Hann Klüth: Roman. Georg Engel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Engel
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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das weiß ich nich, darauf versteh ich mich nich. Da wird schon einer kommen. – Aber nu – nu mit Hann. – Hann, wein' nich, du kannst da auch nichts für. Lernt nichts – und hat nichts gelernt – oh, Siebenbrod, den mußt du hier anbändigen. Is'n guter Jung, un 'n Boot regiert er auch ganz gut. Den müßt ihr hier so nebenher mit auffüttern. – O je, Hann, wein' nich, du kannst da auch nich für. – Siebenbrod, klopf' mich auf den Rücken. – Und nu, nu ruf mir die Lotsen mal her – du sagst doch, sie stehen hier an der Tür, die Kollegen. Na, denn soll'n sie raufkommen. Ja, 's is gut, Siebenbrod, ruf 'runter!

      »Je, da seid ihr ja, ihr zwei, oll Kusemann un Friedrich Pagels. – ? – Je, nu nehmt man an, vor vier Wochen nu noch Dienst getan – und nu jetzt soll's losgehn. – Na, oll Kusemann – ich dank dir auch, daß du das mit Hann so gut meinst, dem armen Jung. Aber tu mich den Gefallen, mußt ihm auch nich mehr so viel dumm Zeug erzählen. Und du, Pagels – na, hast du auch wieder das verschnürte Bein? – Ja, ja, auf die Art geht das mal mit uns allen zu Ende. – Ich wollt dich fragen, ob du wohl mein zweites Boot kaufen willst. 's kann ein Zesner draus gemacht werden. Ganz bequem. Und du hast doch die Erbschaft getan und kannst gleich bezahlen. Und bei mir is das man – mit dem Begräbnis – verstehst du – es muß doch gleich Geld da sein. Und wir haben nu so viel eingebrockt durch die Krankheit und das alles. Und wenn du zweihundert Taler so geben würdest – Weniger? – Na, einhundertachtzig. Aber dafür is 's halb umsonst, nich war, Siebenbrod? Also, 's is zwischen uns abgemacht, Friedrich Pagels – ihr habt's gehört. —

      »Und – und – Paul, komm her, du büst mein Paster, sing was Geistliches, ein schönes Gebet, du kannst ja – Und, und Mudding, ich dank dich auch für alles – und – und der Kauf mit Friedrich Pagels ist abgemacht – und Lining – un – un Hann – un – abgemacht – is – allens!«

      »Nu 's vorbei,« murmelte der aufgeschwemmte Lotse mit dem verschnürten Bein, dem die Wassersucht deutlich anzumerken war.

      »Das is es,« flüsterte oll Kusemann und schlich zu Hann. Und nach einer Weile sagte er ganz leise: »Mich war's, als wenn ich so was Graues an den Fenstern hätt' entlangflattern sehn.«

      »Wollen ihm die Augen zudrücken,« sagte der riesige Siebenbrod und näherte sich vorsichtig dem Bett. Und als er seine Pflicht erfüllt hatte, brachte er noch stockend heraus: »Schlaf woll, Herr Klüth.«

      III

      Es war am Abend nach dem Begräbnis.

      Da begab sich folgendes:

      Die leidtragenden Fischer und Lotsen, die so altertümlich in ihren weit abstehenden, schwarzen Gehröcken und den unförmigen, pudligen Zylindern aussahen, waren nach einem reichlichen Leichenschmaus abgezogen. In dem Stübchen, in dem der Kranke so lange gelegen, blieben nur seine beiden Ältesten zurück, um in einem alten Rollpult nach Papieren zu suchen, die der Verstorbene vielleicht hinterlassen. Es sollte eine Verschreibung des Magistrats auf eine Pension vorhanden sein.

      Wenigstens hatte sich oll Kusemann während des Leichenschmauses bei einem Glase Kirschlikör urplötzlich darauf besonnen.

      Wenn das wirklich ausnahmsweise kein Geflunker war! Wenn das Wahrheit wäre! —

      Fast ohne zu sprechen suchten die beiden.

      Das Fenster stand offen. Man wollte auslüften. Unterdes befanden sich die andern Trauernden auf dem Hofe hinter dem Häuschen.

      Es war ein kleiner, ungepflasterter Hof. Rings herum ein Bretterzaun, an dem rote Johannisbeersträucher in die Höhe rankten. In der Mitte ein niedriges, grünmoosiges Rohr, die Pumpe. Ganz in der Ecke, auffallend niedrig, mit Moos und Schindeln gedeckt, ein Stall für drei Kühe und daneben, nicht größer als eine Hundehütte, ein hölzerner Schweinekoben.

      Aus ihm drang Schnuppern und Schnaufen den ganzen Tag. Auf dem schrägen Dach jenes Kobens saßen an diesem Abend Hann und Line.

