Die Gewinnung guter Milch und Butter war von Anfang an ein Hauptzweck gewesen, und es wurde demgemäß eine förmliche Lehr-Anstalt für die Kunst des Butterns und Käsemachens eingerichtet, wohin die Beamten und kurmärkischen Ämter eine Anzahl von Bauertöchtern, für deren gute Führung sie verantwortlich waren, als Mägde zu schicken hatten. Diese Mägde wurden während eines zweijährigen Dienstes in allem Nötigen unterwiesen. Dann mußten sie ohne Hülfe der Holländerin eine Probe guter Butter bereiten, die der König selbst zu prüfen nicht verschmähte. Fiel die Prüfung zugunsten der betreffenden Magd aus, so verlieh ihr der König einen Brautschatz im Betrage von hundert Talern. Diese Einrichtung hat bis zum Tode des Königs bestanden und zu ihrer Zeit reiche Früchte getragen, die noch heutzutage nachwirkend sind. Auch Friedrich II. widmete dem Amte Königshorst eine besondere persönliche Aufmerksamkeit. Anfänglich ließ er den größten Teil der dortigen Ländereien zu Fettweiden benutzen, um die Einfuhr von ausländischem Schlachtvieh für den Berliner Markt entbehrlich zu machen; in späteren Regierungsjahren aber kehrte er ganz zu dem Benutzungsplan des Gründers von Königshorst zurück und stellte das von seinem Vater begründete Lehrinstitut als „eine – wie der König in einem Erlaß vom 13. Mai 1780 sich ausdrückte – ordentliche Akademie des Buttermachens“ wieder her. Bis diesen Tag gilt die Königshorster Butter (Horstbutter) in Berlin als die beste. Eins fehlt ihr vielleicht – das Aroma. Das Luchgras, was immer auch die Kultur zu seiner Verbesserung getan haben mag, kann nicht wetteifern mit dem süßen, saftigen, kräuterreichen Gras der Nordsee-Marschen. Noch weniger ist es geglückt, das Sandland der alten Horsten (Sandstellen im Sumpf) zu einem fruchtbaren Boden umzugestalten; nur mühsam wird das Getreide gewonnen, das zum Unterhalt des Viehstandes nötig ist. Von der Bedeutung jener Entwässerungsarbeiten aber, die durch König Friedrich Wilhelm I. eingeleitet wurden, wird man sich am ehesten eine Vorstellung machen können, wenn man erfährt, daß die Gesamtlänge der im Luche befindlichen Gräben und Kanäle über einundsiebzig Meilen beträgt.
Der Brieselang
Balsamisch wogten die Düfte
Über das feuchte Revier,
Die alten Störche bezogen
Freudig das alte Quartier.
In all den Luchen und Lanken
Waren die Wasser erwacht,
Die Kiefern lauschten und tauschten
Ihre Grüße sacht.
Eine der ältesten Waldpartien des Havellandes ist der Brieselang, anderthalb Meilen westlich von Spandau. Die Hamburger Eisenbahn schneidet an seinem Südrande hart vorbei und bildet, wenn man auf die Karte blickt, den Fuß, auf dem er steht. Wer ihn besuchen will und die Jahre des Turner-Enthusiasmus hinter sich hat, pflegt deshalb auch die genannte Bahn zu benutzen, die ihn wochentags bis an die östlichen Vorlande des Waldes (Station Segefeld) oder Sonntags in Extrazügen direkt bis an seine Eingänge führt.
Der Brieselang ist nicht mehr, was er war. In alten Tagen ging er über Quadratmeilen hin und füllte das ganze Territorium, das man damals als Alt-Bredow-Land bezeichnen konnte. Das Nauensche Luch, die Falkenhagenschen Wiesen, der Bredowsche Forst, das Pausinsche Bruch, alles war Brieselang, ein Elsbruch im großen Stil: im Frühjahr ein Sumpf oder See, im Sommer ein Prairie, zu allen Jahreszeiten aber von mächtigen Eichen, den „Brieselang-Eichen“, überragt, die um einen Schuh höher waren als alle anderen im Lande. Das ist nun anders geworden. In allen Teilen des alten Gebiets, zumal auch auf jener Strecke, die noch den alten Namen führt, haben sich die Elemente geschieden, aus weiten Sumpfstrecken, denen man die Elsen und Eichen nahm, sind weite Wiesenstrecken geworden, und aus anderen, denen man Elsen und Eichen hinzutat, sind regelrechte Waldreviere geworden. Nur da, wo Wald und Wiese mit einander grenzen und der Wald aus seinem Heerlager einzelne Posten in die weite Wiese hinausstellt, nur an diesen Stellen zeigt der Brieselang noch seinen alten Charakter, zumal im Frühjahr, wenn das Sumpfwasser steigt und sich wieder in Lachen und Lanken um die Elsenbüsche sammelt.
