Inselwelt. Erster Band. Indische Skizzen. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Приключения: прочее
Год издания: 0
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verfallenen Schiff, und nur noch das eigene hing unter den Krahnen.

      Eine helle Flammensäule stieg in diesem Augenblick mit blendendem Strahl hoch auf in die Nacht; ein Theil des Decks war eingestürzt und die Gluth brach lodernd hinaus in's Freie.

      „Nieder mit euch, nieder!“ schrie des Capitains Stimme über das Wasser, der mit dem eigenen Boot dicht im Fahrwasser seines Schiffes folgte; „nieder, oder ihr seid verloren!“

      Der Schotte und Pfeife standen an den Tauen, vierten, auf den jetzt rasch gegebenen Befehl des Harpuniers, das Boot nieder, langseits dem Schiff und sprangen dann rasch hinein, Jonas und der ihm aus einem andern Boote beigegebene Legs mit Spunt, dem Böttcher, reichten ihnen die schon bereit liegenden kleinen Fässer mit Wasser und Proviant nach, und ihnen mit dem Harpunier folgend, war Lemon der letzte Mann an Bord.

      „Komm von Bord, Sir!“ rief sein Officier, „schnell! um dein Leben!“

      „Werdet doch wohl warten, bis ich komme?“ knurrte der sauertöpfische Gast in voller Ruhe, und die Handspeiche einschiebend und ein dort liegendes Fall darumschlagend, daß sie nicht wieder herausrutschen konnte, blieb er noch einen Moment stehen, das Deck kopfschüttelnd zu überschauen und stieg dann rasch an der Seite nieder, von halbwegs ab auf eine der thwarts oder Bootbänke springend. Das Boot hatte indeß seine Segel schon gesetzt, löste das Springtau und kam frei, und allein fort schoß der brennende Koloß, wie ein angeschossener Eber seine wilde unbewußte Bahn, die Todeswunde im Herzen, da er nicht mehr entfliehen konnte in toller, blindstürmender Wuth.

      „Habt Acht auf eure Segel!“ rief ihnen der Capitain zu, der mit seinem rascheren Boot gerade an ihnen vorüberschoß, während die jetzt vollkommen ausgebrochene Gluth am Bord der armen „Lucy Walker“ einen hellen Schein über das Wasser warf und alle Gegenstände deutlich erkennen ließ; „das obere Fall da hat sich umgeschlagen.“

      „Wirf es herüber, Jonas!“ rief der Harpunier, der den Steuerriemen in der Hand hielt, „wirf es herüber, Mann, aber rasch, denn das Segel faßt jetzt den Wind nicht genug, und wenn uns die nächste Welle erwischt, füllen wir – Pest und Tod – werft einen Theil der Ladung über Bord, wir gehen ja fast bis an den Rand im Wasser und sind verloren, wenn uns eine einzige Welle überwäscht.“

      Jonas, überhaupt etwas ängstlicher Natur, und mit dem bösen Gewissen, Mitwisser der That zu sein, die sie Alle jetzt in Todesgefahr gebracht, stand zitternd von seinem Sitz auf, dem Befehl Folge zu leisten, während Andere noch unschlüssig zwischen den eingestauten Sachen wählten, was sie hinauswerfen sollten.

      „Rasch, Leute, rasch, damn it, ihr steht da, als ob euch der Compaß gebrochen wäre; faßt zu!“

      Ein schriller, jubelnder Schrei gellte in diesem Augenblick in so furchtbarer Wildheit über das Wasser, daß sich die Leute erschreckt danach wandten, und Jonas das schon gefaßte Tau seiner Hand wieder entgleiten ließ.

      „Teufel!“ fluchte der Harpunier, „die Wilden!“ und in demselben Moment fast antwortete von dem vor ihnen dahinschießenden Boot des Capitains aus ein lauter, weit schallender Hilferuf Huas, dem herausfordernden Schlachtschrei ihrer Landsleute.

      „Wahr' dein Segel, Mann, wahr' dein Segel!“ kreischte der Harpunier, als dieses, durch das verworfene Tau eingepreßt, den Wind nicht faßte und zu flappen anfing.

      „Eure Riemen, Boys, eure Riemen!“ gellte die entsetzte Stimme des Harpuniers, als die ihnen folgende Welle drohend hinter ihnen dreinstürmte. Die Leute griffen auch fast mechanisch nach den Rudern – aber zu spät; hoch über ihnen stand die gläserne, von dem jetzt helllodernden Schiff noch grell beleuchtete See – wenige Secunden fast war es, als ob sie in der Luft, über der sicher gefaßten Beute hing und jetzt ein gellender Aufschrei und die Mannschaft des geschwemmten, überladenen Bootes, rang mit der schäumenden Fluth.

      6

      Durch die tanzenden Wogen, über die leuchtende quillende Fluth schossen die dunklen Canoes der Eingebornen, die Mattensegel geschwellt, heran, und im Bug des vordersten stand eine hohe, edle Gestalt mit wehendem Haar und Hüftentuch, die weite See mit dem Adlerblick überfliegend, wo ihn die stürzende Woge auf ihren Kamm hob und in jagender Schnelle voranriß.