      Beide in ihren schwarzen Traueranzügen.

      Der Junge ungeschlacht, wie ein verzauberter kleiner Schornsteinfeger; das Mädchen vornehm, wie die Prinzessin, die den Schweinehirten heiratet.

      In dem Kuhstall aber weilte noch ein anderes Paar. Ein älteres. Hier saß die Witwe, die kleine Frau Klüth, mit ihrem vergrämten Gesicht auf einem Schemel und verrichtete langsam und trauervoll ihr abendliches Werk. Sie melkte ihre wohlgenährten, glänzenden Kühe.

      An der Schwelle, leicht an den Pfosten angelehnt, sah Dietrich Siebenbrod, gleichfalls im Trauerrock, diesen Geschäften nachdenklich zu.

      Er hatte eine kleine Pfeife in der Hand. Aber er rauchte nicht. Er hielt das in diesen Augenblicken für unschicklich.

      Ein wundervoller Herbstabendglanz lag auf dem Fischerdörfchen.

      Bäume und Dächer leuchteten einen unbestimmten matten Schimmer. Am Himmel zogen lichtrosige Wolken dahin. Rosig durchleuchtet ringelte sich Rauch aus den Schornsteinen. Überall tiefe Ruhe. Nur vom Bodden strich ab und zu ein leichter Windzug daher, und dann sah man fern durch die Bäume und Büsche, wie die See draußen ihre Farben änderte.

      Ein Jagen von Grün und Zitterblau!

      Dann wieder Stille.

      Da regte sich Line auf dem Koben.

      »Sprich was,« sagte sie zu Hann und stieß ihn leicht an den Arm. »Es ist so häßlich, das Stillsein.«

      Sie fürchtete sich heimlich. Denn ununterbrochen, klammerfest wurde sie von diesem einen Bilde gefangengenommen, wie die Lotsen den Sarg heruntergelassen, die Erdklumpen hohl daraufgekollert, und wie oll Kusemann hinter ihr, scheinbar absichtslos, die Worte geflüstert: »Sieh, wenn die letzte Handvoll drauf liegt, dann macht sich die Seele auf ihren Weg.«

      »Ja, dann macht sie sich auf den Weg,« ging es ebenfalls durch Hanns Gedanken, denn auch er hatte, ohne daß Line davon wußte, die Worte oll Kusemanns wohl vernommen.

      Und zum erstenmal – an dem dunklen Grab – regte sich bei dem blöden Jungen, dem das Lernen versagt war, eine nachdenkliche Frage.

      Jetzt sprach er sie aus. Langsam und stockend in den lichten Abend hinein, während unter ihm die Schweine schnüffelten und ganz nahe die Milch in den Eimer klatschte.

      »Lining,« begann er, »hast gehört, was oll Kusemann sagte? – Weißt du, was 'ne Seel' is?«

      »Nein – laß,« versetzte die Kleine ängstlich und zog an ihrem Kleid. »Aber oll Kusemann meinte ja vorgestern, sie säh' grau aus.«

      »Ja, grau sieht sie aus,« nickte der Junge schwerfällig, »denn irgend 'ne Farb' muß sie haben. Schweine sehen gelb aus und Rosen rot, und Seelen werden dann woll grau sein.«

      »Vaters Seel' is nu im Himmel«, – sagte Line geheimnisvoll. »Sieh, da oben, wo die rote Wolke geht, da oben sitzt er gewiß und sieht zu, wie hier das Vieh gefüttert wird. Das hat er sonst ja auch immer gemacht. – Meinst du nicht, daß er's da oben gut hat?«

      »Das hat er,« bestätigte Hann ernsthaft.

      »Woher weißt du das?« fragte Line rasch.

      Hann rückte eine Weile hin und her, als getraue er sich nicht recht. Dann beugte er sich vor, warf einen spähenden Blick in den Kuhstall hinein und schob sich endlich ganz dicht an Line heran, so daß die beiden Köpfe sich eng berührten.

      Sonst ließ ihn Line nie so nahe heranrücken, ohne die Hand gegen ihn zu erheben.

      »Ich weiß, daß er's gut hat,« brachte der Junge scheu hervor und seufzte, als wenn ihn ein Geheimnis drücke. »Aber sieh, du mußt es Paul nicht sagen.«

      »Was denn, Hann?«

      Wieder ein schwerer Atemzug, dann rasch: »Ich hab neulich in den Himmel reingekuckt.«

      »Du?«

      »Ja, ich.«

      »Womit?«

      »Oll Kusemann hat in seinem Wetterhaus ein Rohr. Damit kann er in den Himmel kucken. Und da hat er es mir auch gezeigt.«

      »Hann – Hanning, und was hast du da gesehn?«

      »Lauter