Der Brieselang ist eine schwindende Macht, an Terrain verlierend wie an Charakter, aber auch noch im Schwinden ehrwürdig, voll Zeichen alter Berühmtheit und alten Glanzes. Er besteht zur Zeit noch aus zwei Hälften, aus dem eigentlichen Brieselang und aus der Buten-Heide, von denen jener, mit dem Hauptpunkt „Finkenkrug“, die südliche, diese, die Buten-Heide, mit dem Hauptpunkt „Königs-Eiche“, die nördliche Hälfte bildet. Da aber, wo beide Hälften zusammentreffen, inmitten einer Lichtung, erhebt sich die „Försterei Brieselang“, die als Zentralpunkt mit Recht den Namen des ganzen Waldes trägt.
In den Brieselang also!
1.
Finkenkrug
Es sauset und brauset
Das Tamburin,
Es rasseln und prasseln
Die Schellen darin.
vergeht kein Sonntag, wo nicht Scharen von Besuchern den Brieselang umschwärmten. Aber die Tausende, die kommen und gehen, begnügen sich damit, den Zipfel seines Gewandes zu fassen, die Parole lautet nicht „Brieselang“, sondern „Finkenkrug“. Und doch ist der Finkenkrug, an der südlichsten Stelle der Südhälfte gelegen, ein bloßes Portal, durch das man hindurch muß, um in die eigentliche Schönheit des Waldes einzutreten; nicht diesseits liegt die Herrlichkeit, sondern jenseits, und alles, was den Brieselang ausmacht, seinen Charakter, seine Erinnerungen, seine Schätze, alles liegt drüber hinaus. Der Finkenkrug ist nur erste Etappe. Wer den Brieselang kennen lernen will, der muß auch, rüstigen Fußes, die beiden andern Staffeln zu erreichen wissen: die Försterei und die Eiche. Nur erst wer bei der „Königs-Eiche“ steht, der hat den Brieselang hinter sich und kann mitsprechen.
Wir tun es. Der geneigte Leser wolle uns folgen.
Es ist Sonntag vor Pfingsten. Wir haben den elf Uhr-Zug benutzt und die Sonne steht bereits in Mittag, als wir landen. Wir sind zu drei: mein Reisebegleiter, ein pommersch Blut, ich selbst, und als dritter unser Führer, ein Autochthone dieser Gegenden. Das Dreieck Spandau-Nauen-Kremmen umschließt seine Welt. Er ist hager und ausdauernd wie ein Trapper, erfahren und lederfarben wie „Pfadfinder“. Er versteht auch zu sprechen.
Können Sie es glauben, so hebt er an, daß ich diese Straße seit zwanzig Jahren nicht gekommen bin. Ich fasse den Brieselang immer von Norden her, hier unten bin ich ein Fremder … Ja, vor zwanzig Jahren! Das war ein Tag, gerade so kalt, wie der heutige warm ist, und wir hatten Wahl in Finkenkrug.
Im Finkenkrug?
Ja, in Finkenkrug. Er mag dadurch poetisch verlieren, mehr verlieren, als er politisch gewinnt, aber ich kann es nicht ändern. Es war in Finkenkrug und ich kam mit dem Falkenhagener Oberförster hier des Weges. Die Pferde waren ganz weiß, der Wald glitzerte; ich habe kein Rotkehlchen gesehen, so tot war der Wald.
Und Sie kamen an und stießen auf das leere Nest. Jeder war zu Hause geblieben.
Fehlgeschossen. Viele Hunderte waren da, immer neue Schlitten fuhren an, und ehe eine halbe Stunde um war, war es nicht mehr möglich, die Ankommenden und Hereindrängenden in den Stuben unterzubringen. Da rief Oberförster Brandt: „Wir machen ein Feuer und tagen draußen.“ Allgemeiner Jubel. Er war Oberförster, und die Paar Klafter Holz, die nun bald lichterloh und mit Geprassel an zu brennen fingen, wird er wohl nach oben hin verdefendieret haben. Es war ein entzückendes Bild. Der glitzernde Wald, das verschneite Haus, auf dessen weißes Dach die roten Lichter fielen, und um das Feuer herum, in Pelze gewickelt, all die havelländischen Bredows, die Ribbecks, die Hünekens, Erxleben von Selbelang, Risselmann von Schönwalde, dazwischen die Pastoren in ihren Filial-Reisemänteln, endlich die Kutscher und Knechte mit ihren Pferdedecken. Jede Stimme galt. Der alte Landrat von Hobe präsidierte und versicherte uns einmal über das andere, daß von Patow-Potsdam gewählt werden müsse.
Und was wurde?
Nun, er wurde gewählt. Aber nicht ohne Zwischenfälle. Es muß