Durchs wilde Kurdistan. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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ist der Miralai Omar Amed ein sehr unfähiger Mensch. In Scheik Adi halten mehrere tausend Bewaffnete, und hier schickt er dreißig Männer mit vier Kanonen gegen sie. Er mußte euch wenigstens einen Alai Emini mit zweihundert Mann Infanterie als Bedeckung mitgeben. Dieser Mann hat gemeint, die Dschesidi seien so leicht zu fangen und zu töten, wie die Fliegen. Welche Befehle hat er euch gegeben?«

      »Wir sollen die Geschütze unbemerkt bis an das Wasser schaffen.«

      »Und dann?«

      »Und dann an demselben aufwärts gehen, bis eine halbe Stunde vor Scheik Adi.«

      »Weiter!«

      »Dort sollen wir warten, bis er uns einen Boten sendet. Darauf müssen wir bis zum Tale vorrücken und die Dschesidi mit Kugeln, Kartätschen und Granaten beschießen.«

      »Das Vorrücken ist euch gestattet; ihr werdet sogar noch weiter kommen als nur bis zum Eingange des Tales. Das Schießen aber werden Andere übernehmen.«

      Nun es einmal geschehen war, ergaben sich die Türken als echte Fatalisten ganz ruhig in ihr Schicksal. Sie mußten zusammentreten und wurden von den Dschesidi eskortiert. Die Geschützstücke waren auf die Maultiere geladen worden und folgten unter Bedeckung. Natürlich machten wir uns wieder beritten, als wir bei den Pferden ankamen.

      Eine halbe Stunde vor dem Tale von Scheik Adi ließ ich die Kanonen unter dem Schutze von zwanzig Mann zurück. Es geschah dies um des Boten willen, welcher von dem Miralai erwartet wurde.

      Gleich an dem Eingange zum Tale trafen wir auf eine bedeutende Menschenmenge. Das Gerücht von unserer kleinen Expedition hatte sich sehr bald unter den Pilgern verbreitet, und man hatte sich hier versammelt, um das Ergebnis so bald wie möglich zu vernehmen. Infolgedessen war auch jedwedes Schießen im Tale eingestellt worden, sodaß nun eine tiefe Stille herrschte. Man wollte die Schüsse hören, falls es zwischen uns und den Türken zu einem ernstlichen Kampfe kommen sollte.

      Der erste, welcher mir entgegenkam, war Ali Bey.

      »Endlich kommst du,« rief er sichtlich erleichtert; dann setzte er besorgt hinzu: »aber ohne Kanonen! Und auch Leute fehlen!«

      »Es fehlt kein Mann, und auch kein einziger ist verwundet.«

      »Wo sind sie?«

      »Bei Halef und Selek draußen bei den Geschützen, die ich zurückgelassen habe.«

      »Warum?«

      »Dieser Jüs Baschi hat mir erzählt, daß der Miralai an die Stelle, wo die Kanonen stehen, einen Boten senden werde. Sie sollen dann vorrücken und Scheik Adi mit Vollkugeln, Kartätschen und Granaten beschießen. Hast du Leute, welche ein Geschütz zu bedienen verstehen?«

      »Genug!«

      »So sende sie hinaus. Sie mögen mit den Türken die Kleidung wechseln, den Boten gefangen nehmen und dann sofort einen Schuß lösen. Dies wird für uns das sicherste Zeichen sein, daß der Feind nahe ist, und diesen selbst wird es zu einem übereilten Angriff verleiten. Was tust du mit den Gefangenen?«

      »Ich schicke sie fort und lasse sie bewachen.«

      »Im Tale Idiz?«

      »Nein. Diesen Ort darf keiner sehen, der nicht ein Dschesidi ist. Aber es gibt eine kleine Schlucht, in der es möglich ist, die Gefangenen durch nur wenige Leute fest zuhalten. Komm!«

      In seinem Hause erwartete mich ein sehr reichliches Nachtessen, wobei mich seine Frau bediente. Er selbst war nicht zugegen, denn er mußte die Umkleidung der Gefangenen beaufsichtigen, welche dann abgeführt wurden. Diejenigen, welche die Uniformen der Türken erhielten, waren geschulte Kanoniere und rückten bald ab, um sich zu den Geschützen zu begeben.

      Die Sterne begannen bereits zu erbleichen, als Ali Bey zu mir kam.

