Русская германистика. Ежегодник Российского союза германистов. Т. 15. Революция и эволюция в немецкоязычных литературах. Коллектив авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Коллектив авторов
Издательство: Языки Славянской Культуры
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 2018
isbn: 978-5-907117-20-4
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Смысл творчества // Бердяев Н. Философия творчества, культуры и искусства. М., 1994. С. 37–341.

      Гейне 1900 – Гейне Г. К истории религии и философии в Германии. Т. 8. СПб.; М., 1900.

      Гёте 1977 – Гёте И. В. Страдания юного Вертера // Гёте И. В. Собр. соч.: в 10 т. Т. 6. М., 1977.

      Гёте 1988 – Гёте И. В., Шиллер Ф. Переписка: в 2 т. Т. 1. М., 1988.

      Гундольф 2017 – Гундольф Ф. Немецкие романтики. СПб., 2017.

      Новалис 2003 – Новалис. Христианство или Европа // Новалис. Генрих фон Офтердинген. М., 2003. С. 134–145.

      Шлегель 1983 – Шлегель Ф. Эстетика. Философия. Критика. Соч.: в 2 т. Т. 1. М., 1983.

      Hölderlin 2005 – Hölderlin Fr. Sämtliche Gedichte. Text und Kommentar / Hrsg. von Jochen Schmidt. Frankfurt a. M., 2005.

      Kant 2001 – Kant I. Kritik der Urteilskraft. Hamburg, 2001.

      Marcuse 1970 – Marcuse H. Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Berlin, 1970.

      Schlegel 2000 – Schlegel Fr. Theorie der Romantik. Frankfurt a. M., 2000.

      Schmidt 2004 – Schmidt J. Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750–1945. 2 Bände. Heidelberg, 2004.

      Szondi 1996 – Szondi P. Das Naive ist das Sentimentalische. Zur Begriffsdialektik in Schillers Abhandlung // Szondi P. Schriften II. Frankfurt a. M., 1996. S. 59–105.

      ZUSAMMENFASSUNG

      Revolution des Geistes: Genie als Schöpfer der modernen Kultur

      Nach Hannah Arendt ist die Revolution ein wesentliches Symptom der neuzeitlichen Geschichte und der modernen Subjektivität. Der Mensch der Moderne ist Revolutionär, der die Welt „nach seinem Bilde“ umbilden will. Im Unterschied zu der politischen Revolution in Frankreich vollzog sich die Revolution in Deutschland hauptsächlich in der Sphäre des Geistes – in der Philosophie, Literatur und Musik. Zum Subjekt der geistigen Revolution und zum Schöpfer der modernen Kultur wurde das Genie. Im Artikel werden die wesentlichen Züge der Genieidee am Beispiel von Hölderlins „Rhein“-Hymne erläutert.

      DÄMON UND DÄMONISCHES

      Zu ontologischen Vorstellungen im späten goetheschen Weltbild

      I. V. KUMICHEV

      (Kaliningrad)

0. Vorbemerkungen

      Die beiden6 Konzepte des späten goetheschen Weltbildes – das Dämonische und der Dämon (Daimon) – entsprechen auf den ersten Blick oppositionellen Denkfiguren: die erste – der Revolution, die zweite – der Evolution. Wenn der Dämon, „geprägte Form, die lebend sich entwickelt“ („Urworte. Orphisch“ [Goethe 1988, I: 359]), als individuelles Entwicklungsgesetz verstanden werden könne, zeige sich das Dämonische nicht als Gesetz, als die sich entwickelnde Form, sondern als Widerspruch und scheine „mit den notwendigen Elementen unseres Daseins willkürlich zu schalten“ („Dichtung und Wahrheit“ [Goethe 1988, X: 175]).

      Goethe spricht vom dämonischen Charakter der Französischen Revolution und des Erdbebens von Lissabon. Er sagt Eckermann, das Dämonische manifestiere sich sowohl in den Begebenheiten, „die wir durch Vernunft und Verstand nicht aufzulösen vermögen“, als auch „in der ganzen Natur, in der unsichtbaren, wie in der sichtbaren“ (2. März 1831 [Eckermann 1987: 439]). Die Verwandtschaft der Revolution mit einem Naturprozess unterstreicht Goethe in „Maximen und Reflexionen“: „Jede Revolution geht auf Naturzustand hinaus, Gesetz- und Schamlosigkeit“ [Goethe 1988, XII: 380]. Wie kann aber die Natur mit der Gesetzlosigkeit der Revolution in Verbindung stehen? „Naturzustand“ bedeutet für Goethe hier das Hinausgehen des Menschen über die Grenzen des Verstandes und der Vernunft bzw. über die Grenzen der Ordnung, worin Goethe eine große Gefahr sah. Wo die Vernunft aufhört, die Situation zu kontrollieren, gewinnt das Dämonische sein Recht. In „Maximen und Reflexionen“ äußert sich Goethe [1988, XII: 379] so: „Es ist besser, es geschehe dir Unrecht, als die Welt sei ohne Gesetz. Deshalb füge sich jeder dem Gesetze“.

