Der Turm, realisierte Merk, konnte einem solchen Angriff nicht standhalten. Es war vorbei.
Merk fühlte ein Gefühl von Furcht und stählte sich selbst für den letzten Kampf seines Lebens. Er war umzingelt. Alle Männer um ihn herum umfassten ihrer Schwerter und sahen in Panik nach unten.
„MÄNNER!“ schrie Vicor, Merks Kommandant. „NEHMT EURE POSITIONEN EIN!“
Die Krieger nahmen ihre Positionen auf den Zinnen ein und Merk schloss sich ihnen sofort an. Er rannte zum Rand, nahm sich einen Bogen und Köcher, so wie die anderen neben ihm, zielte und feuerte.
Merk war zufrieden, als er sah wie einer seiner Pfeile die Brust eines Trolls durchbohrte; zu Merks Überraschung lief das Biest dennoch weiter, selbst mit einem Pfeil in seinem Rücken. Merk feuerte wieder auf ihn und der Pfeil landete in seinem Nacken – und dennoch, zu Merks Erschrecken, lief er weiter. Er feuerte ein drittes Mal, traf den Troll in den Kopf und dieses Mal fiel der Troll zu Boden.
Er realisierte, dass diese Trolle keine gewöhnlichen Gegner waren und nicht so einfach wie Männer sterben würden. Ihre Chancen standen damit noch schrecklicher. Dennoch feuerte er wieder und wieder und tötete so viele Trolle wie er konnte. Auch von den anderen Soldaten regneten Pfeile hinab, schwärzten den Himmel, ließen viele Trolle taumeln und fallen und verstopften den Weg für die anderen.
Zu viele brachen dennoch durch. Sie erreichten schon bald die Turmmauern, erhoben ihre Hellebarden und schlugen sie gegen die goldenen Türen. Sie versuchten sie einzuschlagen. Merk konnte die Vibrationen unter seinen Füßen spüren und das machte ihn nervös.
Das Klingen von Metall lag in der Luft, als die Nation von Trollen unerlässlich gegen die Tore schlug. Irgendwie, sah Merk, hielten die Tore. Selbst mit hunderten von Trollen, die dagegen schlugen, hielten die Türen wie magisch. Sie bogen sich nicht und dellten nicht mal ein.
„FELSBROCKEN!“ schrie Vicor.
Merk sah wie die Soldaten zu einem Hügel aus Felsbrocken, der am Rand aufgereiht lag liefen und schloss sich ihnen an. Alle packten mit an und versuchten ihn gemeinsam hochzuheben. Er und zehn andere schafften es zusammen, ihn hochzuheben und ihn Richtung Mauervorsprung zu schieben. Merk stöhnte und ächzte unter dem Einsatz, hob ihn mit all seiner Macht an und drückte den Felsen dann endlich mit einem lauten Schrei über den Rand.
Merk lehnte sich mit den anderen nach vorne und sah zu wie der Steinbrocken nach unten fiel und durch die Luft pfiff.
Die Trolle schauten nach oben – aber es war bereits zu spät. Er zerquetschte eine Gruppe von ihnen, plättete sie und hinterließ einen großen Krater in der Erde neben der Turmmauer. Merk half den anderen Soldaten, als sie Felsbrocken von allen Seiten über den Rand stemmten und somit hunderte von Trollen umbrachten. Die Erde wurde von den Explosionen erschüttert.
Doch immer noch erschien ein endloser Strom von Trollen aus den Wäldern. Merk sah, dass sie keine Felsbrocken mehr hatten; und auch keine Pfeile mehr und die Trolle zeigten kein Zeichen von Verlangsamung.
Merk fühlte auf einmal, wie etwas an seinem Ohr vorbeipfiff, er drehte sich um und sah wie ein Speer an ihm vorbeizischte. Er sah verdutzt nach unten und beobachtete wie die Trolle Speere aufnahmen und sie nach oben auf die Zinnen warfen. Er war erstaunt, er hatte keine Ahnung gehabt, dass sie über solche Stärke verfügten und so weit werfen konnten.
Vesuvius führte sie an, einen goldenen Speer erhoben und warf diesen gerade in die Luft und Merk sah geschockt wie der Speer das Dach des Turmes erreichte und ihn gerade so verpasste, da er sich gerade noch ducken konnte. Er hörte ein Stöhnen, drehte sich um und sah, dass seine Soldatenkameraden nicht so viel Glück gehabt hatten. Einige von ihnen lagen auf ihren Rücken, von Speeren erstochen, Blut lief aus ihren Mündern.
Was noch verstörender war, war ein neues, rumpelndes Geräusch. Auf einmal wurde aus dem Wald ein eiserner Rammbock auf einem Karren mit hölzernen Rädern gerollt. Das Trollvolk teilte sich als der Rammbock nach vorne gerollt wurde. Von Vesuvius angeführt, platzierten sie ihn direkt vor dem Tor.
