Riley sah sich mit einem tiefen Gefühl der Befriedigung in dem gemütlichen Speiseraum um. Ihr wurde klar, dass ihr Leben nicht genug dieser warmen Abende, mit Freunden, Familie und einem guten Essen, beinhaltete. Ihre Arbeit bot weitaus hässlichere und beunruhigendere Szenen.
In einigen Tagen würde sie vor einem Bewährungsausschuss für einen Kindsmörder aussagen, der hoffte, vorzeitig entlassen zu werden. Und sie musste sicherstellen, dass es ihm nicht gelang.
Erst vor wenigen Wochen hatte sie einen verstörenden Fall in Phönix abgeschlossen. Sie und ihr Partner, Bill Jeffreys, hatten einen Mörder gefasst, der es auf Prostituierte abgesehen hatte. Riley kämpfte immer noch mit dem Gefühl, durch die Lösung des Falles keinen wirklichen Beitrag geleistet zu haben. Jetzt wusste sie mehr als ihr lieb war, über die Welt der Ausbeutung von Frauen und Mädchen.
Aber sie war entschlossen, diese Gedanken vorerst aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie spürte, wie sie sich nach und nach entspannte. Mit einem Freund und ihren beiden Kindern in einem Restaurant zu essen, erinnerte sie daran, wie es sein könnte, ein normales Leben zu führen. Sie lebte in einem schönen Haus und kam einem netten Nachbarn näher.
Blaine kam zurück und setzte sich. Riley fiel wieder einmal auf, dass er attraktiv war. Seine leichten Geheimratsecken gaben ihm ein angenehm reifes Aussehen und er war schlank und fit.
"Sorry", sagte Blaine. "Das Restaurant läuft problemlos, wenn ich nicht hier bin, aber sobald ich in Sichtweite bin, scheint jeder plötzlich meine Hilfe zu benötigen."
"Ich weiß, wie das ist", nickte Riley. "Ich hoffe, dass mich das BAU für eine Weile vergisst, wenn ich außer Sichtweite bleibe."
April sagte, "Keine Chance. Die rufen dich bald an. Dann bist du wieder auf dem Weg in einen anderen Teil des Landes."
Riley seufzte. "Ich könnte mich daran gewöhnen, nicht ständig angerufen zu werden."
Blaine kaute genüsslich auf einem Bissen Mahi-Mahi.
"Hast du darüber nachgedacht, den Job zu wechseln?" fragte er.
Riley zuckte mit den Schultern. "Was sollte ich stattdessen tun? Ich bin den größten Teil meines erwachsenen Lebens Agent gewesen."
"Oh, ich bin sicher, dass es eine Menge gibt, was eine Frau mit deinen Talenten machen könnte", sagte Blaine. "Die meisten davon sicherer, als ein FBI Agent zu sein."
Er dachte einen Moment nach. "Ich könnte dich mir als Lehrer vorstellen", fügte er hinzu.
Riley lachte leise. "Denkst du, das wäre sicherer?" fragte sie.
"Hängt davon ab, wo du unterrichten würdest", erwiderte Blaine. "Was ist mit dem College?"
"Hey, das ist eine Idee, Mom", sagte April. "Dann müsstest du nicht immer reisen. Und du würdest trotzdem Menschen helfen."
Riley schwieg, während sie darüber nachdachte. Am College zu unterrichten wäre wahrscheinlich ähnlich wie der Unterricht, den sie an der Akademie in Quantico geleitet hatte. Das hatte ihr Spaß gemacht. Es gab ihr immer die Möglichkeit, sich ein wenig zu erholen. Aber würde sie ein Vollzeit-Lehrer sein wollen? Konnte sie wirklich den ganzen Tag in einem Gebäude verbringen, ohne aktiv zu sein?
Sie spießte einen Champignon mit ihrer Gabel auf.
Dann würde ich vielleicht wie einer von diesen hier enden, dachte sie.
"Was wäre mit Privatdetektiv?" fragte Blaine.
"Ich denke eher nicht", sagte Riley. "Dreckige Geheimnisse von in Scheidung lebenden Paaren ausgraben erscheint mir nicht erstrebenswert."
