Alienmörder. Stephen Goldin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Stephen Goldin
Издательство: Tektime S.r.l.s.
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9788885356887
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war klein; jemand vergleichbar Wichtiger auf der Erde hätte ein geräumiges Büro gehabt. Es war ein düsterer, unfreundlicher Raum, beinahe wie eine spärlich eingerichtete Höhle – aber andererseits war Mr. Levexitor selbst kaum Mr. Personality.

      An der Rückwand stand ein kleiner Arbeitstisch, an dem Levexitors Assistent Chalnas normalerweise stand. Chalnas war eine Art Sekretär, der seine Zeit damit verbrachte auf einem Pad zu kritzeln. Rabinowitz konnte sich nicht daran erinnern, dass er jemals fünf zusammenhängende Worte hervorgebracht hätte, und selbst das nur, um den einen oder anderen Punkt zu klären. Jetzt stand Chalnas nicht dort. Er war jemand, den man kaum wahrnahm, wenn er anwesend war, seine Abwesenheit jedoch fühlte sich seltsam an.

      In der Mitte des Raumes stand Path–Reynik Levexitor an seinem eigenen Schreibtisch. Die Jenithar waren zweifüßig, aber menschlich nur in einer freien Auslegung des Wortes. Sie waren zottige Zylinder, bedeckt mit einem Gefieder, das grob dem eines Marabus ähnelte. Ihre beiden sehr langen Arme waren an jener Stelle mit dem Körper verbunden, wo die Taille hätte sein sollen; sie konnten die Scheitel ihrer leicht knolligen Köpfe und die Sohlen ihrer breiten Füße mit derselben Leichtigkeit erreichen. Ihre Augen waren besser versteckt als die eines Schäferhundes und ihre Stimmen schienen aus ihrem ganzen Körper zu klingen.

      Levexitors Veer-Raumprojektion war sehr groß, einen ganzen Kopf größer als Rabinowitz. Sein Marabu war mit Lavendel gefärbt, wesentlich eleganter als Chaldas einfaches Braun. Er war so nobel, dass er sich kaum bewegen musste.

      Es gab keine Stühle in dem Raum. Rabinowitz stand, Levexitor stand, Chalnas – wenn er anwesend war – stand. Das absichtliche Sich-selbst-herabsetzen in Gegenwart anderer war offensichtlich entsetzlich auf Jenithar. Falls sich Rabinowitz nicht bequem auf ihr Sofa daheim hätte setzen können, während sie in Levexitors Veer-Raum „stand“, wären einige ihrer langen Verhandlungen nicht so gut verlaufen, wie es der Fall war.

      „Willkommen, Ms. Rabinowitz. Ich hatte nicht erwartet, so bald wieder mit Ihnen zu stehen.”

      „Ich entschuldige mich vielmals für die Störung, Hoheit. Es gab noch einige kleine Details zu klären, und ich dachte, wir könnten sie ein für allemal zu den Akten legen...aber wenn Chalnas nicht hier ist, um sie aufzuzeichnen –”

      „Es ist Chalnas‘ freier Tag, aber ich kann mich gut genug daran erinnern, was wir sagen. Fahren Sie bitte fort.”

      Rabinowitz verbrachte die nächsten zehn Minuten damit, die präzisen Definitionen der Unterwasseraufführungsrechte an den drei Tenger-Romanen und die exakte Dauer der Optionen zu diskutieren. Während dies eine sinnlose Übung war, verschaffte es ihr eine rechtmäßige Entschuldigung hier zu sein.

      Es entstanden ungewöhnlich lange Pausen zwischen Levexitors Antworten und er schien befangen zu sein. Offensichtlich gab es einige Aufgaben in seinem realen Raum, die zumindest einen Teil seines Geistes in Anspruch nahmen. Als Rabinowitz bemerkte, dass er sich vorrangig mit den örtlichen Problemen befassen und später auf sie zurückkommen könne, lehnte er dies kurzerhand ab und fuhr mit der Diskussion fort.

      Als sie das Thema gründlicher als notwendig abgehandelt hatten, sagte Rabinowitz: „Hoheit, ich zögere, eine solch delikate Angelegenheit bei jemand derartig Großem vorzubringen, aber etwas hat mich so sehr beunruhigt, dass ich meine, mit Ihnen darüber sprechen zu müssen.”

      „Sprechen Sie ruhig offen“, sagte Levexitor.

      „Sehr gut, Hoheit“, sagte Rabinowitz, „ich habe auf der Erde Gerüchte gehört, dass kriminelle Elemente versuchen, einiges unserer Literatur in die Außenweltmärkte zu schmuggeln. Ich habe keine Namen gehört, aber nur die unwichtigsten unserer Leute würden sich zu solchen Handlungen hergeben.”

      „Es ist seltsam, dass Sie solch ein Thema gerade jetzt erwähnen, Ms. Rabinowitz. Bitte fahren Sie fort.”

