Capitain Silwitch hatte sich indessen wohl gescheut, den hellen Wasserstreifen zu durchfahren, den das jetzt bis in die Masten hinauf brennende Fahrzeug zwischen sich und seinen Verfolgern ließ, aber er durfte auch keine Zeit versäumen, denn der Feind mußte gewaltig schnelle und tüchtige Canoes haben, daß er es nur gewagt hatte, ihnen bis hier heraus zu folgen. So, auf ihre eigenen guten Boote vertrauend, hielten sie gerade nach Süden hinunter und einmal wieder weit genug von dem hellen Schein entfernt, hofften sie auch in der Dunkelheit der Nacht dem Feinde entgehen zu können.
Ein neuer Signalschuß des fremden Fahrzeugs, dessen Capitain den Booten die Stellung seines Schiffes zu zeigen wünschte, tönte schon um vieles näher, und Capitain Silwitch hätte jetzt gern ein Gewehr abgefeuert, dem ziemlich unter dem Wind befindlichen Fremden die Richtung anzudeuten, in der sie sich selbst befanden, mußte er nicht zugleich fürchten, dadurch auch den vielleicht nähergekommenen Verfolgern die Stelle zu verrathen.
Sein Boot, das größte Segel führend, war das erste, die andern vielleicht in zwei- und dreihundert Schritt Entfernung folgend, und Einer der Bootssteuerer war vorn in dem Bug postirt, scharf auszuschauen, ob er nicht vielleicht doch gegen den etwas helleren Horizont das jetzt keinesfalls so weit mehr entfernte Schiff entdecken könne.
„Hallo, Capitain!“ rief dieser plötzlich, „da vorn sah ich eben etwas Dunkles, als sich das Boot auf der Welle hob, es sah aus wie ein Boot.“
„Hab' Acht, wenn es wiederkommt,“ lautete die Antwort. Die nächste Woge, jetzt nicht mehr durch den Wind gepeitscht, aber noch immer in schwerer Dämmung, kam hinter ihnen drein, und rechts und links von dem Boot ihren zischenden, glühenden Schaum ausgießend, hob sie das schlanke Fahrzeug auf ihren Nacken über die nächsten Wellen. Ehe aber nur der Mann eine weitere Meldung machen konnte, schallte ein gellender Jubelruf, schrill und furchtbar an ihr Ohr, und:
„Hierher, hierher, Tangata Tonga!“ jauchzte die emporspringende Maid den Rettern entgegen. – „Hierher zu Hilfe!“ und die Arme emporschlagend, wollte sie sich eben in die schäumende See werfen, als Silwitch seinen linken Arm um sie schlang und die sich wild gegen ihn Sträubende festhielt und zu sich zog. Aber Tai manavachi hatte den Ruf gehört und erkannt, und während die Europäer in wilder Hast ihre Waffen aufgriffen und der Bug des Bootes, wie selber ein lebendiges Wesen, vor der Nähe des Feindes zurückscheuchend abfiel von seinem Cours, schoß auch das mächtige dunkle Canoe heran, und zwanzig drohende Gestalten, unter denen her jetzt die andern Canoes preßten und ihren antwortenden Jubelruf durch die Luft sandten, streckten die Arme aus, die Larbordseite des eingeholten Bootes zu fassen und zu halten. Durch die zerrissenen Wolken trat in diesem Augenblick die bleiche Mondessichel und warf ihr fahles silbernes Licht auf die wogende See.
„Ergib dich, Pagalangi, ergieb dich!“ schrie da der junge Häuptling, der die Gestalt der Geliebten in dessen Arm sich winden sah; „ergieb dich, denn ihr seid in meiner Hand!“
„Zurück! oder Hua ist eine Leiche!“ donnerte ihm aber des Weißen Ruf entgegen, der sein Messer aus der Scheide riß und es über dem Mädchen zuckte – er sah doch, daß hier Widerstand vergebens war, und wollte das letzte Mittel versuchen, sich und die Seinen vor Gefangenschaft oder Tod zu retten, dachte aber gar nicht daran, der armen, durch ihn verrathenen Maid ein Leides zu thun, und flüsterte ihr rasch und beruhigend in's Ohr:
„Fürchte dich nicht, Hua – dieser Arm sollte eher verdorren, ehe er dich träfe; und wenn sie mich tödteten, ich hätte keine Waffe für dich!“
„Fürchten?“ rief aber die Jungfrau, wild und zornig ihm in's Auge schauend; „fürchten? stoß zu, Pagalangi, wenn du Muth hast, aber du bist verloren. Hierher, Tai manavachi,!“ schrie sie dann in trotziger Kühnheit nach dem Geliebten hinüber; „hier ist der Räuber deiner Braut – triff ihn sicher und kehre dich nicht an mich!“
„Hua, Hua!“ rief aber der junge Häuptling, den Arm bittend und schützend gegen sie ausstreckend; „gib sie frei, Fremder, wirf das Messer von dir und deine Boote mögen ungehindert von mir jenes Schiff suchen – schädige ihr aber nur eine Locke ihres Hauptes, und zerreißen will ich dich auf langsamem Feuer!“
„Du sicherst mir unser Leben und unsere Freiheit?“ rief der Europäer.