"Das ist nicht alles, was Privatermittler machen", beharrte Blaine. "Was wäre mit der Untersuchung von Versicherungsbetrug? Hey, ich habe diesen Koch, der angeblich einen schlechten Rücken hat und arbeitsunfähig ist. Ich bin sicher, das spielt er nur vor, aber ich kann es nicht beweisen. Du könntest mit ihm anfangen."
Riley lachte. Blaine machte natürlich nur einen Scherz.
"Oder Sie könnten nach vermissten Leuten suchen", warf Crystal ein. "Oder vermissten Haustieren."
Riley lachte wieder. "Also das würde mir wirklich das Gefühl geben, die Welt ein Stückchen besser zu machen!"
April beteiligte sich nicht mehr an der Unterhaltung. Riley sah, dass sie jemandem schrieb und kicherte. Crystal lehnte sich über den Tisch zu Riley.
"April hat einen neuen Freund", sagte Crystal. Dann formte sie ein stummes, "Ich mag ihn nicht."
Riley war genervt, dass ihre Tochter alle anderen am Tisch ignorierte.
"Hör auf damit", sagte sie zu April. "Das ist unhöflich."
"Was ist daran unhöflich?" wollte April wissen.
"Wir haben uns darüber unterhalten", mahnte Riley.
April ignorierte sie und tippte eine Nachricht.
"Leg das weg", sagte Riley streng.
"In einer Minute."
Riley unterdrückte ein Stöhnen. Sie hatte schon vor einer Weile gelernt, dass "in einer Minute" so viel hieß wie "nie."
In dem Moment vibrierte ihr eigenes Telefon. Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie es nicht ausgestellt hatte, bevor sie das Haus verlassen hatte. Sie sah auf das Telefon, das eine Nachricht von ihrem FBI Partner, Bill, zeigte. Sie dachte darüber nach, sie ungelesen zu lassen, aber konnte sich letztendlich nicht dazu bringen.
Als sie die Nachricht aufrief, sah sie aus den Augenwinkeln, wie April sie angrinste. Ihre Tochter genoss ganz offensichtlich die Ironie der Situation. Insgeheim kochend, las Riley Bills Textnachricht.
Meredith hat einen neuen Fall. Er will ihn mit uns besprechen. ASAP.
Der leitende Spezialagent Brent Meredith war Rileys und Bills Boss. Sie fühlte ihm gegenüber enorme Loyalität. Er war nicht nur ein guter und fairer Chef, er hatte sich auch mehr als einmal für Riley eingesetzt, nachdem sie im Büro in Schwierigkeiten geraten war. Dennoch war Riley entschlossen, sich nicht wieder in die Sache hineinziehen zu lassen, zumindest vorerst nicht.
Ich kann jetzt nicht verreisen, schrieb sie zurück.
Bill antwortete, Es ist direkt hier in der Gegend.
Riley schüttelte entmutigt den Kopf. Es würde nicht einfach werden standhaft zu bleiben.
Sie schrieb ihm zurück, Ich melde mich wieder bei dir.
Da sie darauf keine Antwort erhielt, legte sie das Telefon zurück in ihre Tasche.
"Ich dachte du hast gesagt, das sei unhöflich, Mom", sagte April in einer leisen, schmollenden Stimme.
April schrieb noch immer Nachrichten.
"Ich bin fertig mit meinen", sagte sie und versuchte nicht so genervt zu klingen, wie sie sich fühlte.
April ignorierte sie. Dann vibrierte Rileys Handy noch einmal. Im Stillen fluchte sie. Sie sah, dass es eine Nachricht von Meredith selbst war.
Seien Sie morgen früh um 9 Uhr im BAU.
Riley suchte fieberhaft nach einem Weg abzusagen, als eine weitere Nachricht folgte.
Das ist ein Befehl.
KAPITEL ZWEI
Rileys Stimmung sank, als sie die beiden Fotos auf dem Bildschirm über dem Konferenztisch des BAUs betrachtete. Das eine zeigte ein sorgenfreies Mädchen mit hellen Augen und einem gewinnenden Lächeln. Auf dem anderen sah man ihre Leiche, schrecklich ausgemergelt und mit ihren Armen in seltsamer Position. Da ihr befohlen worden war, an diesem Meeting teilzunehmen, wusste