Im Westen nichts Neues / На Западном фронте без перемен. Книга для чтения на немецком языке. Эрих Мария Ремарк. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Эрих Мария Ремарк
Издательство: КАРО
Серия: Moderne Prosa
Жанр произведения: Книги о войне
Год издания: 2017
isbn: 978-5-9925-0568-9
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verhauen. Was konnte uns schon passieren, wenn er uns nicht erkannte und wir ohnehin morgen früh abfuhren.

      Wir wussten, in welcher Kneipe er jeden Abend saß. Wenn er von dort zur Kaserne ging, musste er durch eine dunkle, unbebaute Straße. Dort lauerten wir ihm hinter einem Steinhaufen auf. Ich hatte einen Bettüberzug bei mir. Wir zitterten vor Erwartung, ob er auch allein sein würde. Endlich hörten wir seinen Schritt, den kannten wir genau, wir hatten ihn oft genug morgens gehört, wenn die Tür aufflog und »Aufstehen!« gebrüllt wurde.

      »Allein?« flüsterte Kropp.

      »Allein!« – Ich schlich mit Tjaden um den Steinhaufen herum.

      Da blitzte schon sein Koppelschloss*. Himmelstoß schien etwas angeheitert zu sein; er sang. Ahnungslos ging er vorüber.

      Wir fassten das Bettuch, machten einen leisen Satz, stülpten es ihm von hinten über den Kopf, rissen es nach unten, so dass er wie in einem weißen Sack dastand und die Arme nicht heben konnte. Das Singen erstarb.

      Im nächsten Moment war Haie Westhus heran. Mit ausgebreiteten Armen warf er uns zurück, um nur ja der erste zu sein. Er stellte sich genussreich in Positur*, hob den Arm wie einen Signalmast, die Hand wie eine Kohlenschaufel und knallte einen Schlag auf den weißen Sack, der einen Ochsen hätte töten können.

      Himmelstoß überschlug sich, landete fünf Meter weiter und fing an zu brüllen. Auch dafür hatten wir gesorgt, denn wir hatten ein Kissen bei uns. Haie hockte sich hin, legte das Kissen auf die Knie, packte Himmelstoß da, wo der Kopf war, und drückte ihn auf das Kissen. Sofort wurde er im Ton gedämpfter. Haie ließ ihn ab und zu mal Luft schnappen, dann kam aus dem Gurgeln ein prachtvoller heller Schrei, der gleich wieder zart wurde.

      Tjaden knöpfte jetzt Himmelstoß die Hosenträger ab und zog ihm die Hose herunter. Die Klopfpeitsche hielt er dabei mit den Zähnen fest. Dann erhob er sich und begann sich zu bewegen.

      Es war ein wunderbares Bild: Himmelstoß auf der Erde, über ihn gebeugt, seinen Kopf auf den Knien, Haie mit teuflisch grinsendem Gesicht und vor Lust offenem Maul, dann die zuckende, gestreifte Unterhose mit den X-Beinen, die in der heruntergeschobenen Hose bei jedem Schlag die originellsten Bewegungen machten, und darüber wie ein Holzhacker der unermüdliche Tjaden. Wir mussten ihn schließlich geradezu wegreißen, um auch noch an die Reihe zu kommen.

      Endlich stellte Haie Himmelstoß wieder auf die Beine und gab als Schluss eine Privatvorstellung. Er schien Sterne pflücken zu wollen, so holte seine Rechte aus zu einer Backpfeife. Himmelstoß kippte um. Haie hob ihn wieder auf, stellte ihn sich parat und langte ihm ein zweites, erstklassig gezieltes Ding mit der linken Hand. Himmelstoß heulte und flüchtete auf allen vieren. Sein gestreifter Briefträgerhintern leuchtete im Mond.

      Wir verschwanden im Galopp.

      Haie sah sich noch einmal um und sagte ingrimmig, gesättigt und etwas rätselhaft: »Rache ist Blutwurst.« —

      Eigentlich konnte Himmelstoß froh sein; denn sein Wort, dass immer einer den andern erziehen müsse, hatte an ihm selbst Früchte getragen. Wir waren gelehrige Schüler seiner Methoden geworden.

      Er hat nie heraus gekriegt, wem er die Sache verdankte. Immerhin gewann er dabei ein Bettuch; denn als wir einige Stunden später noch einmal nachsahen, war es nicht mehr zu finden.

      Dieser Abend war der Grund, dass wir am nächsten Morgen einigermaßen gefasst abfuhren. Ein wehender Vollbart bezeichnete uns deshalb ganz gerührt als Heldenjugend.

