Die Herrin und ihr Knecht. Georg Engel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Engel
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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deswegen allein hast du doch deine Mutter nicht zu der Fahrt veranlaßt? Heraus damit, was führst du noch im Schilde?«

      Verwünscht, da war wieder eine jener niederträchtig kurzen Fragen, auf die seine schwerfällige Unterhaltungsgabe nicht sofort eine Antwort zu erteilen wußte. Herrgott ja, man plante ja allerlei Heimliches, sogar seit Jahren, man trieb sich viel öfter auf dem Hofe von Maritzken herum, als es eigentlich durch die Verwandtschaft oder eine treue Nachbarlichkeit bedingt war, weil man eben dachte – weil man doch zum Schluß wünschte, daß – daß – Zum Kuckuck, es wurde eben nichts daraus, weil das große blonde Weib, das in der Statur so hübsch zu einem paßte, nichts, aber auch gar nichts Entgegenkommendes oder Aufmunterndes zeigte, was einem die schwere Sprache vielleicht gelöst hätte. Und auch in diesem drängenden Moment hätte der Riese das, was ihn im Grunde bewegte, und was längst die Billigung der Frau Mama gefunden hatte, ohne deren Ja und Amen man ja schließlich nichts unternehmen konnte, ja, er hätte all das Verborgene gerade jetzt viel sachter und zarter einkleiden können. Aber nun, als man ihm wieder mit einer solch brüsken Deutlichkeit auf den Leib rückte, da vermochte sich der Herr von Sorquitten nur auf den alleräußerlichsten Grund zu besinnen, den man im letzten Ende doch nur als guten Vorwand aufgespart hatte.

      »Was es gibt – was ich will –,« murmelte er aufgescheucht, wobei seine blauen Augen Unterstützung heischend nach dem regungslosen Antlitz seiner Mutter hinüberirrten. »Herrgott, Hans, das ist doch klar, das ist doch furchtbar einfach.«

      »Na, dann sag es doch!«

      »Ja, sieh mal, ich meinte – das heißt, meine alte Dame ist gleichfalls der Ansicht – wenn es losgehen sollte, dann könnt ihr Mädels doch unmöglich in der glatten Feuerzone bleiben. Und da hatten wir so ganz gemütlich unter uns verabredet, daß es am sichersten wäre, wenn du deine Schwestern nach Berlin schicktest. Du selbst aber –«

      »Nun also?«

      »Herrgott, sieh mal, es wäre doch so einfach –«

      Indessen das Augenpaar der Ältesten von Maritzken ruhte wieder zu scharf, zu kühl und zu forschend auf dem Männerantlitz, als daß Herr von Stötteritz, der doch die Charge eines Landwehr-Rittmeisters bei den Göben-Ulanen bekleidete, die Gewandtheit besitzen konnte, die wohlausgedachte Attacke zu vollenden. Diese niederträchtigen, komischen Weibsbilder, was sie einem für Beschwerlichkeiten bereiteten. Es war ein reines Glück, daß sich jetzt aus dem Seidenfauteuil das bekannte scharfe Räuspern vernehmen ließ.

      »Liebe Johanna,« sagte die Frau Mama in ihrer unveränderlich starren Haltung, »mein Junge stottert ja leider. Wahrhaftig, er benimmt sich, als ob man vor jemandem, dem man zu nützen wünscht, noch einen Fußfall machen müßte. Kurz und gut, liebes Kind, so schwer es mir fällt, ich habe mich entschlossen, Sorquitten zu verlassen, um während der nächsten Zeit in die geschützte Provinzialhauptstadt überzusiedeln. Wir besitzen ja dort sowieso ein bescheidenes Absteigequartier. Und da wollte ich dir vorschlagen –«

      »Jawohl, wir wollten dich bitten,« fiel hier der Sohn, dem alles viel zu lange währte, ohne besondere Umstände ein, »wir wollten dich bitten, ob du nicht meine Mutter begleiten möchtest.«

      »Um Gottes willen, ich?«

      »Jawohl, was ist da groß zu überlegen und um Gottes willen,« beharrte nun der Gutsbesitzer bereits etwas erhitzt, weil die Cousine nicht sofort mit beiden Händen zugriff. »Du bleibst dann für alle Fälle hier in der Nähe. Und du könntest dich ja vielleicht auch, um dich zu beschäftigen, ein wenig um die Pflege meiner Mutter kümmern.«

      So, damit war so ziemlich für die Zukunft vorgesorgt. Und während sich Tante Adelheid dem Fenster zuwandte, um eine blaue Taube zu beobachten, die auf dem Blech herumstolzierte, da zog sich ihr Sohn gleichfalls den nächsten gelbseidenen Fauteuil heran und ließ sich krachend in das Polster fallen, als ob nun das schwierige Geschäft in schönster Ordnung und beendigt wäre. Gemütlich pfiff er halblaut durch die Zähne, streckte die gewaltigen Beine von sich und faltete die Hände kreuzweise über der Brust. Jedenfalls hatte man nun seine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit gegen das störrische, unliebenswürdige Mädel erfüllt. Jetzt konnte sie tun, was sie Lust hatte.

