Der Oelprinz. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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werden soll? Eben deshalb und um sie nur zu betäuben, will ich nichts vom Schießen und vom Stechen wissen. Ich habe mich hundertmal meiner Haut zu wehren gehabt, wobei es mir sehr ernstlich an das Leben gegangen ist, wenn ich mich nicht irre, aber dabei doch nie vergessen, daß Menschenblut der kostbarste Saft ist, den es auf Erden gibt. Ich töte einen Menschen nur dann, wenn es keinen andern Ausweg gibt, also wenn es unbedingt notwendig ist.«

      »Aber diese Halunken haben ihr Leben schon längst verwirkt!«

      »Mag sein.«

      »Sie müssen zertreten werden wie giftige Reptilien, gegen welche man sich nicht anders wehren kann!«

      »Das ist Eure Ansicht, vielleicht die ganz richtige; ich aber bin weder ihr Richter noch ihr Henker.«

      »Aber, Sir, wie könnt Ihr als Westmann so zartfühlend sein! Ihr habt doch gesagt, daß Ihr die Finders uns übergeben wollt?«

      »Allerdings.«

      »Wir werden sie also nach der Hauptstadt transportieren?«

      »Natürlich.«

      »Und was meint Ihr wohl, was dort mit ihnen geschehen wird?«

      »Man wird ihnen Stricke um die Hälse binden und sie an denselben in die Höhe ziehen.«

      »Das ist richtig; man wird sie hängen. Sie werden also sterben. Da ist es doch höchst gleichgültig, ob wir sie hier erstechen oder ob sie dort hingerichtet werden!«

      »Mag sein. Aber Ihr rechnet das eine nicht, daß dort das Gesetz waltet, während sie hier noch nicht verurteilt sind. Nein, nein, wir fangen sie lebendig. Was dann in der Hauptstadt mit ihnen geschieht, das ist Eure Sache.«

      »Hm, so will ich mich Euch fügen; also ganz wie Ihr wollt. Doch behaupte ich, daß diese Schurken eine solche Rücksicht nicht verdienen.«

      Es wurde nun zur That geschritten. Die Soldaten teilten sich zu zweien; Stone, Parker und der Lieutenant übernahmen ihre Führung. Sie entfernten sich, um paarweise die Finders einzuschließen. Adolf Wolf blieb bei Buttler zurück, um ihn zu bewachen; Schi-So mußte Sam Hawkens nach der Stelle führen, an welcher er Buttler überwältigt hatte. Diese beiden letzteren bildeten also ein Glied im Ringe der Finders, während die Soldaten um denselben einen Kreis geschlossen hatten.

      Als Sam sich sagte, daß diese Umschließung vollendet sei, klemmte er einen Grashalm zwischen die Daumen und ließ auf demselben das verabredete Zirpen hören. Hierauf avancierte er mit dem Häuptlingssohne nach der Mitte des Kreises und gab, an dem Wagen angekommen, das zweite Zeichen, worauf er eine Weile wartete. Da kam es zu beiden Seiten leise, leise herangekrochen. Lang ausgestreckt im Graseliegend, sahen die beiden die Finders sich wie Schlangen näher windend. Der Kreis hatte sich so verengt, daß man von einem Gliede desselben aus das andre leidlich erkennen konnte.

      »Buttler, ich bin da,« flüsterte es von rechts herüber.

      »Es geht alles gut,« raunte der andre links. »Verlier doch nicht die Zeit, sondern gib das Zeichen, denn wir sind alle da.«

      Sam wendete sich rückwärts. Seine scharfen Augen sahen Dick Stone mit einem Soldaten hinter dem ersten Sprecher liegen; hinter dem zweiten warteten auch bereits zwei Militärs. Da zirpte er zum drittenmal und warf sich dann nach links auf den Finder, um diese beiden letzteren zu unterstützen, während der Häuptlingssohn nach rechts hin sprang; aber Schi-So brauchte gar nicht zu helfen, denn Dick Stone hatte den betreffenden Finder schon fest beim Kragen.

      Man hörte Kolbenschläge und einige unterdrückte Schreie; dann war es rundum still.

      »Hallo,« rief Sam mit lauter Stimme, »ist alles gut gegangen?«

      »Alles,« antwortete Will Parker auf der andern Seite. »Wir haben sie.«

      »So bringt sie hierher und brennt das Feuer wieder an, damit wir, wie es die Höflichkeit erfordert, ihnen unsre Gesichter zeigen können!«

      Einige Minuten später lagen die gefangenen und gefesselten Finders innerhalb der Wagenburg; um sie herum saßen Sam, Dick, Will, der Lieutenant, Schi-So und Adolf Wolf, während die Soldaten fortgegangen waren, um ihre Pferde zu holen und mit diesen alle Personen, welche sich mit bei denselben befanden. Das Feuer loderte hell und hoch auf, so daß das Lager fast tageshell erleuchtet war.