      Aufgaben zum Text

      1. Beschreiben Sie die Rekruten.

      2. Warum ist Katczinsky nicht zu entbehren?

      3. Formulieren Sie das eiserne Gesetz des Komisses. Wie wurde es eingehalten?

      4. Wie und warum erzog Himmelstoß Tjaden?

      5. Beschreiben Sie den schönsten Tag des Kommisslebens der Freunde. Warum war dieser Abend am schönsten?

      6. Wem symphatisieren Sie in dieser Situation: den Jungen oder Himmelstoß? Warum? 7. Wie verstehen Sie folgende Sätze: „Rache ist Blutwurst.” und „ Wir waren gelehrige Schüler seiner Methoden geworden”.

      Texterläuterungen

      Sägespäne, die – kleine, dünne Streifen, die entstehen, wenn man Holz oder Metall verarbeitet

      Priem, der – Stück Kautabak

      ausgepowert – (gespr.) sehr erschöpft; ausgepumpt, erledigt

      Schmachtriemen, der – Gürtel, den Schmachtriemen anziehen: besonders unter Hunger, Durst oder Hitze leiden

      Dattel, die – eine süße, braune Frucht (mit einem länglichen Kern), die an einer Palme wächst

      Luft für jemanden sein – (gespr.) von jemandem ignoriert, nicht beachtet werden

      Drillichhose, die – Hose aus sehr dichtem Leinenoder Baumwollgewebe

      Tresse, die – ein schmales Stoffband zur Verzierung an Kleidungsstücken, besonders bei Uniformen

      Schnauze, die – (gespr.) Mund

      Muskote, der – der Gemeine, der Schütze

      Bettnässer, der – jemand (besonders ein Kind), der ohne Absicht sein Bett mit Urin nass macht, während er schläft

      Vergeltung, die – Rache

      Vorgesetzte, der – jemand, der in einer Firma, beim Militär, in einem Amt einen höheren Rang hat und so bestimmt, was andere Personen machen müssen

      Koppel, das – ein (breiter) Gürtel, meist als Teil einer Uniform

      Positur, die – sich in Positur setzen, stellen: in übertriebener Weise versuchen, sich so zu setzen oder zu stellen, dass man gut aussieht

      4

      Wir müssen nach vorn zum Schanzen*. Beim Dunkelwerden rollen die Lastwagen an. Wir klettern hinauf. Es ist ein warmer Abend, und die Dämmerung erscheint uns wie ein Tuch, unter dessen Schutz wir uns wohl fühlen. Sie verbindet uns; sogar der geizige Tjaden schenkt mir eine Zigarette und gibt mir Feuer.

      Wir stehen nebeneinander, dicht an dicht, sitzen kann niemand. Das sind wir auch nicht gewöhnt. Müller ist endlich mal guter Laune; er trägt seine neuen Stiefel.

      Die Motoren brummen an, die Wagen klappern und rasseln. Die Straßen sind ausgefahren und voller Löcher. Es darf kein Licht gemacht werden, deshalb rumpeln wir hinein, dass wir fast aus dem Wagen purzeln. Das beunruhigt uns nicht weiter. Was kann schon passieren; ein gebrochener Arm ist besser als ein Loch im Bauch, und mancher wünscht sich geradezu eine solch gute Gelegenheit, nach Hause zu kommen.

      Neben uns fahren in langer Reihe die Munitions-kolonnen*. Sie haben es eilig, überholen uns fortwährend. Wir rufen ihnen Witze zu, und sie antworten.

      Eine Mauer wird sichtbar, sie gehört zu einem Hause, das abseits der Straße liegt. Ich spitze plötzlich die Ohren. Täusche ich mich? Wieder höre ich deutlich Gänsegeschnatter. Ein Blick zu Katczinsky – ein Blick von ihm zurück; wir verstehen uns.

      »Kat, ich höre da einen Kochgeschirraspiranten – « Er nickt. »Wird gemacht, wenn wir zurück sind.

      Ich weiß hier Bescheid.«

      Natürlich weiß Kat Bescheid. Er kennt bestimmt jedes Gänsebein in zwanzig Kilometer Umkreis.

      Die Wagen erreichen das Gebiet der Artillerie. Die Geschützstände sind gegen Fliegersicht mit Büschen verkleidet, wie zu einer Art militärischem Laubhüttenfest. Diese Lauben sähen lustig und friedlich aus, wenn ihre Insassen* keine Kanonen wären.

      Die Luft wird diesig von Geschützrauch und Nebel. Man schmeckt den Pulverqualm bitter auf der Zunge. Die Abschüsse krachen, dass unser Wagen bebt, das Echo rollt tosend hinterher, alles schwankt. Unsere Gesichter verändern sich unmerklich. Wir brauchen zwar nicht in die Gräben,