Kaum hatten sie das Zimmer verlassen, so trat Kurt in dasselbe. Er eilte an das Fenster, öffnete es und fragte halblaut hinab:
»Seid ihr hier?« – Ja«, antwortete Gerard. »Was gibt es?« – »Der Pater ist verreist. Alles geht gut. Haltet euch ruhig, bis ihr mich wiederseht! Aber tretet zurück! Es wird jemand kommen.«
Er schloß das Fenster und kehrte in die Schlafstube zurück! Er war überzeugt, diesem Neffen des Paters gewachsen zu sein; jedenfalls hatte er es nur mit diesem zu tun, und er beschloß, kurzen Prozeß mit ihm zu machen.
Nach wenigen Minuten kehrte Manfredo in die Stube zurück. Er schien nachdenklich zu sein und schritt sinnend im Zimmer auf und ab.
»Hm!« hörte Kurt ihn brummen. »Kaiserliche in Santa Jaga. Räuber und Mörder werden es sein, aber ich muß gehorchen. Zuvor will ich zu meinen Gefangenen. Ah! Bin ich nur erst Graf Alfonzo de Rodriganda, so mögen sie in Mexiko einander erwürgen, wie es ihnen beliebt. Mir soll alles gleich sein!«
Kurt erstaunte gewaltig über den Inhalt dieses Selbstgesprächs. Er stand schon im Begriff, aus der Tür zu treten und den Kerl zu packen und zum Geständnis zu bringen; da sah er, daß derselbe einige Schlüssel ergriff, und das brachte ihn auf andere Gedanken.
Manfredo steckte die Schlüssel ein, brannte eine Blendlaterne an und verließ das Zimmer, ohne die Tür desselben zuzuschieben. Sofort trat Kurt ein, riß ein Licht von einem Leuchter, steckte es ein und zog dann sein Messer. Er öffnete so leise wie möglich die Tür und sah Manfredo eine zweite Treppe hinabsteigen. Er drückte die Tür zu und folgte ihm.
Das Licht der Blendlaterne fiel nur vorwärts, darum ging Kurt im dunkelsten Schatten. Aus diesem Grund konnte er sehr leicht an etwas stoßen und dadurch ein verräterisches Geräusch verursachen. Deshalb blieb er einen Augenblick stehen, um seine Stiefel auszuziehen, deren Sporen ihn ohnedies verraten konnten. Dann ging es wieder weiter.
Da Kurt vom Dunkel eingehüllt war, so konnte er sich nahe genug an seinen Vordermann halten, um diesen nicht aus den Augen zu verlieren. Weil es aber doch möglich war, daß der Mexikaner einmal stehenbleiben und sich umdrehen konnte, so hielt Kurt sich für diesen Fall bereit, sich augenblicklich niederzuwerfen, um nicht bemerkt zu werden.
So ging es durch einige Türen, die Manfredo offenließ. Sie schritten durch mehrere feuchte Felsengänge, ohne daß es dem Mexikaner ein einziges Mal eingefallen wäre, sich umzudrehen. Der Gang, in dem sie sich nun befanden, hatte mehrere Türen. Vor einer derselben blieb Manfredo stehen. Er schob zwei starke, eiserne Riegel zurück und öffnete das Schloß mit einem seiner Schlüssel. Dann trat er ein.
War dort ein neuer Gang, oder gab es hinter dieser Tür ein Gefängnis? So fragte sich Kurt. Im ersteren Fall mußte er rasch folgen, im letzteren aber zurückbleiben.
Er horchte. Ah, er hörte sprechen! Diese Tür hatte also einen Kerker verschlossen. Leise schlich er näher. Niemand hörte ihn. Er wagte es, den Kopf ein wenig vorzustrecken und blickte in ein viereckiges Gefängnis, an dessen Mauern mehrere Personen gefesselt waren. Manfredo stand in der Mitte des Raumes und hatte seine Laterne in eine Ecke gestellt. Sie erhellte das Gefängnis so ungenügend, daß es unmöglich war, die Züge der Gefangenen zu erkennen. Manfredo sprach mit einem derselben.
»Es gibt einen Weg, Euch zu retten«, hörte Kurt ihn sagen. —
»Welchen?« fragte eine Stimme aus dem Hintergrund. – »Könnt Ihr das nicht erraten?« – »Nein.« – »Ich will ihn Euch sagen. Ihr wißt, daß dieser Mariano hier Euer wirklicher Neffe ist?« – »Ja.« – »Und daß der jetzige Graf Alfonzo nur der Sohn von Gasparino Cortejo ist?« – »Ja.« – »Nun, so stelle ich zwei Bedingungen. Erfüllt Ihr diese, so seid Ihr alle frei.« – »Wir wollen sie hören.«
Der alte Graf Ferdinando war es, der sprach. Der Neffe des Paters fuhr fort:
»Zunächst erklärt Ihr diesen Alfonzo für einen Betrüger und laßt ihn und seine Verwandten bestrafen.« – »Dazu bin ich natürlich bereit.« – »Sodann aber muß Mariano entsagen, und Ihr erkennt mich als den Knaben an, der geraubt und verwechselt wurde.«
Ein Schweigen des Erstaunens folgte.
»Nun, Antwort!« gebot der Mexikaner. – »Ah«, sagte Don Ferdinando, »so wollt wohl gar Ihr Graf von Rodriganda werden?« – »Ja«, antwortete der Gefragte im Ton der unverschämtesten Offenheit. »Das ist meine Bedingung.« – »Ich gehe niemals darauf ein.« – »So bleibt Ihr gefangen bis an Euer Ende.« – »Gott wird uns erretten.« – »Pah, das kann er nicht. Ich gebe Euch eine halbe Stunde Bedenkzeit, bis ich Euch Brot und Wasser bringe. Sagt Ihr dann nicht ja, so erhaltet Ihr weder Trank noch Speise und müßt elend verschmachten!« – »Gott wird uns rächen!« – »Don Ferdinando,