      Die Finders lagen nebeneinander und zwar jetzt mit offenen Augen. Es war keiner von ihnen erschlagen worden; sie hatten ihre Besinnung wieder; sie sahen und hörten also alles, was um sie her vorging, aber keiner von ihnen schien Lust zu haben, ein Wort zu sprechen, doch konnte man ihre Gefühle leicht aus den wütenden Blicken erraten, welche sie um sich warfen. Es hatte bisher noch niemand eine Frage an sie gerichtet. Sam

      Hawkens wollte damit bis zur Rückkehr der Auswanderer warten, da diese es ja waren, gegen welche der beabsichtigte Ueberfall hatte unternommen werden sollen. Da hörte man von weitem eine jubillerende, weibliche Stimme rufen:

      »We have them, we have them!«

      Es war eine weibliche Stimme, die Ruferin kam näher, erreichte das Lager, kroch unter einer Deichsel hindurch, schoß auf Sam los und schrie ihn an:

      »We have them, we have them!Heeßt das nicht: Wir haben sie, wir haben sie, Herr Hawkens?«

      Es war die liebe Frau Rosalie Ebersbach, geborene Morgenstern, verwitwete Leiermüller. Sie war allen andern vorausgeeilt.

      »Ja,« antwortete Sam. »So heißen diese englischen Worte, wenn man sie ins Deutsche übersetzt.«

      »Also we have them, we have them, wir haben sie! Gott sei Dank. Was für eine Angst habe ich ausgestanden und was für eine Sorge habe ich gehabt! Ich wäre beinahe ausgerissen und wieder herzugekommen, um mit kämpfen, fechten und schtreiten zu helfen. Da aber kamen die Soldaten und sagten:

      »We have them!« Was das in unsrer Mutterschprache zu bedeuten hat, das weeß ich ungefähr und bin offs schleunigste fortgerannt, um sie ooch mit zu haben. Das sind sie wohl, die dahier liegen?«

      Sie deutete auf die Gefesselten.

      »Ja, das sind sie,« antwortete der Gefragte.

      »Aber, was is denn das? Die leben ja noch! Ich dachte, es würden nur ihre toten Leichen zu erblicken sein. Das will mir nich in den Kopp. Is das vielleicht mit Fleiß geschehen?«

      »Allerdings.«

      »Na, da is Ostern heuer off eenen Donnerschtag gefallen, anschtatt off eenen Sonntag, wie sich’s von Rechtswegen ganz von selbst verschteht! Wissen Sie denn nich, Herr Hawkens, daß uns diese Raubmörder und Wildschützen haben um unser Leben bringen wollen?«

      »Das weiß ich allerdings.«

      »Und Sie haben dieselben dennoch nich erschossen? Das is eene Edelmütigkeet, der ich unmöglich meine Billigung zu erteilen vermag. Wer umbringt, der muß wieder umgebracht werden; Ooge um Ooge, Backzahn um Backzahn; so schteht es in der Bibel und in allen Gesetzbüchern geschrieben!«

      »Sind Sie denn wirklich ermordet worden, Frau Ebersbach?«

      »Nee. Wie können Sie nur so fragen! Wenn ich umgebracht wäre, so schtände ich jetzt doch als Geist oder als Geschpenst vor ihnen, und ich hoffe, daß Sie mich nich für so etwas halten.«

      »O nein, als Geist kommen Sie mir gar nicht vor. Also Auge um Auge, Zahn um Zahn. Sie sind nicht umgebracht worden; darum haben wir die Finders auch nicht umgebracht.«

      »Aber sie wollten uns doch ermorden! Das is doch ganz dasselbe, als ob sie uns wirklich ermordet hätten!«

      »Und ich wollte sie dafür erschießen lassen; das ist also ganz genau so, als ob sie wirklich erschossen worden wären.«

      Sie sah ihn in komisch wirkender Betroffenheit an, schlug sich gegen die Stirn und bekannte offenherzig:

      »Was für eene dumme Rosalie ich da gewesen bin! Laß mich da mit meinen eegenen Worten schlagen! Das is mir jetzt zum erschtenmale in meinem Leben vorgekommen, denn Sie können es mir off mein Ehrenwort glooben, daß ich gar nich so leicht zu schlagen bin, wie Sie zu denken scheinen. Wer es in Redensarten und Spitzfindigkeiten mit mir offnehmen will, der muß sehr schpät zu Bette gehen und morgens früh halb dreie wieder munter sein.