Regentschaft Des Stahls . Морган Райс. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Морган Райс
Издательство: Lukeman Literary Management Ltd
Серия: Ring der Zauberei
Жанр произведения: Героическая фантастика
Год издания: 0
isbn: 9781632910073
Скачать книгу
Doch wir haben leider viele von ihnen verloren.“

      Gwendolyn sah an ihm vorbei zu den Toten, die überall verstreut lagen. Neben einer Menge McClouds sah sie dutzende von Rekruten der Legion und sogar eine Handvoll toter Silver. Der Anblick weckte schmerzliche Erinnerungen an die letzte Invasion ihrer Stadt. Gwen musste den Blick abwenden.

      Sie drehte sich um und sah ein Dutzend McClouds, die überlebt hatte, mit gefesselten Händen und gesenkten Blicken.

      „Wer sind die da?“

      „Die Generäle der McClouds“, antwortete Kendrick. „Wir haben sie am Leben gelassen. Sie sind alles, was von ihrer Armee noch übrig ist. Was sollen wir mit ihnen tun?“

      Gwendolyn sah sie an. Doch trotz ihrer Niederlage starrten sie trotzig und stolz zurück. Sie waren grobschlächtige Männer, typische McClouds, die nie auch nur einen Anflug von Reue zeigten.

      Gwendolyn seufzte. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie gedacht hatte, dass Frieden die Antwort auf alle Fragen war, dass sie, wenn sie nur freundlich und gütig genug zu ihren Nachbarn war, wenn sie nur genug guten Willen zeigen würde, dass auch sie ihr und ihrem Volk gegenüber freundlich gesinnt wären. Doch je länger sie regierte, desto mehr erkannte sie, dass andere ihre Friedensangebote als Zeichen von Schwäche ansahen, als etwas, das sie ausnutzen konnten. All ihre Friedensbemühungen waren auf eines hinausgelaufen: Einen Überraschungsangriff am heiligsten Tag des Jahres – dem Tag der Pilgerfahrt.

      Gwendolyn spürte, wie ihr Herz hart wurde. Sie war nicht mehr so naiv, hatte nicht mehr denselben Glauben in die Menschen, den sie einmal besessen hatte. Sie fasste mehr und mehr Vertrauen in ihre Armee: die Herrschaft des Stahls war angebrochen.

      Gwendolyn sagte: „Tötet sie alle!“, und Kendrick und die anderen sahen sie überrascht an. Das hatten sie von ihrer Königin, die immer so sehr um den Frieden bemüht war, nicht erwartet.

      „Habe ich dich richtig verstanden?“, fragte Kendrick mit Überraschung in der Stimme.

      Gwendolyn nickte.

      „Das hast du“, antwortete sie. „Und wenn du fertig bis, lass ihre Leichen einsammeln und sie aus der Stadt schaffen.“

      Gwendolyn wandte sich um und ging durch den Hof von King’s Court. Hinter sich hörte sie die Schreie der McClouds. Trotz der Tatsache, dass es ihr eigener Befehl gewesen war, zuckte sie zusammen.

      Gwendolyn ging durch eine groteske Szene: Die Straßen waren voller Toter McClouds und voller jubelnder Bürger, die sich freuten und tanzten und in ihre Häuser zurückkehrten, als wäre niemals etwas gewesen. Während sie ihnen dabei zusah, füllte sich ihr Herz mit Furcht.

      „Die Stadt gehört wieder uns“, sagte Kendrick mit einem Lächeln, als er sie einholte.

      Sie schüttelte den Kopf.

      „Doch nicht für lange.“

      Er sah sie verwirrt an.

      „Was meinst du damit?“

      Sie blieb stehen und sah ihn an.

      „Ich habe die Prophezeiungen gelesen“, sagte sie. „Die alten Schriften. Ich habe mit Argon gesprochen. Ich habe Träume. Wir werden angegriffen werden. Es war ein Fehler hierher zurückzukehren. Wir müssen sofort wieder von hier weg.“

      Kendrick sah sie an. Sein Gesicht war aschfahl, und Gwendolyn seufzte, während sie die Bürger beobachtete.

      „Doch mein Volk will nicht hören.“

      Kendrick schüttelte den Kopf.

      „Was ist, wenn du dich irrst?“, sagte er. „Was, wenn du zu viel in die Prophezeiungen hineininterpretierst? Wir haben die beste Armee der Welt. Nichts kann unsere Tore erreichen. Die McClouds sind tot, und im Ring ist uns sonst niemand feindlich gesinnt. Der Schild schützt uns vor Gefahren von außen. Zudem haben wir Ralibar, wo immer er auch sein mag. Du hast nichts zu befürchten. Wir haben nichts zu befürchten.“

      Gwendolyn schüttelte den Kopf.

      „Das ist genau der Augenblick, in dem wir am meisten zu fürchten haben“, antwortete sie.

      Kendrick seufzte und griff ihre Hand.

