Caitlin hörte ein plötzliches Geräusch, drehte sich herum und ging zurück durch das Haus. Sie ging in die Küche, auf der Suche nach einem Zeichen von irgendwem. Sie hörte ein klopfen und ging zu dem Fenster an der hinteren Wand. Die Vorhänge waren auch hier sehr eng zugezogen, was seltsam war, da Caitlin sie immer offen ließ. Sie griff nach den Vorhängen und zog an der Schnur.
Als sie aufgingen, sprang sie erschrocken zurück. Draußen stehen, mit dem Gesicht zum Fenster war das blasse, weiße Gesicht eines Vampirs, mit einer Glatze, die Fänge ausgefahren und gegen das Glas beißend. Es fauchte und zischte, als er es mit seinen Händen griff und seine Handflächen gegen das Glas drückend. Caitlin konnte seine langen, gelben Fingernägel sehen.
Da war ein anderes, plötzliches Geräusch und Caitlin sah sich um und sah das Gesicht eines anderen Vampirs am seitlichen Fenster.
Dann hörte sie hinter sich das Geräusch von brechendem Glas, drehte sich um und sah in die andere Richtung ein anderes Gesicht. Dieses knallte seinen Kopf direkt gegen das Glas, sie dabei verspottend.
Plötzlich war das Haus erfüllt von dem Klang brechenden Glases. Caitlin rannte durch das Haus, und überall wo sie hinsah, waren die Wände anders, als sie sich erinnern konnte. Sie waren jetzt alle aus Glas gemacht und sie sah, dass alle Vorhänge zurückgezogen waren und die Fenster zerbrochen und Vampir nach Vampir steckte ihre Köpfe hindurch.
Caitlin rannte von Raum zu Raum, zur Eingangstür, in dem Versuch zu fliehen, als mehr und mehr Fenster zersplitterten.
Sie erreichte die Tür und riss sie auf – und blieb wie angewurzelt stehen.
Dort stand, sie anblickend, ein toter Ausdruck in den Augen, Scarlet. Sie starrte Caitlin an, sah mehr tot als lebendig aus, sehr weiß und mit einem grimmigen Ausdruck, der ausdrückte, dass sie töten wollte. Noch schockierender, hinter ihr stand eine Armee von Vampiren – tausende von denen. Alle wollten ihr folgen, beim Sturm auf Caitlins Haus.
“Scarlet?”, fragte sie, und hörte dabei die Angst in ihrer eigenen Stimme.
Aber bevor sie reagieren konnte, verzog Scarlet das Gesicht, lehnte sich zurück und stürzte sich auf Caitlin, Ihre Reißzähne direkt auf den Hals gerichtet.
Caitlin wachte schreiend auf, in ihrem Stuhl sitzend. Sie griff nach ihrem Hals, ihn mit einer Hand reibend, während sie mit der anderen Hand versuchte, Scarlet abzuwehren.
“Caitlin? Bist Du OK?”
Nach einigen Sekunden beruhigte sich Caitlin, sah auf und realisierte, dass es nicht Scarlet war. Es war Sam. Zuerst war sie verwirrt. Dann merkte sie mit ungeheurer Erleichterung, dass sie geschlafen hatte. Es war nur ein Alptraum gewesen.
Caitlin saß dort und atmete schwer. Über ihr stehend war Sam, eine Hand auf ihrer Schulter, sie besorgt ansehend, und Polly. Die Lampen waren an und sie sah, dass es draußen dunkel war. Sie blickte auf die Standuhr und sah, dass es nach Mitternacht war. Sie musste auf dem Stuhl eingeschlafen sein.
“Bist Du okay?”, fragte Sam erneut.
Jetzt war Caitlin verlegen. Sie setzte sich auf und wischte sich die Stirn ab.
“Es tut uns leid, dass wir Dich geweckt haben, aber sah aus, als hättest Du einen Alptraum gehabt”, meinte Polly.
Caitlin stand langsam auf und versuchte die schreckliche Vision des Traums abzuschütteln. Es hatte sich so real angefühlt, sie konnte fast den Schmerz an ihrem Hals fühlen, wo sie von ihrer eigenen Tochter gebissen worden war.
Aber es war nur ein Traum. Sie musste sich das selbst sagen. Nur ein Traum.
“Wo ist Caleb?”, fragte sie, sich erinnernd. “Habt Ihr irgendwas gehört? Wie liefen die Anrufe?”
Die Ausdrücke auf den Gesichtern von Sam und Pollys Gesichtern sagten ihr alles, was sie wissen musste.
“Caleb sucht immer noch nach ihr”, sagte Sam. “Ich habe es vor etwa einer Stunde aufgegeben. Es ist ziemlich spät. Aber wir wollten Dir Gesellschaft leisten, bis er nach Hause kommt.”
