Oberpriester und seine Collegen waren über die außerordentliche Bereitwilligkeit, womit der Knabe selbst die Absichten, welche sie in Bezug auf ihn hatten, befördern, erstaunt. Wenn sie gewußt hätten, wie mühsam er im Hause seines Vaters auf seine künftigen Beschäftigungen vorbereitet worden war, so würden sie von der ungewöhnlichen Gelehrigkeit ihres Schülers weniger überrascht gewesen sein. Bei der Erziehung, welche er genossen hatte, hätte es mehr als menschlicher Verkehrtheit bedurft, um Widerstand gegen die Wünsche seines Oheims zu entwickeln. Er hatte keine Kindheit, weder in Bezug auf das Denken, noch auf das Handeln, gehabt. Seine natürliche Frühreife war als die Maschine benutzt worden, durch welche man seine Fähigkeiten zu einer gefahrvollen und unheilsamen Reife getrieben hatte, und als seine neuen Pflichten seine Aufmerksamkeit verlangten, begann er dieselben mit derselben enthusiastischen Aufrichtigkeit, welche seine jungen Altersgenossen für ein neues Spiel bewiesen hab würden. Seine allmälige Einweihung in die Geheimnisse seiner Religion erzeugte in seinem Geiste ein seltsames wollüstiges Gefühl der Furcht und Theilnahme. Er hörte die Orakel und bebte, er wohnte den Opfern und Augurien bei und erstaunte. Die ganze Poesie des kühnen, schönen Irrglaubens, welchem er geweiht wurde, floß unwiderstehlich in sein junges Herz, nahm seine frische Phantasie völlig in Anspruch und führte ihn unablässig aus dem Leben und der Wirklichkeit. der äußern Welt in die Schattenregionen der Begeisterung und des Gedankens.

      Ulpius ließ seine Aufmerksamkeit jedoch nicht gänzlich von seinen Pflichten absorbiren; der Jüngling hatte so gut seine eigenthümlichen Freuden, wie seine eigenthümlichen Beschäftigungen. Wenn sein Diensi für den Tag vorüber war, so, gewährte es ihm einen seltsamen überirdischen Genuß, leise in dem Schatten der Säulenhallen des Tempels umherzuwandeln, von seiner geheimnißvollen Höhe auf die volkreiche, sonnenhelle Stadt zu seinen Füßen hinabzublicken, die glänzende Wasserfläche des Nils freudig im blendenden, alles belebenden Lichte blitzen zu sehen, seine Augen von den Feldern und Wäldern, Palästen und Gärten, die sich unter ihm ausstreckten, zu dem schönen, wolkenlosen Himmel zu erheben, der ihn in ferner Höhe umgab, um alle Freude und liebevolle Empfindung zu erwecken, die sein nur selten ununterbrochener Verkehr mit seiner Mutter seinem Herzen eingepflanzt und seine neuen Pflichten ihm gelassen hatten. Dann, wenn das Licht des Tages zu verbleichen begann und der Mond und die Sterne bereits an ihren Orten am Himmel zu strahlen anfingen, begab er sich in die unterirdischen Gewölbe des Gebäudes, bebte, wenn seine kleine Kerze kaum die dumpfe, feierliche Dunkelheit verscheuchte und lauschte mit athemloser Aufmerksamkeit nach den Stimmen der Schutzgeister, deren fabelhafte Wohnung sich in den Räumen des heiligen Gebäudes befand. Oder wenn sich die Menge zu ihren Vergnügungen und Wohnungen entfernt hatte, stahl er sich wohl auch in die hohen Tempelhallen, wanderte um die Piedestale der mächtigen Statuen, athmete furchtergriffen die stille Atmosphäre des Tempels und beobachtete das Vorüberstreifen der kalten, traurigen Mondstrahlen, die durch die Oeffnungen im Dache auf die kolossalen Glieder und Züge der heidnischen Götterbilder fielen. Zuweilen, wenn der Dienst des Serapis und die sich auf seine Mittheilungen an den Kaiser beziehenden Sorgen zu Ende waren, führte Macrinus seinen Schüler in den Garten der Priester und lobte seine Gelehrigkeit, daß ihm das Herz vor Dankbarkeit und Stolz klopfte. Mitunter geleitete er ihn vorsichtig aus dem Gebiete des geweihten Gebäudes und zeigte ihm in den Vorstädten stumme, bleiche, traurige Männer, die verdächtig durch die belebten menschenvollen Straßen schlichen. Diese waren, wie er ihm erklärte, die Feinde des Tempels und alles darin Enthaltenen, Verschwörer gegen den Kaiser und die Götter, Bösewichter, die als Auswürflinge der Menschheit vertrieben werden müßten, sie nennten sich Christen, deren gottlose Religion, wenn man sie duldete, ihn des Oheims, welchen er liebte, des Tempels, welchen er verehrte, und der priesterlichen Würde und Berühmheit, welche zu erlangen der Ehrgeiz seines Lebens sein müsse, berauben würden.

      So von seinem Lehrer in seinen Pflichten und von sich selbst in seinen Erholungen gelenkt, verlor der Knabe mit der Zeit allmälig jede ihm noch gebliebene Eigenschaft seines Alters. Selbst die Erinnerung an seine Mutter und die Liebe derselben schwächte sich in seinem Gedächtniß. Ernst, einsam, nachdenklich, lebte er nur für den Erfolg im Tempel, mühte er sich nur dem Oberpriester nachzueifern. Alle seine Gefühle und Fähigkeiten wurden jetzt in die Banden eines Ehrgeizes geschlagen, der sowohl für sein gegenwärtiges Alter unnatürlich, wie für sein künftiges Leben eine Vorbedeutung von Leiden war. Der Plan, welchen Macrinus, als das Werk von Jahren, im Auge gehabt, erfüllte sich in wenigen Monaten, die Hoffnung, welche sein Vater kaum für sein Mannesalter zu hegen gewagt hatte, kam schon in seiner Jugend zur Reife.

      Unter diesen Vorbereitungen auf künftigen Erfolg vergingen drei Jahre von Ulpius Leben. Nach Ablauf dieser Periode verdunckelte der Tod Julian’s die glänzenden Aussichten der heidnischen