Durch das Land der Skipetaren. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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unschädlich zu machen. Dieselben sahen nur mein Messer und mußten annehmen, daß ich sonst unbewaffnet sei. Das hätte sie jedenfalls zu einer Sorglosigkeit verleitet, die ihnen gefährlich werden konnte.

      Die Gegend von Ostromdscha nach Radowitsch ist sehr fruchtbar. Felder und Weiden wechseln mit Waldungen. Die Strumnitza ist die Fee, welche der Gegend diese Wohltat verleiht.

      Zur Linken hatte ich die nordöstlichen Berge des Welitza Dagh, und zur Rechten senkten sich die Höhen des Plaschkawitza Planina hernieder. Keinen Menschen traf ich, und erst nach mehr als einer Stunde kam mir ein einsamer Bulgare entgegen, den ich an der Kleidung als solchen erkannte.

      Meines grünen Turbans wegen blieb er stehen und verbeugte sich, um mich ehrerbietig vorübergehen zu lassen. Auch der reichste Moslem ehrt den ärmsten, zerlumptesten Scherif; er achtet in ihm den Abkömmling des Propheten, dem es schon bei Lebzeiten vergönnt war, die Himmel Allahs zu schauen.

      Ich hielt mein Pferd vor ihm an, erwiderte seinen demütigen Gruß und fragte ihn:

      »Allah segne den Ausgangspunkt deiner Reise! Wo kommst du her, mein Bruder?«

      »Mein Weg begann in Radowitsch.«

      »Und wohin willst du?«

      »Nach Ostromdscha, wohin ich glücklich gelangen werde, wenn du mir deinen Segen dazu nicht verweigerst.«

      »Er soll dich in vollem Maße begleiten. Bist du vielen Wanderern begegnet?«

      »Nein. Der Weg war so einsam, daß ich meine Gedanken ungestört auf die Wohltaten Allahs richten konnte.«

      »So hast du gar niemand gesehen?«

      »Auf der Straße nur einen einzigen, nämlich den Boten Toma aus Ostromdscha.«

      »Kennst du diesen Mann?«

      »Alle in Radowitsch kennen ihn, denn er besorgt unsere Botschaften hin und her.«

      »Hast du mit ihm gesprochen?«

      »Ich wechselte einige Worte mit ihm. Er war in dem kleinen Weiler eingekehrt, welchen du bald finden wirst, da wo der Weg dich über den Fluß führt.«

      »Bist du auch dort eingekehrt?«

      »Nein, ich hatte keine Zeit dazu.«

      »So weißt du vielleicht, wo der Bote einkehrt, wenn er nach Radowitsch kommt?«

      »Willst du ihn finden?«

      »Vielleicht.«

      »Er kehrt in keinem Khan ein, wie du wohl denken magst, sondern bei einem Verwandten, den er dort hat. Wenn ich dir den Namen desselben sagte, so würdest du ihn doch nicht ohne Hilfe finden, da ich dir die Gassen nicht so genau beschreiben kann. Ich bitte dich daher, in Radowitsch dich noch einmal zu erkundigen.«

      »Ich danke dir. Allah führe dich!«

      »Und dir öffne sich der Himmel!«

      Er schritt weiter, und ich setzte meinen Weg ebenso gemächlich fort, wie ich bisher geritten war.

      Nun konnte ich mir denken, wie die Sache stand. In Radowitsch hielten sich die beiden Aladschy sicherlich nicht auf, weil es für sie zu gefährlich gewesen wäre; sie hatten also wohl in dem Weiler den Boten erwartet, und was sie ferner unternehmen würden, das kam ganz auf die Mitteilungen des Boten an. Keinesfalls mochten sie zu einem offenen Angriff geneigt sein, und ob sie uns hinterrücks mit Kugeln beschenken wollten, das war nun auch zweifelhaft, da sie uns ja jetzt für kugelfest halten mußten.

      Es war noch nicht Mittag; darum meinte ich, daß ich sie noch in dem Weiler treffen könnte. Der Bote hatte ihnen gewiß gesagt, daß ich erst zu dieser Zeit aufbrechen würde. Da hatten sie also noch Zeit genug, sich ein Versteck zu suchen. Ich freute mich natürlich darauf, ihnen ein Schnippchen zu schlagen und an ihnen vorüber zu kommen, ohne von ihnen belästigt zu werden.

      Nach ungefähr einer halben Stunde erreichte ich den Weiler, welcher nur aus einigen Häusern bestand. Der Weg machte eine rechtwinkelige Biegung nach der Brücke zu, und ich erhielt dadurch einen Blick nach der hinteren Seite eines Gebäudes, welches nahe der Brücke stand. Dort weideten zwei Kühe, einige Schafe und auch drei Pferde, von denen zwei gesattelt und – weiß und dunkelbraun gescheckt waren.

