Freilich malt Manet nicht wie Velasquez, und das ist ein Glück, denn sonst hätten wir ein Genie weniger und nur einen lumpigen Nachahmer mehr. Manet hat uns etwas Eignes zu sagen: daher hat er seine eigne Sprache, die zu verstehen wir erst lernen müssen, denn nur das Gemeine wird allgemein und sogleich verstanden. Er malt keine Kunststücke, sondern Kunstwerke; keine Spur von Kalligraphie.
Ausführung heisst nicht Ausführlichkeit. Kunst giebt nicht breite Bettelsuppe, sondern Extrakt. Manet macht keinen Strich zu viel, aber auch keinen zu wenig, ein jeder ist notwendig. Man betrachte die beiden Holzschnitte: jeder Strich „zieht“; er modelliert mit dem Kontur, mit der Linie weiss er das Schwellende des Körpers wiederzugeben, mit zwei dunklen Punkten das Funkelnde der Augen. Der Körper leuchtet. Und die Verteilung von Schwarz und Weiss: der ganze Raum ist angefüllt von „Licht und Luft und bewegendem Leben“ – daher die Grösse des Eindruckes auch bei dem kleinsten Format.
Darin beruht die Poesie der wahren Malerei: mit den ihr eignen Ausdrucksmitteln, d. h. mit der Zeichnung und Farbe das Gefühl von Licht und Luft uns vorzuzaubern; sonst ist sie vielleicht Poesie oder Musik, keinesfalls aber Malerei.
Wie jeder wahre Maler, ist Manet vom höchsten sinnlichen Reize. Die Mathematik in seiner Kunst ist völlig versteckt. Aber hinter der scheinbaren Zufälligkeit verbirgt sich die vollkommenste Kunst der Komposition und die Kultur der Holländer, Spanier und – last not least – der Japaner.
Was er macht, ist eine Freude anzuschauen; jedem Material weiss er seinen geheimsten Zauber zu entlocken: welche Sattheit der Farbe, welche Fülle des Tons selbst in diesen kleinen Schwarz-Weiss-Blättchen; diese Kraft und dabei die Zartheit! Die wunderbaren Aktzeichnungen Rembrandts im Amsterdamer Kupferstichkabinett fallen mir ein: nur Rembrandt wusste mit so wenigem so viel zu geben!
Und das sollte keine Kunst sein? Weil die Alten es anders gemacht haben?
Wer das behauptet, beweist nur, dass er von alter Kunst ebensowenig versteht wie von moderner. Denn es giebt nur eine Kunst: die lebt, ob sie alt ist oder modern. Was jung geblieben an der alten Kunst, wird an der modernen Kunst jung bleiben. Das übrige veraltet.
Wer aber an der alten Kunst anderes schätzt als das Leben, läuft Gefahr, nicht das Werk der alten Meister zu schätzen, sondern in den meisten Fällen nur das Werk des Restaurators.
UEBER LANDSCHAFTSMALEREI
VON
ALFRED SISLEY
Aperçüs über Kunst niederschreiben, was man heutzutage so etwa sein ästhetisches Glaubensbekenntnis nennt: das scheint mir eine recht heikle Sache zu sein, und wenn ich es versuche, muss ich gleich an Turner denken und an eine Anekdote, die mir von ihm erzählt wurde. Er ging von ein paar befreundeten Malern fort, wo nicht schlecht über Malerei gerauft worden war. Im Innern hielt natürlich jeder seine Kunst für die beste, äusserlich versuchte aber jeder, diese Vorliebe hinter grossen Worten und schönen pompösen Theorien zu verbergen. Während der ganzen Diskussion hatte Turner kein Wort geäussert. Auf der Strasse erst wendete er sich an einen Freund, der ihn begleitete, und sagte: „Eine zu komische Sache, die Malerei, was?“
Denselben Widerwillen, den Turner empfand, Theorien aufzustellen, empfinde auch ich und glaube, dass es tausendmal leichter ist, mit dem grossen Mund ein Meisterwerk zu schaffen, als mit dem Pinsel oder einem anderen Material.
Doch ohne irgend welchen Anspruch darauf zu erheben, eine Art Vortrag über die Landschaftsmalerei zu halten, werde ich ganz einfach sagen, was ich darüber denke.
Das Interesse an einem Bilde beruht auf verschiedenen Ursachen.
Das Sujet oder das Motiv muss stets in einer für den Beschauer einfachen, verständlichen und packenden Weise wiedergegeben werden.
Der Maler muss den Beschauer zwingen durch Fortlassen alles überflüssigen Details denselben Weg mit ihm zu gehen und sofort das zu sehen, was den ausübenden Künstler gepackt hat.
Auf einem Bilde giebt es immer ein Eckchen, das man besonders liebt.