      „Gwendolyn, Schwester, das war ein dreister Überfall“, sagte er. „Sie haben uns am Tag der Pilgerfahrt überrascht. Wir werden King’s Court nie wieder unbewacht lassen. Die Stadt ist eine Festung. Sie hat tausende von Jahren überdauert. Und nun ist niemand mehr da, der uns Böses will.“

      „Du irrst ich“, sagte sie.

      „Nun, selbst wenn ich mich irre, du weißt, dass die Leute nicht gehen werden. Schwester“, sagte Kendrick mit sanfter Stimme. „Ich liebe dich. Doch ich spreche als Oberbefehlshaber der Silver. Wenn du versucht, deine Leute zur Evakuierung zu zwingen, werden sie sich gegen dich auflehnen. Sie sehen die Gefahr nicht, die du siehst. Und um ehrlich zu sein, ich kann sie auch nicht sehen.“

      Gwendolyn sah die Bürger an, und wusste, dass Kendrick Recht hatte. Sie würden nicht auf sie hören. Nicht einmal ihr eigener Bruder glaubte ihr.

      Das brach ihr das Herz.

*

      Gwendolyn stand alleine auf den Zinnen des Schlosses und hielt Guwayne fest an sich gedrückt. Gedankenversunken betrachtete sie den Sonnenuntergang. Unter sich hörte sie den gedämpften Jubel ihrer Untertanen, die sich auf eine Nacht des Feierns vorbereiteten. Sie ließ den Blick über die Felder schweifen, die King’s Court umgaben. Ein Königreich am Scheitelpunkt. Die Felder waren schwanger mit der Ernte des Sommers, endlose saftig grüne Wiesen mit Obstbäumen, die voller Früchte hingen. Das Land war zufrieden, wiederaufgebaut nach all den schrecklichen Tragödien, und vor ihr lag eine friedliche Welt.

      Gwendolyn runzelte die Stirn und fragte sich, wie jemals irgendetwas Böses über diesen Ort hereinbrechen sollte. Vielleicht war die Dunkelheit, die sie gesehen hatte, die McClouds gewesen. Vielleicht hatten sie die Krise dank Kendrick und den anderen bereits überwunden. Vielleicht hatte Kendrick ja Recht. Vielleicht war sie übervorsichtig geworden, seitdem sie den Thron bestiegen, und so viel Schreckliches gesehen hatte. Vielleicht interpretierte sie ja wirklich zu viel in die Schriften hinein.

      Schließlich wäre es eine drastische Maßnahme, die Bürger aus ihren Häusern zu evakuieren, sie über den Canyon zu führen, auf Schiffe zu verladen und mit ihnen zu den Oberen Inseln zu segeln, die alles andere als politisch stabil waren. Diese Maßnahme sollte für eine Zeit größter Not vorbehalten sein. Was wenn sie die Bürger zwang, und es nie zur befürchteten Tragödie kam. Sie würde als Königin in die Geschichtsbücher eingehen, die ohne drohende Gefahr in Panik verfallen ist.

      Gwendolyn seufzte und drückte den unruhigen Guwayne an sich. Sie fragte sich, ob sie dabei war, den Verstand zu verlieren. Sie blickte zum Himmel und suchte die Wolken nach einem Anzeichen von Thor ab, hoffte und betete. Sie hoffte wenigstens auf ein Zeichen von Ralibar, doch auch er blieb verschwunden.

      Wieder einmal wurden ihre Hoffnungen enttäuscht. Wieder einmal musste sie sich auf sich selbst verlassen. Selbst ihr Volk, das sie immer unterstützt hatte, das sie wie eine Göttin angesehen hatte, schien ihr nun nicht mehr zu vertrauen. Darauf hatte ihr Vater sie nicht vorbereitet. Was für eine Königin war sie ohne die Unterstützung des Volkes? Sie war machtlos.

      Gwendolyn sehnte sich verzweifelt nach Trost und Antworten. Doch Thor war fort; ihre Mutter war tot; scheinbar war sie von allen, die sie liebte, verlassen worden. Sie spürte, dass sie an einem Scheideweg angekommen war. Nie zuvor war sie so verwirrt gewesen.

      Sie schloss die Augen und bat Gott um Hilfe. Sie rief ihn mit all ihrer Willenskraft an. Sie war nie jemand gewesen, der viel betete, doch ihr Glaube war stark, und sie war sich sicher, dass er existierte.

      Bitte Gott, ich bin verwirrt. Zeig mir, wie ich mein Volk am besten beschützen kann. Zeig mir, wie ich Guwayne am besten beschützen kann. Zeig mir, wie ich eine gute Königin sein kann.

      „Gebete sind ein mächtiges Werkzeug“, hörte sie eine Stimme.

      Gwendolyn fuhr herum, erleichtert die Stimme zu hören. Nur wenige Meter von ihr entfernt stand Argon in seiner weißen Robe mit der Kapuze und dem Stab,