Unter den Eulen finden wir unsere Schleiereule und den Kauz, die kurzöhrige Eule (Otus brachyotus) und die Zwergohreule (Ephialtes Scops). Im Gebirge haust ein Uhu (Bubo cinerascens), der zu den gemeinsten Eulen gehört. Dieser Uhu horstet am liebsten auf Bäumen und wird nicht wie unsere europäische Art von kleinern Vögeln verfolgt. In den Steppen wie im Gebirge trifft man auf die Ziegenmelker (Caprimulgusarten), jene unheimlichen Vögel mit leisem Fluge und eigenthümlichem Nachtgesange. Gleich großen Nachtfaltern umschweben sie die Wipfel der Bäume und die Dächer der Häuser, um ihrer Kerbthierjagd nachzugehen.
Reich vertreten sind die schwalbenartigen Vögel (Hirundo, Cypselus). Die meisten derselben sind auch hier Zugvögel und kommen vor Beginn der Regenzeit, im Mai und Juni, um zu brüten.
Die Hausschwalbe ist Hirundo oder Cecrops rufifrons; sie erscheint kurz vor den Sommerregen und beginnt, sobald diese letzteren die Erde etwas erweicht haben, aus Lehm ein sehr solides, rundes Nest zu bauen, das sie mit der Basis auf Dachsparren aufsetzt, nicht seitwärts anklebt wie unsere Schwalbe. Sie macht zwei bis drei Bruten und verläßt die Höhen erst im Dezember. – Durch schönen Flug zeichnet sich der abessinische Segler (Cypselus abessinicus) aus, der in den Bäumen nistet; er ist ein ausgezeichneter Flieger, wie alle seines Geschlechtes. An manchen Stellen vertritt ihn die Felsenschwalbe (Cotyle obsoleta), die ihr Nest in den Ritzen und Spalten der Felsen baut, doch nur an solchen Orten, wo die räuberischen Affen nicht hingelangen können.
Prächtig gefärbte Bewohner Abessiniens sind neben der Mandelkrähe (Coracias abessinicus) und dem Eisvogel (Ispidina cyanotis) vor allen andern die Bienenfresser (Merops Lafrenayi) und die Narina (Trogon Narina), die lautlos über den Mimosenbüschen dahinschwebt, die Schmetterlinge oder andere Insekten fängt und durch ihr glänzendes Gefieder das Auge des Beobachters erfreut. Ihnen schließt sich der Wiedehopf (Upupa) an, der neben den Aasgeiern fleißig allen Unrath wegräumt und mit Recht in keinem guten Geruche steht. Seine Verwandten sind die Baumwiedehopfe (Promerops erythrorhynchus), die in Gesellschaften gleich Spechten auf den Bäumen umherklettern, die Ameisen aufsuchen und von dieser Nahrung einen durchdringenden Geruch annehmen. Den Kolibri vertreten in Abessinien die metallglänzenden Honigsauger (Nectarinia metallica, abessinica, affinis), welche von den Arabern „Abu Risch“, Federträger, genannt werden und als die ersten Tropenvögel in Nordostafrika auftreten, auf welche man, aus kälteren Gegenden kommend, stößt. Die reizenden Vögelchen leben meist paarweise auf den Mimosen und ziehen im brennenden Sonnenstrahle von Blüte zu Blüte, um dort Insekten zu fangen, zu singen, die Federn zu sträuben, den Schwanz zu heben und das glänzende Gefieder im Sonnenlichte glänzen zu lassen.
Keineswegs fehlt es Abessinien an Sang und Klang in der Vogelwelt; neben dem glänzenden Gefieder findet auch der melodische Schmelz der Töne seine Vertretung. Im Rohre schmettert fröhlich der Buschschlüpfer (Drymoica rufifrons) oder die Caricola (C. cisticola), an welche sich die abessinische Baumnachtigall (Aedon minor) anschließt, die schon dem Wanderer entgegenschlägt, wenn er, vom Rothen Meere kommend, bei Massaua seinen Fuß ans Gestade setzt. An Steinschmätzern (Saxicola-Arten), Vertretern unserer Drosseln (Thamnolaea), Bachstelzen (Motacilla alba und flava) ist kein Mangel. Zu letztern, uns aus der Heimat bekannten Arten gesellen sich die verwandten Schafstelzen (Budytes), niedliche Vögel, welche in großer Zahl den Herden folgen, deren treueste Begleiter sind und diesen das Ungeziefer ablesen. Im Hochgebirge, namentlich in Semién, lebt eine Drossel (Turdus simensis), welche unsrer Singdrossel sehr ähnelt, neben der als regelmäßige Wintergäste die Steindrosseln (Petrocincla saxatilis) erscheinen. Als guter Sänger wird der von Lichtenstein entdeckte Droßling (Picnonotus Arsinoë) bald der Liebling aller Reisenden, vor denen er sich durchaus nicht scheut. Anschließend hieran erwähnen wir aus der Familie der Fliegenfänger den Paradiesfänger (Tchitrea melanogastra), den Würgerschnäpper (Dicrourus), die zahlreich vertretenen Würger (Lanius) und unsre Nebelkrähe, die als Wintergast nach Abessinien kommt. Diese trifft als Verwandte hier den Wüstenraben (Corax umbrinus), ein Mittelglied zwischen Rabe und Krähe, der aber nicht