Dies bildet einen besonderen Reiz von Corot und auch von Jongkind.
Neben dem Sujet liegt das Hauptinteresse innerhalb der Landschaftsmalerei in dem Leben und in der Bewegung.
Und darin liegt zugleich auch die Hauptschwierigkeit. Seinem Werke Leben einzuhauchen, ist die unerlässliche Bedingung für den echten Künstler. Alles muss dazu beitragen: die Form, die Farbe, die Ausführung. Die Erregung des Schaffenden erzeugt das Leben und erweckt dieselbe Erregung beim Beschauer.
Und obgleich der Maler über seinem Werke stehen soll, so muss in gewissen Momenten die Ausführung leidenschaftlich sein, um dem Beschauer die Erregung zu suggerieren, die der Künstler empfunden hat.
Daraus sehen Sie, dass ich für eine verschiedenartige Ausführung auf ein und demselben Bilde bin. Das ist nicht die landläufige Meinung, doch glaube ich recht zu haben, hauptsächlich wenn es sich darum handelt, Lichteffekte wiederzugeben. Denn die Sonne mildert manche Teile der Landschaft und hebt andere kräftiger heraus, und diese Lichtwirkungen, die sich in der Natur beinah materiell nachweisen lassen, müssen auch materiell auf der Leinwand wiedergegeben werden.
Es ist wichtig, dass die Gegenstände richtig und fest aufgebaut sind, absolut notwendig ist aber, dass sie von Licht umflutet dargestellt werden, wie sie es in der Natur sind.
Der Himmel muss das Mittel dazu sein. Er darf nicht nur als Hintergrund behandelt werden. Er hat nicht allein die Aufgabe, dem Bilde Tiefe durch seine verschiedenen Pläne zu geben – denn auch der Himmel hat Vorder-, Mittel- und Hintergrund wie das Terrain – sondern er belebt es auch durch seine Wolkenbildungen.
Giebt es etwas Herrlicheres und Bewegteres als einen blauen Himmel mit leichten weissen Wölkchen, wie man ihn oft im Sommer sieht? Welche Bewegung, welcher Schwung darin, nicht wahr?
Er hat dieselbe Wirkung wie die Welle, wenn man auf dem Meer ist: man wird begeistert, hingerissen. Und ein anderer Himmel, später, am Abend. Die Wolken dehnen sich länger, fliessen zusammen wie das Wasser am Kiel des Schiffes; sie scheinen in der Luft erstarrte Wirbel zu sein, bis sie nach und nach, von der untergehenden Sonne eingesogen, verschwinden. Solch ein Himmel ist noch zärtlicher, melancholischer; er hat den Reiz der Dinge, die Abschied nehmen, und ich liebe ihn ganz besonders.
Nun will ich aber nicht etwa alle Himmel aufzählen, die dem Maler lieb sind. Ich habe hier nur von solchen gesprochen, die mich vor allen andern anziehen.
Auf diesen Teil des Landschaftsbildes bin ich so ausführlich eingegangen, um Ihnen zu beweisen, welchen grossen Wert ich darauf lege.
Als Fingerzeig diene: ich fange immer ein Bild mit dem Himmel an…
Welches meine Lieblingsmaler sind? Um nur von den Zeitgenossen zu sprechen: Delacroix, Corot, Millet, Rousseau, Courbet – unsere Meister. In kurzen Worten: alle jene Künstler, die die Natur geliebt und stark empfunden haben!
REMBRANDT
VON
JOZEF ISRAELS
Es war so etwa gegen die Hälfte des vorigen Jahrhunderts, dass ich nach Amsterdam ging, um mich unter der Leitung des damals sehr renommierten Porträtmalers Krusemann zum Maler auszubilden. Bald erhielt ich Zutritt in das Atelier meines Meisters und sah mit Bewunderung die Porträts von vornehmen Personen Amsterdams, an denen er gerade arbeitete. Die Rosafarbe der Gesichter und die feine Behandlung der Stoffe, die sich manchmal vor einem Hintergrund mit dunkelrotem Sammet abhoben, gefielen mir sehr. Als ich den Wunsch ausdrückte, einige dieser Porträts kopieren zu dürfen, wurde mir dies von meinem Lehrmeister rundweg abgeschlagen. ‚Wenn Du kopieren willst,‘ antwortete er, ‚dann gehe nach dem Museum im Treppenhaus.‘ Ich wagte nicht, es einzugestehen, dass dies eine grosse Enttäuschung für mich war, ich war so grasgrün aus der Provinz gekommen und die alten Meister waren für mich noch ein Geheimnis, denn ich konnte in den alten Gemälden und in dieser dunkeln Leinwand die Schönheit nicht entdecken, die von jedermann gerühmt wurde, für mich waren die Ausstellungen in ‚Arti‘ viel schöner und ich bewunderte besonders