Gott sei mit Ihnen!
Dreizehnter Brief
Hören Sie! hören Sie! Nicht in zwei, nicht in drei Tagen muß ich Ihnen antworten, sondern auf der Stelle.
Mein Gott, welch thörigter Gedanke bemächtigt sich meines Verstandes, meines Herzens, meiner Seele! Wenn der, dm ich liebe, nicht todt wäre! Wenn Sie der wären, den ich liebe, der, den ich rufe, der, den ich suche, der, welcher mir jede Nacht erscheint!
Sie sind am 1. Mai 1607 geboren, er auch! Sie sind groß, er auch! Sie haben schwarze Haare, er auch! Sie haben blaue Augen, eine bleiche Gesichtsfarbe, eine hohe Stirn; er auch!
Dann, erinnern Sie sich der Worte, die Sie mir bereits in einem andern Brief gesagt haben, und die lebendig in meinem Gedächtnisse geblieben sind.
Sie sind durch die verschiedenen Stufen der menschlichen Größe gefallen, Sie haben bei dem Winde des Beiles nicht geschaudert, welches die Köpfe um Sie herum abschlug; Sie haben im Fallen fast ein Königreich verloren.
Ich weiß nicht, ob Alles das auf Sie anwendbar ist, aber, mein Gott! mein Gott! Alles das läßt sich wirklich auf ihn anwenden.
Sie haben in Ihrer Zelle das Portrait eines Königs, das Sie mit Verehrung und Liebe umgeben. Das Portrait ist das Heinrichs IV. Und er, er war der Sohn König Heinrichs IV.
Wenn Sie nicht Anton von Bourbon, Graf von Moret sind, von dem man sagt, daß er in der Schlacht von Castelnaudary gefallen sei, wer sind Sie denn?
Antworten Sie! im Namen des Himmels, antworten Sie.
Vierzehnter Brief
Wenn Sie nicht Isabella von Lautrec sind, die ich für ungetreu hielt, wer sind Sie denn?
Ich bin Anton, Graf von Moret, von dem man glaubte, daß er in der Schlacht von Castelnaudary gefallen wäre, und der noch, nicht durch die Barmherzigkeit, sondern durch die Rache des Herrn lebt.
O! wenn die Sachen sind, wie ich fürchte, daß sie sind, dann wehe uns Beiden!
Die Taube hat sich in der Nacht verirrt, oder ist sie vielleicht ermüdet genöthigt gewesen, sich auszuruhen.
Sie ist erst mit den ersten Strahlen des Tages gekommen.
Fünfzehnter Brief
Ja, ja, Ja, Unglücklicher! ja, ich bin Isabelle von Lautrec! Sie haben mich für untreu gehalten, mich? wie, warum, bei welcher Veranlassung? denn ich vertheidige mich nicht mehr, ich klage an.
Wissen Sie, daß die Taube nur zwei Stunden darauf verwendet, um von Ihnen zu mir und von mir zu Ihnen zu gehen? Wissen Sie, daß wir dem zu Folge nur dreißig Meilen von einander entfernt sind? Sagen Sie an, wie habe ich Sie betrogen? wie habe ich Sie verrathen? sagen Sie, sagen Sie!
Geh, Taube, Du trägst mein Leben!
Sechzehnter Brief
Meine Augen, mein Herz, meine Seele, hat mich Alles zugleich betrogen?
Ist es Isabella von Lautrec, oder ist sie es nicht, die ich am 5. Januar 1633 in die Domkirche von Valence habe eintreten sehen. War sie als Braut gekleidet? und der, welcher hinter ihr im Anzüge als Bräutigam ging, war es nicht der Vicomte Emmanuel von Pontis?
Oder war Alles das nur eine Täuschung des bösen Geistes? Keinen Zweifel, keine Zögerung, Keine halbe Antwort.
Das Schweigen oder den Beweis.
Siebzehnter Brief
Ja, den Beweis! es sei; er wird mir leicht zu geben sein.
Alles, was Sie gesehen haben, schien wahr zu sein, und dennoch war Alles das falsch, was Sie gesehen haben.
Nur habe ich Ihnen eine lange Erzählung zu machen; um so besser, unsere arme Taube ist erschöpft und bedarf der Ruhe.
Sie hat beinahe vier Stunden, statt zwei darauf verwandt, um zurückzukehren.
Ich werde einen Theil der Nacht schreiben.