blos in der Wüste vorkommt, sondern auch die Flecken und Dörfer besucht, wo er den Hunden und Geiern das Aas streitig macht, während er draußen nach Früchten, am Strande nach Muscheln sucht und eben Alles verschlingt, was sich ihm darbietet. Ein echter Gebirgsvogel ist der kurzschwänzige Rabe (Corvus affinis), der bis zu 11,000 Fuß aufsteigt und dort in großen Scharen weilt. Durch seinen kurzen Schwanz macht er sich vor allen Verwandten leicht kenntlich; er vertritt in Abessinien unsern Kolkraben, lebt nur paarweise und bedeckt Abends, wenn er zur Rast geht, oft große Felsblöcke. Die Staare sind durch mehrere Geschlechter, die dohlenartigen Felsenstaare (Ptilonorhynchus), Glanzdrosseln (Lamprocolius) und Glanzelstern (Lamprotornis) vertreten. Bei Weitem der interessanteste Vogel aus dieser Familie ist aber der afrikanische Madenhacker (Buphaga erythrorhyncha), der von der Südspitze Afrika’s an bis nach Abessinien hinein vorkommt und der treueste Begleiter der Herden ist, sodaß es scheint, als könnten Rinder, Kameele, Pferde kaum ohne ihn leben. Da wo diese wunde Stellen haben, in welche die Fliegen ihre Eier legen, aus denen die Maden entstehen, erscheint auch die Buphaga, klettert an dem Thiere herum, wie ein Specht am Baume und sucht ihm die Maden ab. Das Thier kennt seinen Wohlthäter recht gut, aber die Abessinier hassen den Madenhacker, weil sie glauben, daß er durch sein Picken die aufgeriebenen Stellen reize.
Die finkenartigen Vögel kommen gleichfalls in großer Menge vor. Reichlich treffen wir vorzüglich Amadina, Vidua, Estrelda, Serinus, alles gute Sänger, während der Weber (Textor alecto) nur einen drosselartigen Ruf und unschönes Gezwitscher ertönen läßt. Dafür baut er aber ein zusammenhängendes Nest, in dem ganze Gesellschaften brüten. Es besteht aus dürrem Reisig, von dem eine große Masse, oft von 5 bis 8 Fuß Länge und 3 bis 5 Fuß Breite und Höhe, zwischen tauglichen Astgabeln der Baobab-Bäume aufgehäuft wird. In einem solchen sind 3 bis 8 Nester tief im Innern angelegt und diese mit feinem Gras und Federn ausgefüttert. Die Farbe der Eier wechselt zwischen rein weiß, roth, grün, braun mit allen möglichen Zeichnungen, sodaß man glaubt, Eier verschiedener Arten vor sich zu haben. Der Eingang zu dem unordentlichen Neste ist im Anfange so groß, daß man bequem mit der Faust eindringen kann, verengert sich aber und geht in einen Kanal über, gerade für den Vogel passend. Durch prachtvollen Federschmuck sind die Witwen (Viduae) ausgezeichnet, und leicht unterscheidet man das Männchen durch seine langen, am Fluge hindernden Schwanzfedern von dem Weibchen. Hat es aber im Winter das prächtige Gefieder abgelegt, dann fliegt es leicht dahin, ähnlich wie unsere Ammern. Als Haussperling tritt, unserm Spatz das Recht streitig machend, in Nordostafrika der rothrückige Sperling (Passer rufidorsalis) auf, dessen Sitten und Lebensweise ganz die unseres Haussperlings sind, nur ist er schöner gefärbt. Gemein, wie bei uns, ist auch in Abessinien die Haubenlerche (Galerita abessinica), welcher sich als Verwandte die seltenere Wüstenammerlerche (Ammomanes deserti) anschließt.
Haben wir bisher viele, unsern europäischen Arten verwandte Vögel gefunden, so treffen wir in der folgenden Familie, jener der Pisangfresser, durchaus auf fremdartige Gestalten. Da sind zunächst die Mäusevögel (Colius), die in dichten Büschen leben, durch die schmalsten Oeffnungen der Verzweigungen sich zwängen und im Klettern eine große Geschicklichkeit entwickeln. Der von Rüppell entdeckte Helmvogel (Corythaix leucotis) tritt erst da auf, wo die Kronleuchter-Euphorbie beginnt; er ist ein prächtiger, rastloser, unsern Hehern im Betragen ähnlicher Geselle, der die Sykomoren, Tamarinden und Aloëpflanzen gern besucht und auf diesen sich in großer Anzahl sammelt. Der eigentliche Pisangfresser (Schizorhis zonurus), der sich durch ein affenartiges Geschrei auszeichnet, hat Vieles mit seinen Verwandten, den Nashornvögeln überein, von denen mehrere kleine Arten (Tockus erythrorhynchus und nasutus) häufige Bewohner der Steppen und des Urwaldes sind. Je mehr man in das Gebirge kommt, desto häufiger werden sie, desto öfter vernimmt man ihren charakteristischen Ruf. Weit größer als die nur anderthalb Fuß langen Nashornvögel, aber auch seltener sind die kräftigen, fast 4 Fuß langen, sehr scheuen Hornraben (Bucorax abessinicus).
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