Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Lampert rasch die Hand des Richtmanns umklammerte, fuhr ihm das Blut ins Gesicht. »Doch, ich weiß schon, Ihr seid es!« In der Erregung, die ihn befallen hatte, sagte er ›Ihr‹, als wäre der Bauer von den Herren einer. Lampert warf einen fragenden Blick auf den Spießknecht hinüber, der in die Amtsstube trat. »Runotter? Bist du vor das Amt gerufen?«

      »Wohl, Jungherr!«

      »Warum?«

      »Ich weiß nit.«

      In der Amtsstube flüsterte Marimpfel: »Gestreng! Auf dem Hängmoos steht ein Käser, und siebzehn Milchküh sind aufgetrieben. Der Kerl da draußen muß ein schlechtes Gewissen haben. Er ist grob gewesen, und seine Wehr hat er angetan.« Herr Someiner winkte mit den Augen. Da ging der Spießknecht auf die Tür zu und rief hinaus: »Richtmann! Kommen sollst!«

      Runotter trat in die Stube. »Gottes Gruß, Gestreng Herr Amtmann!«

      Mit dem Bauer war auch Lampert gekommen. Er sagte rasch: »Hier wird geamtet?« Seine Stimme klang gepreßt. »Ich soll doch lernen, nicht? Da kann ich wohl bleiben und hören?«

      Herr Someiner nickte und sagte zum Richtmann: »Gottes Gruß! Du bist in Wehr? Warum?«

      Der Ramsauer sah zum Fenster hinaus. »Herr? Sollt nit der Spießknecht acht haben auf die Gaul da draußen? Der meinig ist ein lützel hitzig. Da könnt er schlagen oder beißen.«

      »Beißt er«, murrte Marimpfel, »so kriegt er eine aufs Maul.« Klirrend verließ der Spießknecht die Stube.

      Runotter nahm die eiserne Schaller ab, legte sie auf das Fenstergesims und sagte ruhig: »Warum ich in Wehr bin, Herr? Aus Fürsicht. Für Hofleut ist ein Bauer allweil der Minder. Um Händel zu verhüten, hab ich die Wehr angetan, wie mir’s zusteht als Erbrechter.«

      Lampert, der gegen die Tür der Kammer gelehnt stand, verwandte keinen Blick vom Gesicht des Bauern.

      »Soooo?« sagte Herr Someiner. »Fürsicht ist eine löbliche Tugend.« Er musterte den Mann. »Ein festes Eisenzeug! Wirst bald noch einen zweiten Holdenküraß brauchen. Heut hab ich im Wehrbuch gelesen, daß dein Bub im Winter zu achtzehn Jahren kommt. Vermerkt steht, daß er nicht wehrfähig ist.«

      Runotters Augen suchten im Leeren. »Das is nit meine Schuld.«

      Das Wort war ruhig gesprochen, und dennoch schien es unbehaglich auf den Amtmann zu wirken. Er benahm sich wie einer, der nicht gehört haben will, und sagte: »Willst du für deinen Buben das Erbgut aufrecht halten, so mußt du für ihn zur Holdenwehr im Winter einen Ersatzmann stellen. Da wirst du dich beizeiten umschauen müssen.«

      »Wohl, Herr! Könnt sein, es war da grad ein guter Weg. Heut hat mir der Heiner, mein Knecht, von einem Soldmann erzählt, der in die Ramsau kommen ist. Will reden mit dem. Mag er bleiben, so zahl ich ihm gern die Löhnung fürs Warten bis zum Winter. Für meinen Buben tu ich alles.«

      »Freilich, du kannst es!« Herr Someiner lächelte. »Der beste Steuergeber in der Ramsau!«

      »Dem Himmel Vergelts! Gott segnet meinen Schweiß.«

      »Wieviel Ochsen hast du?«

      »Sechs für den Zug, zwei davon für den Acker, der mein ist, viere für Jagdfron und Scharwerk. Sieben Stückl Jungzeug hab ich auf der Alben.«

      »Wo tust du sennen? Im Windbachtal?«

      »Nein, Herr!« Die Brauen des Bauern zogen sich hart zusammen. »Da droben soll kein Stückl Vieh mehr fressen, das mein ist.«

      »Ist da die Weid so schlecht?«

      Runotter zögerte mit der Antwort. Seine Stirne färbte sich. »Nach der Hoflag tät’ ich sennen müssen beim Windbach. Aber die Gnotschaft hat mir’s zulieb getan und hat mir das Hängmoos zugewiesen.«