„Ich geb' dir mein Wort!“ rief der Häuptling stolz, während die beiden Fahrzeuge jetzt rasch und schäumend neben einander hinschossen und die Matrosen ihre freilich von Seewasser durchnäßten Musketen und die gefährlicheren Wallfischlanzen aufgegriffen hatten, dem grimmen Feind im Nothfall trotzig die Stirn zu bieten.
„So geh', Hua!“ sagte Silwitch traurig, sie freigebend aus seinen Armen; „geh' und vergiß den Fremden, der dir weh that, weil er dich so unendlich liebte.“
Hua erwiderte keine Silbe, aber ihr Fuß stand auf dem Rand des Bootes und als der Bug des jetzt dicht an sie hinanschießenden Canoes rasch vorüberglitt, sprang sie mit kühnem Satz hinüber und in die Arme ihres aufjauchzenden Geliebten.
Fast über ihren Köpfen hin dröhnte in dem Augenblick der schmetternde Schlag eines Kanonenschusses und als sie überrascht emporschauten, war das fremde Schiff, dem das brennende Fahrzeug als Mark gedient, so nahe an sie herangekommen, daß das Canoe selbst seinen Bug herumwerfen mußte, nicht überfahren zu werden.
„Teufel!“ schrie Silwitch, ingrimmig mit dem Fuße stampfend, „so dicht am Ziel und doch zu spät!“ Aber in die Nacht hinein, rasch und plötzlich wie sie gekommen, verschwanden die Canoes. Höhnisch noch schlug ihr gellender Triumphschrei an sein Ohr, und Hua war auf immer für ihn verloren.
Das fremde Schiff, ein Bremer Wallfischfänger, braßte seine Segel back, als es die gesuchten Boote so dicht unter seinem Bug sah, Taue wurden übergeworfen, die Mannschaft aufzuholen und die Schiffbrüchigen sahen sich bald Alle an sicherem Bord. Nur ein Boot fehlte noch; auf und ab kreuzte das Schiff, von Zeit zu Zeit noch einen Schuß feuernd nach dem vermißten Boot – umsonst. Bis Tagesanbruch hielt es auf der Stelle, und als die Sonne sich über den Horizont hob, wurden die Tops bemannt, von oben aus vielleicht etwas zu erspähen – es ließ sich Nichts erkennen. Nur in blauer Ferne lag das Land, kein Boot, kein Segel war weiter am Horizont zu sehen und mit scharfangebraßten Segeln, dicht am Wind, hielt das deutsche Schiff mit der geborgenen Mannschaft der „Lucy Walker“ nach Norden auf, den Sandwichs-Inseln zu.
Die Bootsmannschaft
1
Nur einen Theil der Mannschaft ließ das wackere Schiff zurück, denn wie vorher erwähnt, schlug auf der Flucht eines der Wallfischboote um, und die Indianer nahmen die Meisten der Schwimmenden in das für sie zurückgelassene Canoe.
Den Morgen trotzend, blieb das schlanke Fahrzeug an der Stelle halten, wo es die ersten Opfer des Wracks getroffen, und der phosphorisirende Schaum der züngelnden Wellen half ihnen getreulich die dunklen, in Wasser schwimmenden Gestalten zu erkennen, so daß sechs Verunglückte nach und nach ihrem nassen Grab entrissen wurden.
Wohl kreuzten sie noch eine Weile dort auf und ab, zu sehen, ob noch ein Anderer ihre Hülfe in Anspruch nehmen würde. – Aber Alles blieb stumm und still auf der kochenden Fluth. Der schrille Ruf einer aufgescheuchten Möwe tönte hier und da durch die Dunkelheit, oder der Schaum zischte in dem schweren Niederschlagen eines sich überstürzenden Wogenkammes – sonst war Alles ruhig wie das Grab.
Da dröhnte der Signalschuß des fremden Schiffes durch die Nacht, dem der höhnende Jubelruf der Tonga-Insulaner antwortete, und dorthin schwang im Nu der Bug des flüchtigen Canoes, die Freunde einzuholen und sich ihnen wieder anzuschließen.
Den Gefangenen befahl indeß ein federgeschmückter dunkler Krieger, sich mitten in das Boot zu legen, und wenn sie seine Worte auch nicht verstanden, ließ ihnen doch die drohende Geberde und gehobene Waffe keinen Zweifel über seine Absicht. An Widerstand war überhaupt nicht zu denken, und so gehorchten sie denn schweigend dem Befehl.
Das Fahrzeug war