»Ist‘s in dem meinigen etwa finster?«
»Ja, weil es in deinen Ländern und Dörfern keine Straßenlaternen gibt. Meine Wissenschaft dagegen ist das reinste Licht. Schon mein Latein allein könnte dich zum gelehrten Manne machen, ohne die andern Wissenschaften, mit denen Allah mich erleuchtet hat. Aber zu einem solchen Glanze bringst du es im ganzen Leben nicht.«
»Ich kenne alle Dörfer der Welt, aber nicht ein einziges, welches Latein heißt.«
»O Allah! Latein soll ein Dorf sein! Weißt du denn nicht, daß das eine Sprache ist, welche jenseit des Meeres – — —«
»Verstehen Sie denn wirklich so gut Latein?« fiel Schwarz, um den ausbrechenden Zwist zurückzuhalten, in deutscher Sprache ein.
»Sehr ausgezeichnet!« antwortete der Slowak schnell in derselben Sprache. »Ich hab es gelernte von Herrrr Wagner. Und Sie habend es gehörte schon von mirrr. Ich hab gesagte doch Fauna und Flora!«
»Aber verkehrt!«
»Das ist geschehnte aus einerr kleinen Versehenheit. Ich hab‘ verstehnte sogarrr die ganze Zoologie und Botanik.«
»Nun, was ist Zoologie?«
»Zoologie ist alles, was seinte in Herbarium.«
»Und Botanik?«
»Botanik seinte alles vom Geschöpf menschliches und Affen, tierlichen, bis herrrab zurrr Raupe, insektliche.«
»Abermals umgekehrt! Zoologie ist Tier-, und Botanik ist Pflanzenkunde.«
»Ist abermals nur aus einerrr kleinen Verwechstelung von Wissenschaft meiniger. Jedermann hat gewüßten, daß Latein ungarisches ist das vortreffenstliche von derrr ganze Welt. Ich hab studiumtierte der Horrraz und der Virgill.«
»Was zum Beispiel?«
»Kaiserrr Max österreichischer an der Martinswand von Virgill.«
»Dieses Gedicht ist, glaube ich, nicht von dem Römer Virgil sondern von Anastasius Grün.«
»So hab ich aberrrmals mich nur versehnte aus Wissenschaft meiniger, gründlicher. Ich hab lernen die Astronomie und Mathematigkeit und viel noch mehr.«
»Wie? Auch die Astronomie? Was versteht man darunter?«
»Das Einmaleins und Quadrat viereckiges.«
»Und unter Mathematik?«
»Die milchige Straße am Himmel und der Kommet, um den Mond laufte.«
»Wieder verwechselt. Die Mathematik handelt unter anderm auch vom Vierecke und die Astronomie von der Milchstraße.«
»So hab ich nur vertauschte Milch, himmlische, mit Einmaleins, auswendiges.«
»Sie scheinen immer zu vertauschen und zu verwechseln?«
»Das kann verzeihen wernte. Professor, zerstreuender, hat auch genommte Besen anstatt Regenschirm. Warum soll Gedächtnis meiniges sich mehr anstrengte als Aufmerksamte seinige? Kenntnisse, die ich habe, sind so viel und groß, daß Verwechselung, zufällige, einmal vorkommen kann.«
»Ja, diese Kenntnisse sind um so erstaunlicher, als ich annehmen möchte, daß Sie keine höhere Schule besucht haben.«
»Nein. Ich war nie der in Schule Gewesente. Ich hütete Schafe und Schweine, Vaterige, und hatte nicht Zeit gefinte, in Schule zu gehente. Aber ich hatte geschenkte bekommen eine Tafel, schieferige, und einen Stift, schieferigen, und zuweilen kam der Sohn, nachbariger, um mir zu zeigen, wie wird gelesen und geschreibt. Dann hab ich geborgt von allen Leuten Kalender, unbrauchbare, und habe studiumtierte fleißig weiter. Später bin ich wanderte aus liebe Heimat meiniger und habe besuchte Leihbibliothek überall, wohin ich kommte. Auch habe ich suchte Bekanntschaftlichkeit von Männern gescheite, um nach und nach zu bekommen Kenntnisse diejenigente, welche verleihen Bildung und alle Gelehrsamtekeitigen. Ich habe lernte sogar Mythologie und Pharmalogie!«
»Sie wollen sagen Pharmakologie. Was verstehen Sie darunter?«
»Pharmalogie ist Kenntnis von Jupiter und Proserpina, von Olymp und Donnergott.«
»Und Mythologie?«
»Mythologie ist Bewußtsein, gelehrtes, von Salben und Pflaster, von Silber, schwefelsaurem, und Rheumatismusketten, Geldbergerige, auch von Schweizerpillen, Richardt Brandtige, und Brechweintestein.«
»Das ist wieder eine Verwechselung. Die Mythologie oder Götterlehre ist es, welche uns über den Olymp und dessen Bewohner unterrichtet, und die Pharmakologie lehrt uns in streng wissenschaftlicher Weise die Arzneimittel kennen.«
»So habe ich nur vertauschte Jupiter mit Geist, salmiakigem, was ihm nicht gereichten wird zu Schaden, großartigem.«
»Darüber können Sie sich allerdings beruhigen. Zeus lebt schon längst nicht mehr. Aber wollen Sie sich Ihr halbes Löwenfell nicht auch so präparieren, wie der ‚Vater des Gelächters‘ es mit dem seinigen thut? Es ist das notwendig, wenn es nicht verderben soll.«
»Ja, ich werde Fell auch schabte ab von Fleisch und reibte ein mit Asche. Fell Ihriges ist auch schon in Arbeit.«
Diese letzteren Worte bezogen sich auf die Dschelabi, welche aus Dankbarkeit dafür, daß Schwarz sie von dem Löwen errettet hatte, die Haut desselben in der angegebenen Weise bearbeiteten, um sie für die eigentliche, spätere Präparation vorzubereiten.