      „Natürlich weiß ich, dass Sie über solchen Dingen stehen. Als eine Freundin jedoch sorgte ich mich, dass Sie, wenn auch unwissentlich, von diesen cleveren Kriminellen zu solchen Handlungen verleitet worden wären, was Sie bestimmt herabsetzen würde. Ich dachte auch, dass Sie wissen mögen, wie Sie diese Information an Ihre kleineren Kollegen weitergeben, wobei einige von ihnen der großen Versuchung erliegen könnten. Diese Kriminellen sind skrupellos und würden jeden herabwürdigen, der mit ihnen zu tun hätte.”

      „In der Tat“, sagte Levexitor, „ich kann nur zu gut verstehen, wie jemand, selbst der Größte unter uns, von solchen Angeboten verführt werden kann, besonders, wenn sie von großen Quellen kommen.“ Es entstand eine weitere lange Pause. „Ja“, fuhr er schließlich fort, „und ich kann auch die äußerste Herabsetzung verstehen, die Sie erwähnten. Um es unmissverständlich zu sagen, Ms. Rabinowitz —”

      Levexitor hielt abrupt inne und drehte sich um. Sein Kopf bog sich zurück, als er hoch schaute. Dann, als er einen kleinen Schrei ausstieß, lehnte er sich nach vorn gegen seinen Arbeitstisch und war sehr, sehr still.

      „Hoheit? Hoheit?“ Der Raum war von völliger Stille erfüllt. Nichts bewegte sich, nichts machte ein Geräusch. Rabinowitz blickte in die Runde. Es befand sich niemand im virtuellen Raum außer Levexitor und ihr. Und Levexitor bewegte sich nicht.

      Rabinowitz ging vorwärts, bis sie direkt neben dem großen Alien stand. Sie streckte ihre Hand aus, um ihn zu berühren. Sie spürte Festigkeit wie bei der Berührung eines Baumes, während man dicke Gummihandschuhe trug, aber nicht mehr Gefühl als das. Levexitors projizierter Körper war genauso real wie die Wände – und nicht mehr animiert.

      Sie ging langsam im Raum herum. Ihre Schritte erzeugten keinerlei Geräusch. Levexitor machte kein Geräusch. Das Einzige, das sie hörte, war ihr eigener Puls, der durch ihre Ohren floss und der Atem, den sie zu kontrollieren versuchte.

      Es würde nichts nützen, zu rufen oder zu fragen, ob jemand da wäre. In diesem virtuellen Raum gab es nur ihre Projektion und Levexitors Projektion. Jemand oder etwas könnte in Levexitors realen Raum eingedrungen und tatsächlich noch immer dort sein, aber sie konnte es nicht sehen.

      Irgendjemand sollte benachrichtigt werden. Sie sah sich in dem spärlich möblierten Raum nach einem Kommunikationsgerät um. Es schien dort nichts zu geben. Chalnas‘ Schreibtisch war leer und ohne bestimmte Merkmale. Es gab einige digitale Bedienelemente auf Levexitors Tisch, aber er lag ausgestreckt über ihnen und sie konnte ihn nicht bewegen. Selbst wenn sie es gekonnt hätte, wären die Bedienelemente nicht intuitiv gewesen.

      Levexitors Körper bewegte sich plötzlich ruckartig vom Tisch weg. Es war keine bewusst kontrollierte Bewegung. Als Rabinowitz hinsah, bewegten sich unsichtbare Hände über das Bedienfeld auf der Schreibtischplatte. Dann blinkte sich das Alienbüro plötzlich aus seiner Existenz und sie fand sich in ihrem eigenen Veeringraum wieder.

      Sie schlang ihre Arme fest um sich und setzte sich zitternd wie Espenlaub in den Sessel. Ihre Zähne klapperten; sie konnte sich nicht erinnern, dies getan zu haben, seit sie zum ersten Mal „Das verräterische Herz“ mit vierzehn Jahren gelesen hatte. Sie schloss ihre Augen und versuchte, ihren keuchenden Atem zu regulieren.

      Langsam, ganz langsam, erlangte sie die Kontrolle wieder. Sie zwang ihre zitternden Lippen zu sagen: „Telefon: San Francisco, Interpol, Detective Hoy.” Sofort erschien das lächelnde Gesicht des Detectives vor ihr.

      „Was für eine angenehme Überraschung, Ms. Rabinowitz“, sagte er. „Ich hätte nicht gedacht, so bald wieder von ihnen zu hören.”

      „Nicht angenehm“, sagte sie. „Keinesfalls. Sie müssen die Behörden auf Jenithar kontaktieren. Etwas ist gerade mit Levexitor geschehen. Ich glaube, er wurde ermordet.”

       ***

      „Ich fühle mich wie eine Idiotin”, sagte Rabinowitz. „Ich war in Panik wie ein überdrehter Teenager. Ich war nicht in Gefahr. Er hätte mich nicht berühren können –”

      „Sie waren anwesend, als jemandes Leben gewaltsam endete“, sagte Hoy tröstend von der anderen Seite des Wohnzimmertisches. „Oder zumindest telepräsent. Ich denke, es wäre unnatürlich, wenn Sie nicht schockiert wären.”