      »Das Hängmoos?« Herr Someiner wuchs auf seinem Sessel. »Da sennest du selber?«

      »Wohl, Herr!« Runotter schien das Wunderliche im Klang dieser Frage nicht zu begreifen. »Wir sind unserer Sechse, die auf dem Hängmoos sennen, der Taubenseer, des Mareiners Schwager, die zwei Hintermöser, der Schwarzecker und ich.«

      »Da hast du einen schlechten Tausch gemacht.«

      Wieder furchten sich die Brauen des Bauern. »Ist mir lieber, als am Windbach sennen.«

      »Auf dem Hängmoos ist schlechter Boden.«

      »Der ist besser worden. Wir haben Gräben geschlagen und viel Boden trücken gemacht. Freilich, viel Sumpfland ist noch allweil droben. Ist oft schon ein Stückl Vieh versunken.«

      »Da wirst du selber dein gutes Melkvieh wohl nicht auftreiben?«

      »Doch, Herr! Drei Küh hab ich im Stall für die Heimleut, achte sind auf der Alben.«

      »Auf dem Hängmoos?« Herr Someiner erhob sich.

      Verwundert sah Runotter den Amtmann an. »Wohl, Herr! Auf dem Hängmoos.«

      »Runotter«, sagte Herr Someiner streng, »du bist mir bekannt als redlicher Mann. Drum will ich vorerst noch gütig bleiben. Aber ich muß jetzt doch —«

      »Vater!« stammelte Lampert, dem vor Unmut das Gesicht brannte. »Du wirst mir das nicht antun wollen, daß ich —«

      »Hier wird geamtet!« klang es würdevoll über das Pult herüber. »Da redet bloß der Amtmann und wer gerufen ist.«

      Die erstaunten Augen des Richtmanns glitten zwischen den beiden hin und her. »Ihr Herren? Was ist denn da?«

      »Das wirst du hören!« Herr Someiner öffnete den eisenbeschlagenen Schrank, holte den Hängmooser Almbrief hervor und legte das alte, mürbe Pergament auf das Pult hin. Er wollte sprechen. Doch das Gebaren des Sohnes machte ihn aufblicken. Lampert, an der Lippe beißend, tat einen Schritt gegen den Vater hin, sah ihm in die Augen, wandte sich ab und trat in die Kammer hinaus. Herr Someiner bekam einen roten Kopf. Auch im Klang der Stimme verriet sich sein Ärger. »Wieviel Vieh ist aufgetrieben zum Hängmoos?«

      »Achtzig Köpf, Herr, nach unserm Weidrecht. Heuer sind zwanzig Kalben droben, dreiundvierzig Ochsen und siebzehn Milchküh.«

      »Achtzig Köpf?« Der Amtmann sah in den Almbrief. »Das stimmt. Aber Melkvieh? Seit wann wird Melkvieh aufgetrieben zum Hängmoos?«

      »Das ist wohl allweil so gewesen, ich weiß es nit anders.«

      »So?«

      »Den Hängmooser Sauerkäs, den hab ich schon gegessen, da bin ich noch Jungbauer gewesen und —« Auf der Brust des Richtmanns hob sich langsam der schwere Küraß. »Und ein Mensch im Glück! Lang ist’s her. Noch länger, wie daß mein Bub ein Krüppel sein muß.«

      Der Amtmann mochte diese Erinnerung an das Glück des Runotter nicht gerne hören. Er sagte verweisend: »Tu nicht reden von Dingen, die nicht vors Amt gehören!«

      Der Bauer biß die Zähne übereinander, und seine sonnverbrannten Fäuste klammerten sich härter um den Knauf des Holdenschwertes, das er vor sich stehen hatte.

      »Und in der Sach, um die es dahergeht«, fuhr der Amtmann fort, »da mußt du dich irren, Runotter! Sauerkäs vom Hängmoos, sagst du? Man kann nicht käsen, wo kein Käser steht.«

      »Auf dem Hängmoos steht doch einer.«

      »Seit wann?«

      »Seit allweil.«

      »Weißt du auch das nicht anders?«

      »Nein.«

      Die kurzen Antworten mißfielen dem Gestrengen. »So? Dann schau dir einmal den Weidbrief an!«

      Der Bauer nahm das Blatt und las. Das dauerte lang.

      Inzwischen polterte Herr Someiner hinter dem Amtspult.

      »Da hört sich doch alles auf! Seit Jahr und Jahr wird da ein Frevel wider das Fürstenrecht verübt. Groß wie ein Haus steht das Unrecht auf dem Hängmoos, hat siebzehn Schwänz und achtundsechzig Füß.