Er führte sie durch das Zimmer zu einem Paar riesiger Flügeltüren. Sie waren mit so viel Staub bedeckt, dass sie nicht einmal gewusst hatte, dass sie da waren. Er trat auf sie zu und zerrte kräftig an den Schlössern und Schnallen, und endlich, mit einem Krachen und einer Staubwolke, öffneten sie sich.
Er trat hinaus, und Caitlin folgte ihm.
Sie traten auf eine riesige Steinterrasse hinaus, die von einer reich verzierten Brüstung aus Kalksteinsäulen umsäumt war. Gemeinsam traten sie bis an die Kante und blickten hinaus.
Von hier hatten sie eine eindrucksvolle Aussicht über die gesamte Gegend, über das Meer. Caitlin konnte die Wellen rauschen hören und das Meer in der sanften Brise riechen. Sie fühlte sich wie im Himmel.
Wenn Caitlin sich je ein Traumhaus ausgemalt hatte, dann wäre es mit Sicherheit dieses. Es war staubig und brauchte einen weiblichen Touch, aber Caitlin wusste, dass sie es herrichten und in den Zustand zurückversetzen konnten, in dem es einmal gewesen war. Sie fühlte, dass dies wahrhaft ein Ort sein könnte, den sie gemeinsam Zuhause nennen konnten.
„Ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast“, sagte er, „den ganzen Flug hierher über. Darüber, ein Leben gemeinsam aufzubauen. Das würde mir sehr gefallen.“
Er legte einen Arm um sie.
„Ich hätte gerne, dass du hier mit mir lebst. Dass wir unser Leben von Neuem beginnen. Genau hier. Es ist hier ruhig, und sicher, und geschützt. Niemand kennt diesen Ort. Niemand wird uns hier je finden. Ich sehe keinen Grund, warum wir unser Leben hier nicht als gewöhnliche Leute zu Ende leben können sollten“, sagte er. „Natürlich wird es viel Arbeit sein, es zu renovieren. Aber ich bin dabei, wenn du es bist.“
Er lächelte sie an.
Sie lächelte zurück. Sie war noch nie zuvor in ihrem Leben mehr dabei gewesen.
Mehr als das, fühlte sie sich zutiefst gerührt davon, dass er sie eingeladen hatte, mit ihm zu leben. Nichts hatte ihr je mehr bedeutet. In Wahrheit hätte sie egal wo mit ihm gelebt, und wenn es eine Hütte im Wald gewesen wäre.
„Sehr gerne“, antwortete sie. „Ich will einfach nur mit dir zusammen sein.“
Ihr Herz pochte, als sie zu einem Kuss zusammentrafen, mit dem Wellenrauschen im Hintergrund, der Meeresbrise über ihnen.
Endlich war alles in ihrer Welt wieder perfekt.
Caitlin war noch nie so glücklich gewesen wie jetzt, als sie durch das Haus schlenderte, von Zimmer zu Zimmer, mit einem Putzlappen bewaffnet. Caleb war jagen gegangen, aufgeregt darüber, ihnen beiden das Abendessen nach Hause zu bringen. Sie war begeistert, weil ihr das etwas Zeit gab, alleine durch das Haus zu streifen, alles in Ruhe in sich aufzunehmen, es mit den Augen einer Frau anzusehen, um festzustellen, wie sie es herrichten und in ein Zuhause für sie beide verwandeln konnte.
Sie ging durch die Zimmer, öffnete Fenster, ließ die Meeresluft herein. Sie hatte einen Eimer und Lappen gefunden und war zum Fluss hinuntergegangen, den sie durch den Hinterhof fließen gesehen hatte, und mit einem übervollen Eimer Wasser zurückgekehrt. Sie hatte den Lappen im Fluss ausgespült, bis er so sauber wie möglich war. Sie hatte eine große Kiste gefunden, auf der sie stehen konnte, und während sie eines nach dem anderen der riesigen, mittelalterlichen Fenster öffnete, stellte sie sich auf die Kiste und wischte jede Scheibe. Ein paar Fenster gab es, die einfach zu hoch für sie waren, um sie zu erreichen, und für diese aktivierte sie ihre Flügel, flatterte hoch in der Luft und schwebte vor den Fenstern, um sie zu reinigen.
Sie erschrak über den unmittelbaren Unterschied, den das machte. Das Zimmer verwandelte sich von dunkel zu völlig von Licht überflutet. Es mussten hunderte Jahre Staub und Salz gewesen sein, die die Scheibe auf beiden Seiten überkrustet hatten. Tatsächlich war es eine Errungenschaft für sich, jedes Fenster überhaupt zu öffnen, und sie musste sie mit aller Kraft von Rost und Schutt freizerren.