      Ich sah sofort, daß es halbblütige Tiere waren, und schätzte, daß sie von einer Mescherdi-Stute stammen mochten. Diese Pferde sind sehr hart, genügsam, haben einen kräftig aufgesetzten Hals und kräftige Hinterbeine, sind aber trotzdem sehr schnell und ausdauernd. Ein guter Reiter kann einem solchen Roß schon etwas zumuten.

      Sollten dies die Pferde der zwei Aladschy sein? Sollten die beiden sich in dem Hause befinden, an welchem ich unbedingt vorüber mußte?

      Es lag mir viel daran, mit ihnen zu sprechen, doch mußte das möglichst unauffällig eingeleitet werden, damit nicht etwa ihr Mißtrauen erweckt würde.

      Als ich die Krümmung hinter mir hatte, konnte ich nun auch die vordere Seite des Hauses sehen. Es gab da ein auf vier Säulen ruhendes Vordach, unter welchem einige Tische und Bänke standen, roh aus Brettern zusammengenagelt. Sie waren leer – bis auf einen, an welchem zwei Männer saßen. Sie sahen mich kommen. Ueberhaupt schienen sie sorgfältig nach beiden Seiten aufzupassen, denn Leute solchen Schlages müssen stets auf ihrer Hut sein.

      Ich sah, mit welch scharfen, mißtrauischen Blicken sie mich beobachteten, und tat, als ob ich vorüberreiten wollte. Da aber erhoben sie sich von ihren Plätzen und traten um einige Schritte vor.

      »Dur – halt!« begann der eine, indem er gebieterisch die Hand erhob. »Willst du nicht ein Gläschen Raki mit uns trinken?«

      Ich war überzeugt, die Gesuchten vor mir zu haben. Sie mußten Brüder sein – sie sahen einander ungemein ähnlich. Beide – gleich hoch und breitschulterig – waren länger und stärker als ich. Ihre dichten, lang ausgezogenen Schnurrbärte, die Wetterfarbe ihrer Gesichter und ihre Waffen verliehen ihnen ein sehr kriegerisches Aussehen. Ihre Gewehre lehnten an den Tischen. In ihren Gürteln funkelten Messer und Pistolen, und an der linken Seite hatte jeder ein Heiduckenbeil gleich einem Säbel hängen.

      Ich schob die Brille auf der Nase zurecht, betrachtete sie mir, wie ein Pädagog einen ungezogenen Jungen betrachten würde, und fragte:

      »Wer seid ihr denn, daß ihr einen Enkel des Propheten in seinem frommen Nachdenken stört?«

      »Wir sind fromme Söhne des Propheten, ebenso wie du. Darum wollen wir dich ehren, indem wir dir eine Erfrischung anbieten.«

      »Raki? Das nennst du eine Erfrischung? Kennst du nicht das Wort des Kuran, welches den Raki verbietet?«

      »Ich weiß nichts von ihm.«

      »So gehe zu einem Ausleger der heiligen Suren, und laß dich unterrichten!«

      »Dazu haben wir keine Zeit. Willst du es nicht lieber selber tun?«

      »Wenn du es wünschest, bin ich bereit dazu, denn der Prophet sagt: Wer eine Seele aus der Hölle erlöst, der kommt sogleich nach seinem Tod in den dritten Himmel. Wer aber zwei Seelen rettet, der geht gleich in den fünften Himmel ein.«

      »So verdiene dir den fünften. Wir sind bereit, dir in denselben zu helfen. Steige also ab, frommer Mann, und mache uns so heilig, wie du selber bist!«

      Er hielt mir den Steigbügel, und der Andere faßte mich beim Arm und zog mich herab, so jeder weiteren Weigerung zuvorkommend.

      Als ich nun aus dem Sattel war, hinkte ich gravitätisch zu dem Tisch, an welchem sie gesessen hatten und sich nun wieder niederließen.

      »Du schleppst ja ein Bein hinter dir her,« lachte der Eine. »Hast du dich beschädigt?«

      »Nein. Es ist mein Kismet,« erwiderte ich kurz.

      »So bist du lahm geboren. Da hat es Allah gut mit dir gemeint, denn wen er lieb hat, dem schickt er ein Leiden. Willst du nicht uns unwürdigen Sündern deinen heiligen Namen nennen?«

      »Wenn ihr in die Tabellen der Nakyb-el-Eschraf schaut, die in jeder Stadt über uns geführt werden, so werdet ihr ihn finden.«

      »Das glauben wir dir. Da wir aber diese Tabellen nicht