Rittmeister Brand; Bertram Vogelweid. Marie von Ebner-Eschenbach. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie von Ebner-Eschenbach
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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als das Unerwartetste, Unglaublichste geschah, als er den Dienst aufgab. Da bewährte sich Peter Peters, da bethätigte er die Liebe und Dankbarkeit, die sich allmählich in ihm gesammelt, aber nie einen Ausdruck gefunden hatte. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, als ob es nicht anders sein könnte, brachte er sein Opfer. Er verließ den Dienst, das Regiment, seinen Sinbad und folgte dem Rittmeister, der ihn vor Jahresfrist zu seiner Ordonnanz gemacht hatte, »ins Civil«.

      Dummer Peter, treuer Peter, dachte Brand, als diese Erinnerungen in ihm aufstiegen, und mit ihnen zugleich alle die anderen, die er nie wissentlich, nie mit Willen herauf beschwor, die er am liebsten ruhen ließ. Er seufzte schwer. Was vorbei ist, ist vorbei; ein Schwächling, der widerbellt gegen die Notwendigkeit. Wenn er noch so tief überlegte, mußte er sich sagen: Alles, was geschehen war, war regelrecht geschehen. Brand hatte gehandelt, wie er seinem Charakter nach handeln mußte, wie er, in dieselbe Lage versetzt, noch einmal handeln würde. Keine Reue – darüber nicht. Er ließ den Kopf auf die Brust sinken – darüber nicht!

      Schattengleich zog eine schlanke Mädchengestalt an seinem innern Auge vorbei, und er streckte mechanisch abwehrend die Hand gegen sie aus, die in ihrer Lieblichkeit vor ihm aufgetaucht war.

      Verdrießlich über die Träumerei, in die Peters scheinbare Treulosigkeit ihn versetzt hatte, richtete er sich entschlossen auf und schrieb an ein Dienstvermittlungsbureau, das er täglich in seiner Zeitung angekündigt fand. Dann erhielt Peter Peters den Befehl, den Brief abzugeben. Das war für den Mann ein großer Schmerz. Er hätte gern Einwand erhoben, und brachte es doch nur zu einem: »Aber Herr Rittmeister,« weil seine Stimme in einem Schluchzen erstickte, das um keinen Preis vor dem strammen Herrn laut werden durfte.

      So trug er das unselige Schreiben ins nächste Postkästchen und ging dann, sich ausweinen, zu seiner Magdalena.

      Am nächsten Vormittage schon stellte sich eine Anzahl Bedienter, vom Dienstvermittlungs-Bureau entsendet, dem Rittmeister vor. Er wählte den, dessen Äußeres den schärfsten Kontrast zu dem Äußern Peters bildete: einen feinen, wunderhübsch frisirten Menschen, der ausgezeichnet gute Manieren und wohlgepflegte Hände hatte.

      Vier Wochen später, am Hochzeitstage seines Vorgängers, trat er den Dienst an, und zwar, wie er sich ausbedungen hatte, mit dem Range eines Kammerdieners.

      Bevor Peter seine Braut zum Altar führte, mußte sie mit ihm zu Brand, der die schöne, von Kraft und Gesundheit strotzende Wittwe ernsthaft betrachtete und sprach:

      »Stattlich, stattlich. Du hast Dir eine gewichtige Lebensgefährtin ausgesucht, Peter.«

      Peter strich über seinen dicken, rothen, an den Enden leicht gelockten Schnurrbart und versetzte: »Ich mag die Mageren nicht.«

      »Und ich,« sprach Magdalena und warf dabei einen zärtlichen Blick auf den Auserwählten, »habe mir vorgesetzt; wenn ich wieder heirathe, nehme ich einen Großen. Ein Kleiner kann grad so grob sein und macht kein Ansehen.«

      Brand meinte, dem Peter seien noch andere gute Eigenschaften nachzurühmen als seine Größe, und als ganz armer Schlucker käme er ihr auch nicht ins Haus. Damit legte er ein auf zweitausend Gulden lautendes Sparkassenbuch in die Rechte des Bräutigams und schloß:

      »Ich danke Dir für Deine treuen Dienste. Werde ein so braver Ehemann wie Du ein braver Diener warst. Leb’ wohl.«

      Peter schluchzte laut während der ganzen Fahrt zur Kirche, und vor dem Altare stieß ihn der Bock so heftig, daß er sein »Ja« mehr bellte als sprach.

      Vom Hochzeitsmahle sprang er auf, als eben die Torte mit den verschlungenen Lettern »P« und »M« servirt wurde, lief hinüber zum Herrn Rittmeister, um zu sehen, ob der »Neue« die Lampe angezündet und das Bad ordentlich hergerichtet habe. Und am nächsten Morgen kam er, sich zu überzeugen, wie denn der Kaffee gemacht und die türkische Pfeife gestopft worden war. Einmal da, blieb er auch gleich beim Aufräumen.