Während dieser Arbeit sprachen sie von der Gefahr, in welcher sie sich befunden hatten, und von dem Mute der drei Männer, welche den Raubtieren so kühn entgegengetreten waren. Da gab es viel über die Person und die Eigenheiten des »Herrn mit dem dicken Kopfe« zu hören. Der Bewohner jener Länder umgibt kein Tier mit einem solchen Nimbus wie den Löwen.
»Glaubt doch nicht solche Dinge!« sagte der Ungar. »Der Löwe ist ein Tier wie jedes andre. Wenn er Hunger hat, so frißt er; dürstet ihn, so säuft er, und ist er satt, so schläft er. In ihm wohnt nicht die Seele eines verstorbenen Menschen. Er hat zwar sehr scharfe Sinne, aber was in stundenweiter Entfernung von ihm gesprochen wird, das kann er nicht hören. Und wenn er die Worte auch wirklich hörte, so könnte er sie doch nicht verstehen. Ich kenne das; ich muß das besser wissen als ihr, ich, der ich sogar Latein sprechen kann!«
Sie ließen sich aber nicht irre machen und fuhren fort, sich allerlei haarsträubende Geschichten zu erzählen, in denen natürlich der Löwe die Hauptrolle spielte. Schwarz hörte eifrig zu. Diese Geschichten waren, obgleich die Erzähler selbst an sie glaubten, nur Märchen, aber der Volkscharakter sprach sich in denselben aus. Dies hielt ihn jedoch nicht ab, seine Aufmerksamkeit zu gleicher Zeit auch auf die Homraraber zu richten, welche sich auch sehr eifrig, doch mit leiser Stimme unterhielten.
Er wußte, daß jeder Beduine ein geborener Räuber ist, ferner daß er durch sein kräftiges Auftreten gegen den Schech sich die Feindschaft dieser Leute zugezogen hatte, und konnte endlich den Gedanken an die Hedj nicht los werden, welche er hinter sich hatte fliegen sehen. Selbst der Schech hatte zugeben müssen, daß diese Vögel ein sichres Zeichen von der Anwesenheit einer Karawane seien. Wo befand sich nun dieselbe? Sie hätte schon längst hier an der Quelle eingetroffen sein müssen. Warum kam sie nicht heran, sondern hielt fern von derselben Rast? Etwa weil die zu ihr gehörigen Leute die »Quelle des Löwen« nicht kannten? Dies war nicht anzunehmen. Und selbst wenn es der Fall gewesen wäre, so hätten die Kamele sich geweigert, sich niederzulegen. Diese Tiere riechen das Wasser oder vielmehr die Feuchtigkeit, welche eine Quelle in der Luft verbreitet, aus stundenweiter Entfernung. Sie sind dann nicht anzuhalten und eilen im Galopp, welche Gangart ihnen sonst streng verboten ist, auf den Brunnen zu. Es war anzunehmen, daß die Männer, aus denen die Karawane bestand, ihre Tiere mit Anwendung von Gewalt zurückgehalten hatten. Und warum? Doch nur, weil sie nichts Gutes beabsichtigten. Der Schluß, daß diese Karawane eine Gum sei, lag sehr nahe.
Man unterscheidet nämlich mehrere Arten von Karawanen. Das Wort lautet eigentlich Karwahn oder Kerwahn und bedeutet einen Wanderzug im allgemeinen. Eine Pilgerkarawane im besondern, also ein Zug von Leuten, welche entweder in Mekka, Medina oder Jerusalem