Die Fauna Abessiniens. Fast noch reicheren Stoff als die Pflanzenwelt bietet dem Beobachter die Thierwelt Abessiniens dar. Nicht genügend erforscht sind die niederen Thierklassen, unter denen auch wenige Mitglieder ein allgemeines Interesse in Anspruch nehmen. Von der Plage der Eingeweidewürmer und ihrer Vertreibung durch Kusso war bereits die Rede; die höher stehenden Insekten treten im Hochlande nur in der wärmeren Jahreszeit in großen Mengen auf, werden aber durch die kalten Regen wieder in die tiefer liegenden Gegenden getrieben. Die Heuschrecken, amharisch Anbasa, richten oft großen Schaden an, wie in den andern Nilländern auch.
Ihr plötzliches Verschwinden wird in der Regel der gnädigen Fürsprache der Heiligen zugeschrieben und diesen daher ein Dankopfer gebracht. Die Wanderheuschrecke dehnt ihre Züge bis hoch in die Gebirgsgegenden aus. Rüppell fand das Land am Takazzié von Myriaden dieser Thiere geradezu abgefressen. Der Boden der ganzen Gegend war buchstäblich von ihnen bedeckt. Er fügt hinzu: „Wenn übrigens manche Reisende von einer Verdunkelung des Sonnenglanzes durch Heuschreckenzüge reden, so ist diese Erscheinung lediglich auf die gleichzeitige dunstige und staubige Atmosphäre zu beziehen und nicht der vermeintlich so ungeheuren Menge von Heuschrecken zuzuschreiben, deren Wandern allein durch schwülen südlichen Luftzug veranlaßt wird. Der ganze Boden schien mit diesen Thieren überdeckt zu sein, bei genauem Zählen aber fanden sich nur etwa 12 bis 30 Heuschrecken in dem Raume eines Quadratfußes“. Die christlichen Abessinier essen die Heuschrecken nicht; sie betrachten sie als verbotene Speise und unter den Muhamedanern bequemen sich nur arme Leute zu dieser Nahrung. Ein nützliches, allgemein gepflegtes und in Bienenkörben gezüchtetes Insekt ist die ägyptische Honigbiene, von der große Mengen des süßen Seims gewonnen und zu dem landesüblichen Meth benutzt werden. Es giebt auch eine kleinere wilde Biene, die in Erdlöchern ihre Baue aufschlägt und einen Dasma genannten Honig liefert, der als Medikament sehr geschätzt ist. Diese Dasma wirkt leicht abführend, hat eine röthlichere Farbe als gewöhnlicher Honig und einen bittern Nachgeschmack. In Gegenden, wo die Bienen viel Honig von Kronleuchtereuphorbien und andern giftigen Pflanzen sammeln, wirkt derselbe selbst im Meth sehr nachtheilig auf die Gesundheit, er erzeugt Schwindel, Kopfschmerzen, Erbrechen und andere Symptome einer leichten Vergiftung. Fliegen und Moskitos kommen wol in den kühlern Hochlanden vor, werden jedoch nicht zur Landplage, in der Weise wie die Flöhe. Die schwarze Ameise, welche sich wasserdichte Wohnungen gegen den Regen baut, wird dem Menschen oft lästig, während die Termiten nur selten in die Häuser dringen und meist unter losen Steinen ihre kleinen Kolonien anlegen. Käfer, amharisch Densissa, sind in großer Menge vorhanden, besonders die Koth- und Pillenkäfer, die man auch in Aegypten antrifft. Spinnen und Skorpione werden als unrein gemieden und vernichtet.
Fische sind im Hochlande Abessiniens nicht allzu häufig, um genügende Fastenspeise liefern zu können. Der Takazzié allein ist besonders reich an großschuppigen, olivengrauen Karpfenarten mit lebhaft wachsgelben Flossen und enthält einen Heterobranchus von enormer Größe, welcher mit der Angel gefangen oder mit abessinischem Fischgift betäubt wird. In Atbara kommt ein Wels vor, der schöne Hausenblase liefert, welche jedoch nicht eingesammelt wird.
Die Amphibien sind Gegenstände des Abscheus und des Aberglaubens. Die Schlangen der Hochlande sind klein und nicht giftig, doch sehr gefürchtet; in der Kola, sowie in den Küstengegenden fehlen jedoch große Pythonarten und giftige Exemplare keineswegs. In den Niederungen werden auch Schildkröten gefunden, unter denen die große Geochelone senegalensis hervorragt; im Anseba-Gebiet und in Schoa kommt eine Cinixys in vielen Sümpfen und Bächen vor, und die Pentonyx Gehafie steigt überall aus dem Tieflande bis zu 8000 Fuß empor. Neben diesen gepanzerten Amphibien sind die Krokodile (Aso) namentlich in der Kola sehr häufig; im Setit, Atbara und Mareb werden sie von den Eingeborenen harpunirt und ihr moschusduftendes Fleisch verzehrt. Fälschlich jedoch hat man ihr Vorkommen im Tanasee behauptet. Sonst sind unter den Sauriern noch zu nennen der Skink (Scincus officinalis), das Chamäleon, der Gekko und Stellio cyanogaster als Gesellschafter der Klippdachse. Die Warneidechse (Varanus niloticus) ist auch in Abessinien häufig und hat hier ihren einheimischen Namen, Angoba, auf viele Flüsse übertragen.
