Vielleicht war es deswegen gut, dass Jans Gedanken von anderen nicht gelesen werden konnten, sonst hätten sie vielleicht gekämpft. Jan zweifelte, dass Lucas es gut aufnehmen würde, wenn er wüsste, wie hoffnungslos Jan in seine Schwester verliebt war.
„Mir geht’s gut“, sagte Jan. „Vielleicht ein wenig zu viel Adlige, die versuchen mich zu angeln, wie ein Fischer einen Schwertfisch.“
„Ich hatte dasselbe Problem“, sagte Lucas. „Und es ist schwer zu feiern, wenn man gleichzeitig an etwas anderes denkt.“
Für einen Moment dachte Jan, dass Lucas vielleicht irgendwie den Schutz den er aufgestellt hatte, überwunden und Dinge gesehen hatte, die er nicht hätte sehen sollen. Vielleicht war es auch so klar auf seine Stirn geschrieben, dass es nicht mal einen Gedankenleser brauchte.
„Ich freue mich für meine Schwestern“, sagte Lucas mit einem Lächeln. „Aber ein Teil von mir will, dass unsere Eltern all das hier miterleben und ich weiß, dass ich jetzt unterwegs sein könnte, um sie zu finden. Vielleicht hätte ich sie hier herbringen können, um bei Sophias Hochzeit dabei zu sein und bei der Geburt ihres Enkelkindes.“
“Oder vielleicht müssen wir manchmal stark sein und Dinge akzeptieren, die nicht so geschehen, wie wir sie haben wollen”, sagte Jan. „Und das heißt, dass du hier sein musst. Du wirst deinen Neffen oder deine Nichte kennenlernen.“
“Nichte”, sagte Lucas. “Visionen nehmen den Spaß am Raten. Du hast aber recht Jan. Ich werde warten. Du bist ein guter Mensch, Cousin.”
Er tätschelte Jans Arm.
“Danke”, sagte Jan, auch wenn er sich nicht sicher war, ob er das glauben sollte. Ein wirklich guter Mann würde nicht hoffen, dass Sophia vielleicht alles für ihn aufgeben und ihn so lieben würde, wie er sie.
“Aber jetzt”, sagte Lucas, “ich habe dich gesucht, weil eine Nachricht mit dem Vogel für dich gekommen ist. Der Junge, der es vom Vogelhaus gebracht hat, steht dort drüben.“
Jan schaute hinüber, wo ein junger Mann an einem der Banketttische stand und Essen ergatterte, als wenn er unsicher wäre, ob das wirklich für Menschen wie ihn gedacht war.
„Danke“, sagte Jan.
„Kein Problem. Ich sollte wieder zurück zu Sophia gehen. Ich will schließlich da sein, wenn meine Nichte auf die Welt kommt.”
Lucas ging und ließ Jan alleine zu dem Boten gehen. Der Junge sah ein wenig schuldig aus, als Jan sich näherte. Er stopfte einen Kuchen in seinen Mund und kaute eilig.
„Du musst dir keine Sorgen machen“, sagte Jan. „Die Feier ist für alle auch für dich. Es gibt Dinge, die jeder feiern sollte.
„Ja, mein Lord“, sagte der Junge. Er hielt eine Nachricht hoch. „Das ist etwas für Sie gekommen.“
Er hielt Jan eine eng gerollte Nachricht hin.“Das ist für Sie gekommen.“
Jan, Endi hat Ishjemme eingenommen. Er tötet Menschen. Rika ist seine Gefangene. Ich muss tun, was er sagt. Wir brauchen Hilfe. Oli
Die Nachricht ließ Jan vor Schreck erstarren. Er konnte es nicht glauben. Endi würde so etwas niemals tun. Er würde Ishjemme niemals so verraten. Oli würde aber auch nicht lügen und Endi … naja, ihm hatte es schon immer gefallen, sich herumzuschleichen und es war sehr auffällig, dass so viele ihrer Schiffe mitten im Kampf nach Ashton umgedreht waren.
Dennoch, der Gedanke, dass sein Bruder eine Art Coup geplant hatte, war schwer zu verstehen. Wenn jemand anderes diese Nachricht geschickt hätte, hätte Jan das einfach als Lüge abgetan. Aber so … er wusste nicht, was er tun sollte.
„Ich kann es den anderen nicht sagen“, sagte er zu sich selbst. Wenn er es seinen Geschwistern erzählte, würden sie zurück nach Ishjemme fahren wollen, um sicherzugehen, dass es in Sicherheit war und das würde Sophia die Unterstützung nehmen, die sie gerade so sehr brauchte. Er konnte so eine Nachricht aber auch nicht ignorieren.