„SPEERE!“ schrie Vicor.
Merk rannte mit den anderen nach vorne zum Speerhaufen und wusste als er sich einen schnappte, dass dies ihre letzte Verteidigungslinie war. Es schien, dass die Zeiten verzweifelt waren. Er nahm sich einen Speer, zielte und schleuderte ihn nach unten auf Vesuvius.
Aber Vesuvius war schneller als er aussah und duckte sich im letzten Moment. Merks Speer erwischte dagegen einen anderen Troll im Oberschenkel, ließ ihn stolpern und verlangsamte das Annähern des Rammbocks. Seine Soldatenkameraden warfen Speere und töteten die Trolle, die den Rammbock schoben und stoppten so den Fortschritt.
Als diese Trolle fielen, erschienen dennoch hunderte weitere aus dem Wald und ersetzten diese. Schon bald rollte die Rampe wieder nach vorne. Es waren einfach zu viele von ihnen – und sie waren alle entbehrlich. Das war nicht die Art wie Menschen kämpften. Das war ein Volk aus Monstern.
Merk griff nach einem weiteren Speer, als er entsetzt feststellte, dass keiner mehr übrig war. Im selben Moment erreichte der Rammbock die Tore des Turms. Mehrere Trolle legten Holzplanken über den Burggraben und formten eine Brücke.
„VORWÄRTS!“ schrie Vesuvius von weit unten, seine Stimme war tief und rau.
Die Gruppe aus Trollen griff an und schob die Rampe vorwärts. Einen Moment später rammte es so schwer gegen die Tore, dass Merk die Vibration bis hier oben spüren konnte. Das Beben lief durch seine Knöchel und tat ihm bis in die Knochen weh.
Es ertönte wieder und wieder und wieder, der ganze Turm erzitterte und ließ ihn und die anderen taumeln. Er landete auf seinen Händen und Knien auf einem Körper. Es war der Körper eines Wächterkameraden, der bereits tot war.
Merk hörte ein pfeifendes Geräusch, fühlte eine Welle von Wind und Hitze und als er nach oben sah, verstand er nicht was er sah: Über ihm flogen brennende Felsbrocken. Explosionen ertönten überall neben ihm, als die Felsbrocken auf dem Dach landeten. Merk hockte sich hin und schaute über den Rand. Er erkannte dutzende von Katapulten, die von unten hochgefeuert wurden. Überall neben ihm starben seine Männer.
Ein weiterer brennender Steinbrocken landete neben Merk und tötete zwei Wächter. Männer, die er angefangen hatte zu mögen und als sich die Flammen ausbreiteten, konnte er die Hitze an seinem Rücken spüren. Merk schaute sich um und sah, dass fast alle Männer tot waren und ihm nicht mehr viel übrig blieb, als auf den Tod zu warten.
Jetzt oder nie. Merk fasste einen Entschluss. Er würde so nicht untergehen und auf dem Dach eines Turmes auf den Tod warten. Er würde mutig sterben, ohne Angst und den Gegner mit einem Dolch in seiner Hand angreifen, von Angesicht zu Angesicht und dabei so viele Kreaturen wie er konnte töten.
Merk ließ einen lauten Schrei ertönen und ergriff eines der Seile, welches am Turm befestigt war und sprang über den Rand. Er ließ sich mit voller Geschwindigkeit in Richtung der Trolle hinabgleiten. Er war bereit seinem Schicksal zu begegnen.
KAPITEL VIER
Kyra blinzelte in den Himmel, die Welt bewegte sich über ihr. Es war der schönste Himmel, den sie je gesehen hatte, dunkellila mit weißen Wolken, die über ihren Kopf zogen. Der Himmel wurde noch von den letzten Strahlen des weitschweifigen Sonnenlichts erhellt. Sie fühlte wie sie sich hin und her bewegte und hörte das sanfte Schwappen von Wasser um sich herum. Sie hatte noch nie ein so tiefes Gefühl von Frieden empfunden.
Sie lag auf ihrem Rücken und als sie zur Seite schaute war sie überrascht als sie sah, dass sie inmitten eines riesigen Meeres auf einem hölzernen Floß weit weg von jeglicher Küste trieb. Riesige, rollende Wellen hoben ihr Floß sanft nach oben und nach unten. Es fühlte sich an, als ob sie zum Horizont abdriftete, in eine andere Welt, in ein anderes Leben. In ein Leben voller Frieden. Zum ersten Mal in ihrem Leben, machte sie sich keine Gedanken mehr um ihre Welt; sie fühlte sich in der Umarmung des Universums geborgen, so als ob sie endlich ihre Abwehr fallen lassen könnte und beschützt vor allem Schlechten wäre.
Kyra fühlte, dass noch jemand auf dem Boot anwesend war, sie setzte sich hin und war