“Ich habe alle ihre Freunde angerufen”, stimmte Polly ein. “Jeden einzelnen. Ich habe die meisten von ihnen erreicht. Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Sie waren alle genauso überrascht wie wir. Ich habe auch Blake erreicht. Aber er sagt, er hat nicht ein Wort von ihr gehört. Es tut mir so leid.”
Caitlin rieb ihr Gesicht, versuchte die Müdigkeit zu vertreiben. Sie hatte gehofft, dass alles wieder normal wäre, wenn sie aufwachte. Das Scarlet wieder zurück wäre, zu Hause, sicher. Dass das Leben wieder normal wäre. Aber als sie Sam und Polly dort stehen sah, in ihrem Haus, nach Mitternacht, mit so besorgten Gesichtern, brachte alles zurück. Es war alles wahr. Zu wahr. Scarlet wurde vermisst. Und würde vielleicht nie zurückkommen.
Die Erkenntnis traf Caitlin wie ein Messer. Sie konnte kaum atmen bei dem Gedanken daran. Scarlet, ihre einzige Tochter. Die Person, die sie im Leben am meisten liebte. Sie konnte sich ein Leben ohne sie nicht einmal vorstellen. Sie wollte dort raus rennen, jede Straße absuchen, schreien und brüllen wegen der Ungerechtigkeit. Aber sie wusste, das würde nichts bringen. Sie musste hier sitzen bleiben und warten.
Plötzlich war da ein Geräusch an der Tür. Alle drei sprangen auf und sahen hoffend zur Tür. Caitlin rannte auf sie zu, betend, das vertraute Gesicht ihrer Teenager-Tochter zu sehen.
Aber ihr Herz sank, als sie sah, dass es nur Caleb war. Nach Hause zurückehrend – mit einem grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht. Der Anblick ließ ihr Herz weiter sinken. Es war klar, dass er nicht erfolgreich gewesen war.
Sie wusste, dass es nutzlos war, aber sie fragte trotzdem: “Irgendetwas?”
Caleb sah auf den Boden, als er den Kopf schüttelte. Er sah aus wie ein gebrochener Mann.
Sam und Polly tauschten einen Blick, kamen dann zu Caitlin herüber und umarmten sie beide.
“Ich komme direkt morgen früh rüber”, sagte Polly. “Ruf mich an, wenn Ihr irgendetwas hört. Selbst wenn es mitten in der Nacht ist. Versprochen?”
Caitlin nickte zurück, zu überwältigt zum Sprechen. Sie fühlte, dass Polly sie umarmte und drückte sie zurück, dann drückte sie ihren kleinen Bruder.
“Ich liebe Dich, Schwester”, sagte er an ihrer Schulter. “Halte durch. Sie wird in Ordnung sein.”
Caitlin wischte ihre Tränen weg und sah, dass Sam und Polly aus der Tür traten.
Nun waren hier nur noch sie und Caleb. Normalerweise wäre sie begeistert, allein mit ihm zu sein – aber nach dem Streit fühlte sie sich nervös. Caleb, das konnte sie sehen, war in seiner eigenen Welt aus Elend und Bedauern verloren; sie fühlte auch, dass er noch sauer auf sie war, dass sie ihre Theorie der Polizei erzählt hatte.
Es war zu viel für Caitlin, um es zu ertragen. Sie erkannte, dass sie auf Calebs Rückkehr gehofft hatte, eine Spur von Optimismus, dass er hereingestürmt käme und etwas Positives verkünden würde. Aber ihn so zurückkehren zu sehen, mit nichts, gar nichts, brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen. Scarlet war den ganzen Tag weg gewesen. Niemand wusste, wo sie war. Es war nach Mitternacht und sie war nicht nach Hause gekommen. Sie wusste, dass dies ein schlechtes Zeichen war. Sie wollte sich die Möglichkeiten nicht einmal vorstellen, aber sie wusste, dass es sehr, sehr schlecht war.
“Ich gehe ins Bett”, verkündete Caleb, als er sich rumdrehte und die Treppe hinaufstolzierte.
Caleb sagte immer “gute Nacht”, er fragte sie immer, ob sie mit ihm ins Bett ginge. Um genau zu sein, konnte sich Caitlin nicht an eine Nacht erinnern, in der sie nicht zusammen ins Bett gegangen waren.
Jetzt hatte er sie nicht einmal gefragt.
Caitlin ging zurück zu ihrem Stuhl im Wohnzimmer und saß dort, auf seine Schritte die Stufen hoch hörend, und hörte, wie die Schlafzimmertür sich hinter ihm schloss. Es war das einsamste Geräusch, das sie je gehört hatte.
Sie brach in Tränen aus und weinte, sie wusste nicht, wie lange. Schließlich rollte sie sich zusammen und weinte in die Kissen. Sie erinnerte sich wage, dass Ruth kam und versuchte, ihr