      Als Brand ihn erblickte, fuhr er ihn an: »Was willst Du hier, närrischer Kerl? Geh’ zu Deiner Frau.«

      Aus diesen Worten fühlte Peter die Eifersucht seines Herrn auf seine Herrin heraus, und Thränen traten ihm in die Augen. Die Eifersucht rührte ihn und der »närrische Kerl« auch. Wer besser dran war mit seiner Vernunft, wußte Peter gar gut, respektirte aber die Täuschung, in der der Rittmeister sich über diesen Punkt befand. Möge er nur in ihr fortleben und wenigstens die Freude haben, er, der sonst keine hat.

      Um das grausame Lebewohl, das Brand gesprochen hatte, Lügen zu strafen, fand er sich alle Finger lang bei ihm ein und wünschte ihm eine gute, je weilige Tageszeit.

      Arbeit gab es »drüben« immer. Der elegante Kammerdiener überließ ihm neidlos die ganze. Seine eigene Thätigkeit beschränkte sich darauf, das Haus durch seine Gegenwart zu schmücken. Aber auch das wurde ihm nach und nach lästig, und eines Abends verschwand er, nachdem er vorher mit seinen wohlgepflegten Händen den Schreibtisch Brands erbrochen und eine reich gefüllte Brieftasche daraus entnommen hatte.

      Über diese kurze Majordomus-Epoche im rittmeisterlichen Intérieur wurden nicht viel Worte gemacht. Wie von selbst kam Alles ins alte Geleise. Höchstens, daß Peter früher als sonst die kalte Küche zum Souper holen ging und später als sonst zurückkehrte, wozu Brand regelmäßig bemerkte:

      »Bist schon wieder da?«

      Einmal fragte er: »Was sagt denn Deine Frau dazu, daß sie Dich so wenig sieht?« Und die Antwort lautete:

      »Die sagt niemalen nichts. Die hat eine Kusin, der Ihrer trifft nur alle vier Wochen einmal nach Haus.«

      VI

      Genau am ersten Jahrestage ihrer Vermählung erschien Magdalena Peters bei Dietrich Brand und brachte ohne viel Umstände die Bitte vor, er möge, im Fall daß es ein Bub werden sollte, sich gütigst herbeilassen, ihn aus der Taufe zu heben. Die Erfüllung ihres Wunsches wurde ihr sogleich und mit großem, feierlichem Ernste zugesagt. Brand holte sofort die genaueren Erkundigungen über die Pflichten ein, die er mit der Taufpathenschaft auf sich nahm. Er gedachte sie pünktlich zu erfüllen und erhielt Gelegenheit dazu, denn es wurde ein Bub, ein niedlicher Peter junior.

      Sein Vater übergoß ihn mit Thränen der Rührung, das Kindlein nieste, und Dietrich selbst, sehr bewegt durch den ihm völlig fremdartigen Anblick eines neugeborenen Menschen, führte Peter von der Wiege fort und sagte:

      »Blamire Dich nicht vor Weib und Kind.«

      Brands Fürsorge wuchs mit ihrem Gegenstande. Er schrieb sich Eigentumsrechte über das Knäblein zu und forderte, daß ohne Unterlaß an ihm erzogen werde.

      Frau Magdalene verlor endlich die Geduld. »Dein Rittmeister«, sagte sie zu ihrem Manne, »wie der’s treibt. Bald wird Niemand mehr wissen, bin ich die Mutter, oder ist er’s!«

      Peter hatte Mühe, sie mit der Versicherung zu beschwichtigen, darüber könne kein gescheidter Mensch im Zweifel sein.

      Das Interesse, das der Rittmeister für den kleinen Peter gefaßt hatte, breitete sich allmählich auch auf andere Kinder aus. Man muß doch vergleichen, den Blick schärfen, Erfahrungen sammeln. Dietrich, der bisher ziemlich gleichgültig an Allem vorüber gegangen war, was nicht im Alter der Militärpflicht stand, begann nun, dem Kindervolke seine Aufmerksamkeit zu schenken. Es traf sich, daß er mit kleinen Schulbesuchern, Knaben und Mädchen, die mit ihm im selben Hause wohnten und denen er täglich auf der Treppe begegnete, einen Gruß tauschte. Zu dem Gruße kam bald eine Ansprache, und aus der entwickelten sich nach und nach förmliche Konversationen, die man nicht schon unterm Thor abbrechen wollte. Nicht selten geschah’s, daß Brand dem oder jenem jugendlichen Geschöpfe das Geleite gab bis zur Schule.

      Er hatte sich zuerst an die Kinder der Armen gewendet und ihr Vertrauen, und bis zu einem gewissen Grade, das ihrer Eltern errungen. Dann schritt er an verfeinerte Gesellschaftskreise heran, machte auch da Glück und war bald wieder in seinem Elemente, konnte wieder erziehen. Er übte auch Gastfreundschaft. An jedem Samstag-Nachmittag wimmelte es von Jugend in seiner Wohnung; die verschiedensten Stände waren da durch auserlesene Exemplare vertreten. Entsprechende Kost für Kopf und Herz lieferte der Hausherr, das Ehepaar Peters sorgte für den Magen; Überladung, in irgend einer Weise, kam nicht vor. Glücklich, gesund, von frischem Eifer