Am Stillen Ozean. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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aye! Aber nehmt Euch in acht, Charley; wenn Ihr stürzt, so kann Euch niemand helfen!«

      Ich legte mir den Lasso um den Leib und stieg weiter. Die ganze Höhe des Felsens mochte vielleicht zweihundert Fuß betragen. Von dem vier Fuß breiten Absatze, zu welchem ich mich niedergelassen hatte, war es für einen geübten und schwindelfreien Bergsteiger nicht schwer, bergab zu kommen, und nun ungefähr zwanzig und etliche Fuß über der Sohle des Kessels hörte diese Möglichkeit vollständig auf. Ich langte glücklich dort an.

      Der Chinese war meinen Bewegungen mit gespanntem Auge gefolgt. Jetzt aber stieß er einen Ruf der Enttäuschung aus. Ich drehte mich ihm zu und fragte im Kuan-hoa[21], da ich vermutete, daß er mich da jedenfalls verstehen werde:

      »Wie heißest du?«

      »Kong-ni.«

      »Wo bist du her?«

      »Aus Tien-hia[22], dort im Si[23], über dem Meere.«

      »Aus welcher Provinz oder Stadt?«

      »Aus Kuang-tscheu-fu[24] in der Provinz Kuang-tong.«

      »Wie kommst du hierher?«

      »Ich war auf einem Lung-yen[25], welcher gestern im Teifun zu Grunde ging. Die Wogen haben mich hereingeschleudert, und ich muß sterben, wenn du mich nicht rettest.«

      »Kannst du gut steigen?«

      »Ich war in allen Bergen des Westens; mein Auge ist gut, und mein Fuß zittert nicht. Aber mein Kopf ist an die Felsen geschlagen, so daß mir schwindelt, und mein linker Arm ist verwundet, so daß ich große Schmerzen habe.«

      »Wenn du deine Schmerzen beherrschen willst, so kann ich dich retten.«

      »Ich werde es!«

      Ich schlang den Lasso los und ließ das Schlingende hinab.

      »Lege dir diesen Riemen unter den Armen hindurch um den Leib; ich werde dich emporziehen!«

      Wegen seiner weiten Kleidung und seines verwundeten Armes dauerte es lange, ehe er damit fertig wurde.

      »Wirst du mich nicht fallen lassen?« fragte er empor.

      »Nein. Halte dich mit dem rechten Arme vom Felsen ab, und hilf mit den Füßen nach!«

      Er gehorchte dieser Weisung, und nach wenigen Augenblicken stand er vor mir, bleich und im höchsten Grade angegriffen. Er war noch ein sehr junger Mann von höchstens vierundzwanzig Jahren. Er mußte große Schmerzen haben, denn er hatte sich während meines Emporziehens die Lippen blutig gebissen.

      »Gieb mir deinen Arm; ich will sehen, was ihm fehlt.«

      »Bist du ein Arzt? Kennst du das »Tschang-schi-yi-thuny«[26] und das »Wan-ping-tsui-tschün«?[27]« fragte er mich.

      »Ich kenne beide, und auch den »Yü-tsuan-i-tsung-kinkian«[28],« antwortete ich, um ihm Vertrauen einzuflößen. »Zeige her!«

      Er gab mir den Arm. Die Untersuchung mußte ihm höchst schmerzhaft sein, denn ich fand, daß er den Arm oberhalb des Ellbogens gebrochen hatte.

      »Dein Arm ist entzwei, aber ich werde ihn heilen, sobald sich die Geschwulst ein wenig gesetzt hat. Kannst du hier emporklettern?«

      »Ich könnte es leicht, aber ich bin matt. Stütze mich.«

      Ich that dies, mußte aber bald einsehen, daß es in dieser Weise nicht gehen werde. Ich versuchte, sein Gewicht zu taxieren. Er war zwar kräftig, aber nicht zu stark gebaut.

      »Wirst du dich mit den Beinen festhalten können, wenn ich dich auf meine Achseln nehme?«

      »Wolltest du das wirklich thun?«

      »Ja.«

      »Aber ich weiß nicht, wer du bist, und ich mag nicht das Gesetz verletzen, welches mir vorschreibt, höflich zu sein.«

      »Du wirst dieses Gesetz nicht verletzen, denn ich bin kein Dse-tschung-kuo[29], sondern ein Tao-dse[30], der dir helfen will. Komm, wollen es versuchen!«

      Ich nahm ihn empor, daß er wie ein Reiter auf meinen Schultern saß und die Füße auf meinem Rücken ineinander schlang. Während er sich mit der Rechten an meinem Kopfe und ich mit der einen Hand seine Beine festhielt, versuchte ich, mit ihm bergan zu kommen. Es ging, obgleich ich höchst langsam und vorsichtig steigen mußte, um jeden Fehltritt zu vermeiden.