Mein Gott und Herr! gib mir ein wenig Ruhe, meine Hand zittert in dem Grade, um meine Feder nicht halten zu können.
Mein Gott! ich will Dir zuvörderst dafür danken, daß er lebt.
Achtzehnter Brief
Ich habe drei Stunden betend und meine glühende Stirn auf die eisigen Platten gestützt auf den Knieen zu gebracht, und ich bin jetzt ruhiger.
Ich lehre zu Ihnen zurück.
Lassen Sie mich Ihnen Alles sagen, Ihnen Alles von dem Augenblicke an erzählen, an welchem ich Sie in Valence verlassen habe, bis zu dem, wo ich, Unglückliche, die ich bin, mein Gelübde ausgesprochen habe.
Es war, Sie werden es sich wohl erinnern? es war am 14. August 1632, daß wir uns trennten; Sie nahmen Abschied von mir, ohne mir zu sagen, wohin Sie gingen; ich war mit traurigen Ahnungen erfüllt, ich vermochte den Schooß Ihres Mantels nicht loszulassen. Es schien mir, als ob es keine Abwesenheit von einigen Tagen wäre, wie Sie es mir versprochen, sondern eine ewige Abwesenheit, in welche wir eintreten würden.
Es schlug elf Uhr Abends auf der Kirche der Stadt; Sie ritten ein weißes Pferd; Sie waren in einen Mantel von dunkler Farbe gehüllt, Sie brachen Anfangs langsam auf, und drei Mal kehrten Sie wieder um, um Abschied von mir zu nehmen; bei dem dritten Male zwangen Sie mich, in das Haus zurückzukehren, denn, sagten Sie mir, wenn ich vor der Thür bliebe, so vermöchten Sie nicht sich zu entschließen aufzubrechen.
Warum bin ich nicht geblieben? warum sind Sie aufgebrochen?
Ich kehrte in das Haus zurück, aber es geschah nur, um auf meinen Balcon zu eilen. Sie blickten hinter sich, Sie sahen mich erscheinen, indem ich mein ganz mit Thränen benetztes Taschentuch wallen ließ; Sie erhoben Ihren Hut mit wallenden Federn, und ich hörte auf den Flügeln des Windes Ihren Abschied zu mir gelangen, der, durch die Entfernung geschwächt, klagend wie ein Seufzer geworden war.
Eine große schwarze Wolke zog am Himmel rasch dem Monde entgegen; ich streckte die Hände nach dieser Wolke aus, wie um sie zurückzuhalten, denn sie stand im Begriffe, den Silberschein zu erlöschen, mit dessen Hilfe ich Sie noch sah, endlich, gleich einem Luftungeheuer, streckte sie den offenen Rachen aus und verschlang den bleichen Gott, der in seinen dunklen Weichen verschwand. Nun senkte ich meine Augen von dem Himmel auf die Erde und suchte Sie vergebens; ich hörte noch in der Richtung von Orange den Aufschlag Ihres Pferdes auf dem Pflaster, aber ich sah Sie nicht mehr. Plötzlich öffnete ein Blitz die Wolke, und bei dem Scheine des Blitzes erkannte ich noch Ihr weißes Pferd. Was Sie anbetrifft, so hatte Sie Ihr dunkler Mantel bereits mit der Nacht verschmolzen. Das Thier entfernte sich rasch, aber schien sich ohne Reiter zu entfernen. Zwei andere Blitze leuchteten noch, welche mir das sich immer noch entfernende, wie ein Gespenst erbleichende Pferd zeigten. Seit einigen Sekunden hörte ich sogar nicht einmal mehr den Hufschlag seines Galopps. Ein vierter Blitz kam mit dem Rollen des Donners begleitet, aber sei es nun, daß es sich um irgend eine Krümmung des Weges gewandt hatte, oder daß es fern war, das Pferd war verschwunden.
Die ganze Nacht rollte der Donner, die ganze Nacht peitschten der Wind und der Regen meine Fenster; am folgenden Tage schien die bestürzte, zerzauste, sterbende Natur in Trauer wie mein Herz.
Ich wußte, was sich auf der Seite zutrug, wo ich Sie hatte verschwinden sehen, das heißt in Languedoc. Der Herzog von Montmorency, Ihr Freund, der der Gouverneur davon war, hatte, wie man sagte, indem er die Partei der verbannten Königin Mutter und die von