Das hieß, dass er nach Hause fahren müsste.
Jan wollte nicht nach Hause fahren. Er wollte hier sein, so nahe wie möglich an Sophia. Er wollte da sein, falls es noch mehr Gewalt gab, falls sie oder seine Geschwister ihn brauchten. Ashton erholte sich gerade erst von den Konflikten, die es ruiniert hatte und jetzt zu gehen fühlte sich an, als wenn er die Stadt im Stich ließ. Als wenn er Sophia im Stich ließ.
„Sophia braucht mich nicht“, sagte Jan.
„Wie bitte, mein Lord?“, fragte der Bote.
“Nichts”, sagte Jan. “Können Sie eine Nachricht für mich aufnehmen … und sie Sophia bringen, wenn sie sie hören kann. Bringen Sie Ihr die Nachricht, die Sie mir gegeben haben, und sagen Sie Ihr, dass ich gegangen bin, um die Dinge zu klären. Sagen Sie ihr, dass …“ Er konnte keines der Dinge sagen, die er sagen wollte. „Sagen Sie ihr, dass ich bald zurückkomme.“
„Ja, mein Lord“, sagte der Bote.
Jan ging in Richtung Hafen davon. Die Schiffe von der Invasion waren immer noch da und einige davon würden ihm zuhören, wenn er nach Hilfe fragte. Er würde nicht viele mitnehmen, er konnte den Gedanken, Sophia ungeschützt zurückzulassen nicht aushalten, aber er würde eine Art Armee brauchen, wenn er seinen Bruder überzeugen wollte, aufzugeben.
Sophia brauchte ihn im Moment nicht, aber es schien, dass sein jüngerer Bruder und seine Schwester ihn brauchten. So sehr Jan es auch hasste Ashton verlassen zu müssen, er konnte das nicht ignorieren. Er konnte nicht tatenlos zusehen, wie Endi Ishjemme mit Gewalt einnahm. Er würde hinfahren und herausfinden, was wirklich los war und damit umgehen. Wenn er damit fertig war, wusste er vielleicht, was er mit der Frau tun sollte, die er liebte.
KAPITEL SIEBEN
Sophia lag auf einem Bett, in das die Hebamme sie gesteckt hatte. Diener hatten sich um sie herum versammelt und ein paar Adlige und genug Menschen, sodass sie sich fragte, ob eine Königin überhaupt irgendeine Privatsphäre hatte. Sie hätte sie hinaus beordert, wenn sie den Atem dazu gehabt hätte. Sie konnte nicht einmal Sebastian darum bitten, weil die Hebamme recht eindeutig damit gewesen war, dass es keine Männer im Zimmer geben sollte, auch keine Könige.
„Sie machen das gut“, versicherte ihr die Hebamme, auch wenn Sophia die Sorgen in ihren Gedanken sehen konnte. Die Vorbereitungen für ungefähr Hundert Dinge, die schief gehen konnten. Es war unmöglich ihr Talent im Moment zurückzuhalten, Gedanken überkamen sie in Wellen, welche zu dem Schmerz ihrer Wehen zu passen schienen.
“Ich bin schon da”, rief Kate und eilte in das Zimmer. Sie schaute sich unter all den Menschen um.
Wer sind die ganzen Menschen? Schickte sie zu Sophia.
Ich will nicht, dass sie hier sind, schaffte es Sophia durch die Schmerzen zu sagen. Bitte Kate.
„Okay“, rief Kate in einer Stimme, die wahrscheinlich besser zu ihrer neuen Rolle bei der Armee gepasst hätte. „Alle, die nicht ich oder die Hebamme sind, raus! Nein, keine Widerrede. Das ist eine Geburt und keine öffentliche Veranstaltung. Raus!“
Die Tatsache, dass ihre Hand über ihrer Schwerthülle lag, half wahrscheinlich dabei die Leute in Bewegung zu setzen und in weniger als einer Minute war das Zimmer leer und nur noch sie drei waren übrig.
„Besser?“, fragte Kate und nahm ihre Hand.
„Danke“, sagte Sophia und schrie dann, als eine neue Wehe sie durchfuhr.
„Da sind ein paar Baldrianblätter in der Schüssel“, sagte die Hebamme. „Sie werden Ihnen bei den Schmerzen helfen. Weil Sie ja gerade alle Diener