      Es war der junge Häuptling Tai manavachi, der dem Tod selbst trotzend, seine kleine Flotte dem frechen Räuber in Nacht und Wetter nachführte und verzweifelnd schon die trostlose Jagd hatte aufgeben wollen, als der Feuerschein des fremden Schiffes jubelnd von ihm entdeckt wurde. Auch auf den andern Canoes hatten sie schnell die Wahrheit des Unfalls ihrer Feinde begriffen, und der gellende Jubelruf, der Schlachtenschrei ihres Stammes, mit dem sie ihre Lanzen und Speere fester packten, war es, der das Blut des sonst wahrlich unerschrockenen jungen Engländers in den Adern gerinnen machte.

      Hua aber hatte in jauchzender Seeligkeit die Nähe der Freunde gehört, und wenn auch der antwortende Schrei zu schwach war, gegen den Wind an die Retter zu erreichen, wußte sie doch nun, daß die Ihren, den Wogen trotzend, mit kühnem Muth ihren Spuren gefolgt waren, und die einzelnen Boote ihnen jetzt gar nicht mehr entgehen konnten.

      „Ruhig, mein Täubchen, ruhig!“ warnte sie aber drohend der neben ihr stehende Capitain; „die Nacht ist dunkel und deine Stimme dringt doch nicht zu ihnen hinüber, aber auch der Gefahr wollen wir uns nicht aussetzen und – ich möchte dir kein Leides thun – aber wirst du noch einmal laut, so muß ich dich wieder binden und knebeln, so weh mir das selber thäte.“

      Hua blickte wild und trotzig zu ihm empor, aber sie war auch schlau genug, nicht nutzlos den Zorn Derer zu reizen, in deren Gewalt sie sich noch befand, und kauerte von jetzt an still und schweigend im Boot, aber ihre Blicke forschten, die Sehkraft bis zum Schmerze angestrengt, in die Nacht hinaus, die Freunde zu entdecken.

      Ein blendendes Licht breitete sich in dem Augenblicke über die See, und als sie rasch die Blicke dem brennenden Schiffe zuwandten, sahen sie einen hellen Strahl von seinem Deck emporschießen und ein dumpfer Krach verkündete die Explosion des Pulvers. Das Fäßchen hatte aber zu hoch unter Deck gelegen, dem Rumpf des Schiffes weiteren Schaden zu thun, als das Deck oben zu sprengen und den Besahnmast zu splittern, der jetzt in lichten Flammen einen Moment zur Seite schwankte, und dann schwerfällig und tausend und tausend Funken emporwerfend, über Bord in See schlug.

      „Mein armes Schiff!“ seufzte der Capitain und blickte traurig herüber, da traf ein anderer Ton sein Ohr und „ein Schuß!“ rief fast die ganze Bootsmannschaft wie aus einem Munde.

      „Ein Schuß!“ – Ein Schiff war in der Nähe, das ihre Noth erkannt, und das Signal gab zur Rettung – ein Schuß, und von Gefahr umringt, zeigte sich Hilfe. Der Schall kam aber vom Süden herauf, und sie mußten ihren Cours jetzt ändern, die Boote deshalb zusammenrufend – das Sinken des einen war in der Erregung des Augenblicks von den andern gar nicht bemerkt – legten sie rasch über den andern Bug, schräg von den Wellen abschneidend und konnten der Richtung, die ihnen jetzt ein zweiter und dann bald darauf folgender dritter Signalschuß angab, genau folgen. Einmal an Bord und die Canoes, denen sie bis dahin zu entgehen hofften, waren ihnen nicht mehr gefährlich.

      Tai manavachi kam indeß mit geblähten Segeln und sieben vollbemannten großen Kriegscanoes durch die Wellen schäumend an; ein Brautzug hatte es werden sollen und war eine Jagd geworden auf den Räuber seines Theuersten, was er auf dieser Welt kannte, und wie die jetzt schon sehr gemäßigte, aber doch noch immer frische Brise mit den flatternden, wehenden Zierrathen am Bug der schlanken, wunderlich geschnitzten Fahrzeuge schlug und spielte, standen die wilden, trotzigen, kriegerischen Gestalten, hinaus in die Nacht spähend, am Bord, die geflüchteten Boote zu erkennen und zu verfolgen.

      Ein Hilferuf traf ihr Ohr, neben ihnen im Wasser schrie sie ein Schwimmender an um Rettung, und treibende Ruder und Sitze verriethen ihnen rasch genug das Schicksal wenigstens eines der Boote. Einen ängstlich suchenden Blick warf der junge Häuptling umher – wenn gerade dies Boot – doch nein, sein Herz zog ihn weiter, und nur dem nächsten Canoe ein paar Worte zurufend, das rasch zur Seite schoß und seinen Bug gegen die nächsten Wellen anwarf, hier zu halten und die Verunglückten aufzunehmen, verfolgten die Rächer unaufgehalten ihre Bahn.

      Da dröhnte auch zu ihnen der Krach des explodirenden Pulvers herüber, aber mehr