      Es verging wohl eine halbe Stunde, ehe wir den obern Vorsprung erreichten. Dieser war, wie bereits erwähnt, nur vier Fuß breit, und daher bereitete uns das Absteigen bedeutende Schwierigkeiten. Wir konnten beide leicht hinabstürzen. Ich befahl ihm daher, die Augen zu schließen, kniete nieder und ließ ihn langsam von mir gleiten. Dann rief ich nach oben:

      »Hallo, Master Turnerstick!«

      »Hallo, bin schon da!«

      »Fangt den Lasso auf!«

      Es war nicht leicht, den Riemen empor zu bringen, aber es gelang. Der Kapitän band ihn oben fest, und ich schlang das andere Ende um den Leib des Chinesen.

      »Bleib stehen, bis ich oben bin,« mahnte ich diesen. »Ahoi, Kapt’n! Ich komme. Ist der Riemen fest?«

      »Well! Wenn er nicht reißt, so mag es gehen, denn ich halte fest.«

      Ich griff mich empor und kam auch glücklich oben an. Turnerstick drückte mir freudig die Hand und sagte:

      »Willkommen, Charley! Das war ein fürchterlicher Kurs, den Ihr gesegelt seid; eine solche Passage, und dabei diesen China-Mann auf dem Halse, das ist keine Kleinigkeit. Wer ist der Kerl, wie heißt er, wo kommt er her, was will er hier, und was hat er Euch berichtet?«

      »Das ist ja eine ganze Schiffsladung von Fragen! Werde sie später beantworten, wenn er oben ist. Wir dürfen ihn nicht warten lassen; er hat den Arm gebrochen und leidet große Schmerzen.«

      »Den Arm gebrochen? Armer Teufel! Herauf mit ihm, daß Ihr ihn wieder zusammensplissen könnt!«

      Wir waren jetzt zu zweien; darum ging es besser und leichter als das vorige Mal. Trotzdem sank er, als wir ihn oben hatten, sofort vollständig zu Boden. Die Kraft eines festen Willens hatte ihn bisher aufrecht erhalten, jetzt aber nahm ihn eine wohlthätige Ohnmacht in ihre Arme.

      »Mit dem steht’s schlimm, Charley. Er wird uns doch nicht etwa unter den Händen sterben?« meinte der Kapitän.

      »Nein. Er hat Schiffbruch gelitten und ist von den Wellen in die Bucht geschleudert worden. Das ist natürlich nicht ohne Stöße und Püffe abgelaufen; der Arm ist entzwei; er hat seit gestern oder vielleicht wohl noch seit länger weder gegessen, noch getrunken, so daß es gar kein Wunder ist, wenn er nach der jetzigen Anstrengung die Besinnung verliert. Aber ich muß diese Ohnmacht benutzen und ihn hinunter in das Thal und an das Wasser schaffen. Was Euch betrifft, so bleibt Ihr doch wohl hier?«

      »Ich? Warum?«

      »Diese Höhe blickt gar weit in die See hinaus, und ich denke, daß Ihr sie als Leuchtturm schmücken wollt.«

      »Ich? Wer hat Euch das weisgemacht?«

      »Ihr selbst, Sir. Oder sagtet Ihr vorhin nicht, daß Ihr lieber an tausend Masten hinauf als hier wieder herunter wollt?«

      »Redensart, Charley, nichts als Redensart! Wenn einem Menschen die Rakete in den Kopf fährt, so ist er im stande, Dinge zu sagen, an die er selber niemals glaubt.

      Aber auf welche Weise werden wir diesen Mann hinunterbringen? Ich habe mit mir selbst grade genug zu schaffen, wenn ich nicht wie eine Bombe nieder in das Thal platzen will.«

      »Ich werde Eure Hilfe gar nicht brauchen; nur bitte ich Euch, mein Gewehr


<p>21</p>

Die Sprache der gebildeten Chinesen.

<p>22</p>

Deutsch: »Unter dem Himmel« oder auch »Welt«, wie die Chinesen ihr Reich nennen.

<p>23</p>

Westen.

<p>24</p>

Canton.

<p>25</p>

Wörtlich: »Drachenauge«. So nennen die Chinesen eine Art ihre Dschunken, deren aufgerichtetes Vorderteil einem Drachenkopfe mit außerordentlich großen Augen nachgebildet ist.

<p>26</p>

Deutsch: »Die ganze Heilkunde von Tschang-schi«, von Tschang-lu-yü, dem Sohne jenes berühmten Artzes, im Jahre 1705 herausgegeben.

<p>27</p>

»Der zurückkehrende Frühling aller Krankheiten.« Beide Bücher gehören zu den vorzüglichsten klassisch-medizinischen Werken der Chinesen.

<p>28</p>

Wörtlich: »Goldener Spiegel der Arzneikunst«, auch eines der klassischen Lehrbücher.

<p>29</p>

»Sohn aus dem Reiche der Mitte«, also Chinese.

<p>30</p>

»Sohn der Vernunft«, ein Deutscher.