Caitlin sah sie sich sorgfältig an und war beeindruckt von der Handwerkskunst in jedem einzelnen Fenster. Jede Fensterscheibe war mehrere Finger breit und wunderschön gestaltet. Manche der Scheiben waren gefärbt, manche waren klar, und manche hatten den zartesten Hauch von Farbe. Als sie eine nach der anderen abwischte, fühlte sie nahezu die Dankbarkeit des Hauses, das langsam, Zentimeter für Zentimeter, wieder zum Leben erwachte.
Schließlich war Caitlin fertig und begutachtete es erneut. Sie war schockiert. Was zuvor eine dunkle, wenig einladende Kammer gewesen war, war nun ein unglaubliches, sonnenüberflutetes Zimmer mit Meeresblick.
Caitlin wandte sich als Nächstes dem Fußboden zu, ging auf alle Viere und schrubbte einen Meter nach dem anderen. Sie sah zufrieden zu, wie fingerdick der Dreck herunterkam und die wunderschönen riesigen Steinplatten zum Vorschein kamen.
Danach machte sie sich an die enorme Umfassung des Marmorkamins und wusch den Staub der Jahre herunter. Dann kam der riesige, reich verzierte Spiegel darüber an die Reihe, den sie abwischte, bis er strahlte. Sie fand es schade, dass sie ihr Spiegelbild immer noch nicht sehen konnte—aber sie wusste, dass es nicht viel gab, was sie dagegen tun konnte.
Sie machte sich als Nächstes an den Kronleuchter, jeden seiner kristallbesetzten Kerzenhalter einzeln abwischend. Danach fasste sie das Himmelbett ins Auge. Sie wischte jeden Bettpfosten ab, dann den Rahmen, und brachte das uralte Holz langsam wieder zum Leben. Sie packte die alternden Decken und brachte sie zur Terrasse, um sie kräftig auszuschütteln. Der Staub flog in Wolken in alle Richtungen.
Caitlin kam zurück ins Zimmer, ihr künftiges Schlafzimmer, und begutachtete es: es war nun prachtvoll. Es strahlte so hell wie andere Zimmer in anderen Burgen. Es war immer noch mittelalterlich, doch zumindest war es nun frisch und einladend. Ihr Herz stieg höher bei dem Gedanken, hier zu leben.
Sie blickte hinunter und sah, dass das Wasser im Eimer komplett schwarz geworden war, und sprang die Treppen hinunter und zur Tür hinaus, um ihn im Fluss neu anzufüllen.
Caitlin lächelte beim Gedanken an Calebs Reaktion, wenn er zurückkommen würde. Er würde so überrascht sein, dachte sie. Sie würde das Speisezimmer als Nächstes putzen. Sie würde versuchen, einen vertraulichen Rahmen für ihre erste Mahlzeit zusammen in ihrem neuen Zuhause zu schaffen—die erste, hoffte sie, von vielen.
Als Caitlin am Flussufer ankam, im weichen Gras auf die Knie sank, den Eimer leerte und wieder auffüllte, spürte sie, wie ihre Sinne plötzlich in höchster Alarmbereitschaft waren. Sie hörte ein Rascheln in der Nähe und spürte ein Tier, das auf sie zukam.
Sie wirbelte herum und war davon überrascht, was sie vor sich sah.
Langsam auf sie zukommend, nur wenige Schritte entfernt, war ein Wolfsjunges. Sein Fell war weiß, bis auf einen einzelnen grauen Streifen, der ihm über Stirn und Rücken lief. Was Caitlin am meisten traf, waren die Augen: sie starrten Caitlin an, als würden sie sie kennen. Mehr noch: es waren dieselben Augen wie Rose.
Caitlin spürte ihr Herz pochen. Sie fühlte sich, als wäre Rose von den Toten zurückgekehrt, wäre in einem anderen Tier wiedergeboren worden. Dieser Ausdruck, dieses Gesicht. Die Farbe des Fells war anders, aber ansonsten hätte dies genauso gut eine wiedergeborene Rose sein können.
Das Wolfsjunge schien ebenso erschrocken darüber, Caitlin zu sehen. Es blieb stehen, starrte sie an und machte dann langsam, vorsichtig ein paar zögerliche Schritte auf sie zu. Caitlin durchsuchte den Wald, um festzustellen, ob noch andere Welpen in der Nähe waren, oder seine Mutter. Sie wollte nicht in einen Kampf verwickelt werden.
Doch es war kein anderes Tier weit und breit zu sehen.
Als Caitlin das Junge näher untersuchte, konnte sie sehen, warum. Es hinkte stark, und seine Pfote blutete. Es sah verwundet aus. Es war wohl von seiner Mutter verlassen worden, erkannte Caitlin, um zu sterben.
Das Wolfsjunge senkte den Kopf und ging langsam direkt auf Caitlin zu. Dann, zu Caitlins Überraschung, legte es ihr den Kopf in den Schoß und winselte leise, während es die Augen schloss.
Caitlins Herz machte einen Sprung. Sie hatte Rose so sehr vermisst, und nun fühlte es sich an, als wäre sie zu ihr zurückgekehrt.
Caitlin