      In der „Belagerung von Maynz“ (25. Juli) schrieb Goethe ebenfalls in diesem Sinn: „Ich will lieber eine Ungerechtigkeit begehen als Unordnung ertragen“ [1988, X: 391]. Hans-Jürgen Schings [2009: 62] bemerkt mit Recht, dass man, bevor man diese Aussage – sich über den Kontext hinwegsetzend – als Teil des typischen Diskurses des „Fürstendieners“ kennzeichne, zuerst präziser bestimmen müsse, was der Dichterfürst unter „Ungerechtigkeit“ und „Unordnung“ verstanden hat. Die Aussage Goethes bildet das Schlusswort der Erzählung von der Rettung eines in dem von deutschen Truppen wiedereroberten Mainz eingeschlossenen Revolutionärs, den die Menge zum Opfer ihrer Rache gewählt hat. Die nicht gelungene Selbstjustiz vor dem Quartier des Herzogs beschreibt Goethe als „Unordnung“, die er nicht ertragen kann – deswegen rettet Goethe den ehemaligen Feind. Doch der Volkszorn scheint ihm gerechtfertigt, Goethe nennt die Wut der Menge „höchst verzeihlich[]“ [Goethe 1988, X: 391]. Auch „das schrecklichste aller Ereignisse“, die Französische Revolution selbst, konnte Goethe als gerechtfertigt anerkennen;7 sie hatte ihren Grund in der Zerstörung der Dämme, die die Flut des Volkszornes zurückhielten. Doch die Gesetzlosigkeit und die Unordnung, die sie zur Folge hatte, waren viel schrecklicher als die Ungerechtigkeit, gegen die das Volk aufgestanden war. Die Folgen der Unordnung – Tyrannei und Zerstörung – schienen Goethe das Schrecklichste. In einem der „Venetianischen Epigramme“ schreibt er:

      Frankreichs traurig Geschick, die Großen mögen‘s bedenken;

      Aber bedenken fürwahr sollen es Kleine noch mehr.

      Große gingen zugrunde doch wer beschützte die Menge

      Gegen die Menge? Da war Menge der Menge Tyrann

[Goethe 1988, I: 180].

      Die Unordnung, von der Goethe schreibt, die Entmachtung der Vernunft, zeigt sich auch in Begebenheiten anderer Art, die allerdings meist als Parallelen zu den revolutionären Vorgängen verstanden werden können. Es sind Begebenheiten, die im aufgeklärten Menschen leidenschaftliches Interesse an allem Mysteriösen und Geheimnisvollen wecken. Symptomatisch scheint hier die Figur Cagliostros, die Goethe im „Groß-Cophta“ mit der Erweckung des Dämons der Revolution verknüpft. Auch die geheimnisvollen Geschichten aus den „Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“ heben den irrationalen und unvorhersehbaren Charakter der Revolution hervor [vgl. Conrady 1988: 109].

      Das Dämonische erscheint den Menschen als Einbruch der unkontrollierbaren Zufälligkeit und zerstörerischer Kräfte, es ist aber paradoxerweise auch mit einem anderen Konzept des späten Goethe eng verknüpft, nämlich mit dem des Dämons. „Dämon“ bedeutet für Goethe die präformierte und unergründliche Ganzheit der menschlichen Individualität. Er stellt zugleich das Gesetz (also die Ordnung) dar, nach dem die Entwicklung des Individuums abläuft. Der Dämon wie auch das Dämonische wirken unabhängig vom menschlichen Willen und oft sogar gegen ihn. Der Dämon erscheint jedoch nicht als Zufälligkeit, sondern als Prinzip der Gestaltung (Bildung).


<p>6</p>

Im Goethe-Handbuch findet sich nur der Begriff „Dämonisches“, der verschiedene Aspekte in sich einschließt [Dahnke, Otto 1998: 179–181]. Werner Danckert argumentiert, man dürfe den Individual-Daimon mit dem Dämonischen nicht gleichsetzen: „Unter ‚Daimon’ versteht Goethe ja das individuelle Gesetz der Monade. Das Dämonische hingegen wirkt durchaus elementarischkosmisch, als höchstes Gegenwesen dem Göttlichen gleich- (oder entgegen-) gestellt, als ein Reich übermenschlicher Elementar-Mächte, von denen das Individuum, die menschliche Monade, übergriffen wird“ [1951: 464]. Als unterschiedliche Kategorien begreift auch Gero von Wilpert den Dämon und das Dämonische [Wilpert 1998: 1057]. Aus der jüngeren Forschung soll hier das Buch von Jana Jäger [2013] genannt werden, in dem der Dämon als das individuelle Gesetz vom Dämonischen als Fatum und grenzenloser Zufälligkeit abgegrenzt wird. Hans Joachim Schrimpf unterscheidet sogar zwischen dem Dämon, dem Dämonischen und den Dämonen [1956: 303].

<p>7</p>

Im Gespräch mit Eckermann vom 4. Januar 1824 spricht Goethe auch von den „wohltätigen Folgen“ der Revolution, die erst später zu ersehen waren [Eckermann 1987: 510].