      »Bist du bereit, aufzubrechen, Emir?«

      »Wohin?«

      »Nach dem Tale Idiz.«

      »Erlaube, daß ich hier bleibe!«

      »Du willst mitkämpfen?«

      »Nein.«

      »Dich uns nur anschließen, um zu sehen, ob wir tapfer sind?«

      »Ich werde mich euch auch nicht anschließen, sondern hier in Scheik Adi bleiben.«

      »Herr, was denkst du!«

      »Ich denke, daß dies das Richtige sein wird.«

      »Man wird dich töten!«

      »Nein. Ich stehe unter dem Schutze des Großherrn und des Mutessarif.«

      »Aber du bist unser Freund; du hast die Artilleristen gefangen genommen; das wird dir das Leben kosten!«

      »Wer wird das den Türken erzählen? Ich bleibe hier mit Halef und dem Baschi-Bozuk. So kann ich für euch vielleicht mehr tun, als wenn ich in euren Reihen kämpfe.«

      »Du magst recht haben, Emir; aber wenn wir schießen, kannst auch du verwundet oder vielleicht gar getötet werden!«

      »Das glaube ich nicht, denn ich werde mich hüten, mich euern Kugeln auszusetzen.«

      Da öffnete sich die Türe, und ein Mann trat herein. Er gehörte zu den Posten, welche Ali Bey ausgestellt hatte.

      »Herr,« meldete er ihm, »wir haben uns zurückgezogen, denn die Türken sind bereits in Baadri. In einer Stunde sind sie hier.«

      »Kehre zurück, und sage den Deinen, daß sie immer in der Nähe der Türken bleiben, sich aber von ihnen nicht sehen lassen sollen!«

      Wir gingen vor das Haus. Die Frauen und Kinder zogen an uns vorüber und verschwanden hinter dem Heiligtume. Da kam ein zweiter Bote atemlos gelaufen und meldete:

      »Herr, die Türken haben Kaloni längst verlassen und marschieren durch die Wälder. In einer Stunde können sie hier sein.«

      »Postiert euch jenseits des ersten Tales, und zieht euch, wenn sie kommen, zurück. Die Unserigen werden euch oben erwarten!«

      Der Mann kehrte zurück, und der Bey entfernte sich auf einige Zeit. Ich stand am Hause und sah auf die Gestalten, die an mir vorüberzogen. Als die Frauen und Kinder vorbei waren, schlossen sich ihnen lange Reihen von Männern an, zu Fuße und zu Pferde; aber sie verschwanden nicht hinter dem Heiligtume, sondern erstiegen die nach Baadri und Kaloni gelegenen Höhen, um den Türken das Tal freizugeben. Es war ein eigentümliches Gefühl, das ich beim Anblick dieser dunklen Gestalten empfand. Ein Licht nach dem andern wurde ausgeblasen; eine Fackel nach der andern erlosch, und nur das Grabmal mit seinen beiden Türmen streckte seine flammende Doppelzunge noch immer zum Himmel empor. Ich war allein hier. Die Angehörigen des Bey waren fort; der Buluk Emini schlief droben auf der Plattform, und Halef war noch nicht zurück. Da aber hörte ich den Galopp eines Pferdes. Halef sprengte heran. Als er absaß, erdröhnten von unten herauf zwei starke, krachende Schläge.

      »Was war das, Halef?«

      »Die Bäume stürzen. Ali Bey hat befohlen, sie zu fällen, um unten das Tal zu schließen und die Kanonen gegen einen Angriff der Türken zu schützen.«

      »Das ist klug gehandelt! Wo sind die andern von den zwanzig?«

      »Sie mußten auf Befehl des Bey bei den Geschützen zurückbleiben, und er hat außerdem noch dreißig andere Männer zu ihrer Bedeckung beordert.«

      »Also zusammen fünfzig Mann. Diese könnten schon einen Angriff aushalten.«

      »Wo sind die Gefangenen?« fragte Halef.

      »Bereits fort, unter Aufsicht.«

      »Und diese Männer hier ziehen schon zum Kampfe?«

      »Ja.«

      »Und wir?«

      »Bleiben hier zurück. Ich bin begierig, die Gesichter der Türken zu sehen, wenn sie bemerken, daß sie in die Falle geraten sind.«

      Dieser Gedanke schien Halef zu befriedigen, sodaß er nicht über unser Hierbleiben murrte. Er mochte sich auch sagen, daß dieses Bleiben wohl gefährlicher sei, als der Anschluß an die Streiter.

      »Wo