      Eine lange Zeit erhob sich kein Laut in dem weiten Zimmer, nur ab und zu vernahmen die drei Menschen, die sich gegenseitig beobachteten, einen eigentümlichen metallischen Ton. Der rührte von der Taube her, die draußen auf dem Fensterblech herumpickte. Endlich jedoch wandte sich Frau von Stötteritz dem schweigenden Mädchen zu, denn sie fand, daß man der Hausherrin nun genug Zeit zur Überlegung gegönnt hätte. Und ihre Stimme klang sehr bestimmt und deutlich, als sie sich nun erkundigte, ob ihre Nichte innerhalb von zwei Tagen die angekündigte Reise antreten würde. Aber wie erstaunten die beiden Adligen, ja Fedors Mutter entsetzte sich geradezu, als statt einer Antwort von dem Tisch her ganz plötzlich und gegen jede Erwartung ein helles Lachen auftönte, das sich in der scharf dagegen absetzenden Stille immer mehr verstärkte, als ob eine innerliche Befreiung damit verbunden wäre.

      »Aber liebe Johanna, das finde ich doch in hohem Maße eigenartig,« suchte sich endlich die alte Dame gegen diese absonderliche Weise zur Wehr zu setzen. »Was meinst du, Fedor?«

      Jedoch auch der Riese vermochte sich die verletzende Heiterkeit auf einen so ernsthaften und gut gemeinten Vorschlag natürlich noch viel weniger zu erklären. Stumm und ungläubig streckte er noch immer die Beine weit von sich, und nur die gefalteten Hände reckten sich aus, so daß die gespreizten Finger ein kurzes Knacken vernehmen ließen.

      »Ja, Johanna, Menschenskind, was soll denn das heißen?« vermochte er nur undeutlich über die Lippen zu bringen.

      Aber jetzt hatte sich endlich die Älteste von Maritzken auf sich selbst besonnen. Rasch entschlossen schritt sie auf die alte Dame am Fenster zu, und ehe es die Leidende noch hindern konnte, wurde ihr von dem Landfräulein kräftig die Rechte gedrückt. Auch eine Art der Verständigung, die die Edelfrau nicht schätzte.

      »Liebe Tante,« hörte sie dicht vor sich das dunkle Organ ihrer Nichte anschwellen, das jede Dämpfung der Unruhe verloren zu haben schien, »wirklich, ich merke sehr genau, wieviel Wohlwollen sich hinter deiner gütigen Aufforderung verbirgt. Und auch du, bester Vetter,« wandte sie sich ein wenig zurück, »bist im Grunde ein guter Kerl. Aber ihr dürft es mir nicht übel deuten, daß ich mir die ganze Situation, die so plötzlich über mich hereinbricht, nach meiner Gewohnheit im stillen und ungestört überlegen möchte. Nicht wahr, ihr seid nicht böse,« fügte sie freundlich an, »wenn ich zu diesem Zweck ein paar Schritte auf meinem Hof herumlaufe, um mir den Wind ein wenig um den Kopf streichen zu lassen. Dort unten befindet sich ja seit alters her meine große Ratsstube. Und ich muß erst mehrfach an die Stalltüren geklopft haben, um ganz mit mir einig zu sein. Inzwischen schicke ich euch natürlich Marianne oder Isa herein, die ihr ja ohnehin noch nicht begrüßt habt. Du erlaubst, liebe Tante.«

      Und ohne eine Bestätigung abzuwarten, nickte die bereits Aufbrechende ihren beiden betroffenen Verwandten zu und verließ mit ihrem festen, majestätischen Gang das große Gemach. Zwischen den Zurückbleibenden jedoch entspann sich eine kurze, inhaltsschwere Unterhaltung.

      »Siehst du,« bedeutete die Mutter ihrem Sohn, der seinen Blick noch nicht von der hohen weißen Tür fortzulenken vermochte, hinter der Johanna eben verschwunden war, »wie wenig Anhänglichkeit das Mädchen besitzt? Ich glaube, du täuschst dich in ihr. Ihr seid zwar beide im Alter nicht viel voneinander geschieden, aber bei ihr erzeugten die Jahre oder auch die Gewohnheit des Befehlens eine nicht zu brechende Selbstsicherheit, die nicht immer angenehm anmutet. Manchmal kommt sie mir wie ein Stachelzaun vor, der jedem Fremden den Weg sperrt.«

      »Liebe Mutter, sie ist ein braves, wahres und aufrechtes Geschöpf,« verteidigte der Sohn, indem er eine ihm plötzlich über die Stirn huschende Röte mit der flachen Hand fortzuwischen strebte, »gerade weil sie alle die Firlefanzereien und Maskeraden verachtet, die andere Frauenzimmer doch nur anwenden, um anständig unter die Haube zu gelangen, deswegen hege ich eine entschiedene Achtung vor ihr.«

      »Dagegen habe ich ja auch gar nichts einzuwenden, mein guter Junge, ich fürchte nur, es wird bei der gegenseitigen Achtung bleiben. Wie?« richtete sich die alte Dame unvermutet auf und schlug unwillig auf ihre seidene Tasche, »ein Mann wie du, der Rittmeister von Stötteritz, mein Sohn, kann es nicht