Schwer hält es, bei dem großen Reichthum der verschiedenen Arten abessinischer Vögel, welche sich dem Auge des Forschers zeigen, einen Ueberblick nur der wichtigsten zu geben und eine Auswahl aus der Menge dieser prachtvoll gefärbten, eigenthümlich gestalteten und hinsichtlich ihrer Lebensweise merkwürdigen Geschöpfe zu treffen. Aber gerade auf dem Gebiete der Ornithologie Abessiniens ist von Rüppell, Heuglin, Brehm Vorzügliches geleistet worden, sodaß man wohl behaupten darf, besser als das Pflanzenreich und die übrigen Klassen des Thierreichs sei die Vogelwelt der „afrikanischen Schweiz“ durchforscht.
Es giebt wol kein zweites Land, das so reich an Tag-Raubvögeln ist wie Abessinien. Vermöge der höhern Lage der Plateaux bieten sich in den Felspartien günstige Lebensbedingungen für Adler, Geier und Falken, die hier ihre Horst- und Zufluchtsstätten finden. Die Vegetation prangt in außerordentlicher Fülle; in allen Thälern und Schluchten sprudeln Gebirgswasser; im dichten Gestrüpp und in den Gräsern hausen Reptilien in Menge, von der Pythonschlange und Naja bis zur kleinsten Baumschlange herab; Schildkröten weiden gemüthlich an Hecken und Teichen; an Säugethieren von der Größe der Feldmaus aufwärts ist Ueberfluß vorhanden, während schattige, fast undurchdringliche Waldpartien, abgelegene Schluchten, die selten eines Menschen Fuß betritt, und fast unersteigliche Felsen und kolossale Hochbäume den Raubvögeln jeden Schutz und Schirm gewähren. Da horstet denn der mächtige Gyps Rüppellii, der gemeine ostabessinische Mönchsgeier (Neophron pileatus), der Schmuzgeier (N. percnopterus), der Bartgeier (Gypaëtos meridionalis) und Schlangenadler (Gypogeranus serpentarius), die viele Schlangen verzehren und mäßig starke Wüstenschildkröten mit einem Schlag ihrer starken Fänge zerschmettern. Zahlreiche Weihen, Milane, Falken und Sperber machen den Beschluß der Tagraubvögel. Der unreinliche Mensch giebt den Schmuzgeiern tagtäglich neue Nahrung und damit neue Beschäftigung; deshalb vermißt man diese wohlthätigen Vögel an keinem Orte. Sie folgen den Herden wie den Handelszügen, umschweben die Dörfer und Schlachtplätze und räumen schnell allen Unrath auf. Der große, von Brehm zuerst genau beschriebene Rüppell’sche Aasgeier erscheint erst dann, wenn irgend ein Aas ihn heranlockt. In ungemessenen Höhen, wohin ihm des Menschen Auge nicht zu folgen vermag, zieht er dahin; aber sein Auge beherrscht ein weites Gebiet und die mächtigen Schwingen tragen ihn schnell nach dem Orte, wo ein Stück Wild verendet oder einem Schaf die Kehle durchschnitten wird. Kaum fließt das Blut, so ist auch der Aasgeier da; reiche Beute aber wird ihm zu Theil, wenn das Land weit und breit mit Menschenleichen übersäet ist, wenn die grausamen Bürgerkriege wüthen und den Zug der Heere gefallene Rinder und Schafe bezeichnen. Wo er erscheint, da fehlen auch selten seine kleineren Verwandten, der Schopf- und der Ohrengeier (Vultur occipitalis und V. auricularis). Unter den Adlern begleitet der Augur, ein naher Verwandter unsers Bussards, den Zug der Reisenden, während der „Himmelsaffe“ oder Gaukler (Helotarsus ecaudatus) sowol durch die Kühnheit seines Fluges, als durch die Schönheit seines Gefieders jeden Beschauer in Entzücken versetzt. Unter allen Raubvögeln ist er der stolzeste Flieger: er jagt förmlich durch die Luft. Nur während des Fluges zeigt er seine volle Schönheit. Sitzend bläht er die Federn auf, sträubt Kopffedern und Halskrause und gestaltet sich in einen Federklumpen um. Eine der häufigsten Erscheinungen ist der Schmarotzer-Milan (Milvus parasiticus), dessen scharfem Auge nichts entgeht und der durch seine Allgegenwart an den Schlachtplätzen, wo kein Stückchen Fleisch vor ihm sicher ist, sich lästig macht oder durch die größte Frechheit, mit welcher er dem Menschen das Fleisch fast unter den Händen wegzieht, diese in Erstaunen versetzt. Auch der Singhabicht (Melierax polyzonus) kommt südlich vom 17. Grade in allen Steppenwaldungen häufig vor; er verweilt am liebsten auf einzelnstehenden Bäumen, hat jedoch keinen besonders schönen Flug und