Am Jenseits. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Allah!« rief er da aus. »Ich glaubte, auf die Erde zurückgekehrt zu sein, und befinde mich doch noch bei dir, der du mich geleitet hast! Nein, du bist nicht Ei Ghani, der niemals solche Worte hat. Nimm mich wieder bei der Hand, und sage mir, ob ich auch zu denen gehöre, die mit geschlossenen Augen leben und deren Erwachen so schrecklich sein wird!«

      »Hast du die Liebe?

      Warum tat ich grad diese Frage? Wohl weil ich kurz vorher mit den Haddedihn von der Liebe gesprochen hatte. Das Verhalten und die Worte des Arabers waren mir nicht klar. Ich wußte nicht eigentlich, wen er mit ihnen meinte. Die Szene war überhaupt eine ganz eigenartige. Rings um uns die verbrannte, unbegrenzte Wüste, über weicher auch noch jetzt die Geier hungrig schwebten, die während der Nacht wohl in unserer Nähe gesessen hatten, die grotesken Formen der hochbeinigen, höckerigen Kamele, der andächtige Kreis der phantastisch gekleideten Beduinen, der rätselhafte, fremde Mann hier neben dem offenen Grabe mit seinen mir unerklärlichen Reden, unser vorhergehendes, religiöses Gespräch und die Stimmung, in weicher ich mich infolgedessen befand, dazu die Bedeutung des wie mit aus dem Grabe auferstandenen Ali-Spruches, das alles zusammen mochte als Ursache wirken, daß ich nichts anderes als nur diese Frage brachte.

      »Die Liebe?« antwortete er. »Wird grad sie so wichtig für den Augenblick des Erwachens aus dem Schlafe sein?«

      »Nur sie allein ist wichtig. Sie ist das Öl der Lampe, ohne welche du den rechten Weg nicht finden kannst.«

      »Das Öl? Der Lampe?« fuhr er aus seiner noch immer wie lauschenden Haltung empor. »Das klingt ja wie der Gang der Jungfrauen zur Nikiah (Hochzeit)!«

      »Ja«, fiel ich unter dem Eindrucke dieses Wortes, ohne zu bedenken daß ich einen Moslem vor mir hatte, der nicht wissen durfte, daß ich Christ war, schnell ein. »Das Himmelreich wird gleich sein zehn Jungfrauen, weiche ihre Lampen nahmen, um auszugehen, dem Hochzeitszuge entgegen. Fünf von ihnen waren töricht und fünf aber klug; die fünf Törichten nahmen zwar ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit sich; die Klugen hingegen aber nahmen samt den Lampen auch Öl in ihren Gefäßen mit. Als nun der Bräutigam verzog, wurden alle müde und entschliefen. Um Mitternacht aber erhob sich ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; gehet heraus, ihm entgegen! Da standen alle diese Jungfrauen auf und richteten ihre Lampen zu. Die Törichten aber sprachen zu den Klugen: Gebt uns von eurem Öle, denn unsere Lampen verlöschen! Da antworteten die Klugen und – — – —

      Bis hierher war ich gekommen, doch weiter kam ich nicht. Während ich erzählte, ging mit dem Münedschi eine ungewöhnliche Veränderung vor, ungewöhnlich wenigstens in Beziehung auf seinen Schwächezustand. Es war, als ob seine Adern sich mit neuem Blute füllten und seine Nerven neuen Lebensreiz bekämen. Er richtete seinen Oberkörper auf, höher und immer höher. Seine Augen öffneten sich und richteten ihren strahlenden, unbeschreiblichen Blick auf mich, die Falten seines Gesichtes schienen sich zu füllen, und das Spiel der Mienen wurde von Satz zu Satz, den ich sprach, immer lebhafter, bis er, beide Hände gegen mich ausstreckend, mich mit dem ängstlich abwehrenden Rufe unterbrach:

      »Halt ein; halt ein! Ich mag nichts weiter hören! Ich habe mich in dir geirrt. Du bist nicht der, der vorhin noch bei mir war und für den ich dich bis jetzt gehalten habe!«

      »So sag, wer du dachtest, daß ich sei!«

      »Ben Nur (Sohn des Lichtes), der Bote des Propheten. »

      »Der bin ich nicht und kenne ihn auch nicht. Sein Name steht in keinem Buche verzeichnet, welches von dem Propheten handelt.«

      »In keinem irdischen Buche, aber im Kitab et Tubanijin (Buch der Seligen) ist er zu finden. Nun weiß ich nicht, wo ich jetzt bin, denn du bist nicht Ben Nur und bist auch nicht El Ghani. Bin ich noch im Lande der Verstorbenen, oder kehrte ich schon wieder auf die Erde zurück?«

      Sonderbar, höchst sonderbar! Hatten wir es etwa mit einem Irren, einem Wahnsinnigen zu tun? Er schaute mit weit geöffneten, glänzenden Augen um sich, die unmöglich blind sein konnten, mußte uns also doch sehen. Und im Lande der Verstorbenen wollte er gewesen sein? Er wurde el Münedschi genannt, der Wahrsager. Dieses türkische Wort bedeutet auch Sterndeuter. Wahrsager, Stern und Zeichendeuter, diese Worte haben selbst für jemanden, der sonst nicht nach biblischen Verboten fragt, einen warnenden Beigeschmack. Ich mußte an den Hokuspokus der südafrikanischen Regenmacher, die indianischen Medizinmänner und ähnliche zweideutige Existenzen denken. Einen so tiefen, Ehrfurcht erweckenden Eindruck dieser Mann erst auf mich gemacht hatte, jetzt fühlte ich nur noch die Notwendigkeit, vorsichtig gegen ihn zu sein. Hanneh war weit zurückgetreten; Halef sah ihn mißtrauisch von der Seite an, und die Haddedihn schienen nicht im Klaren darüber zu sein, ob sie sich wundern oder über ihn lachen sollten

      »Du bist natürlich auf der Erde«, beantwortete ich seine letzte Frage.

      »Wo da?«

      »Wo du vorher warst.«

      »Ich war bei El Ghani. Wo ist er? Ich höre ihn nicht.«

      »Aber du siehst doch uns!«

      »Euch? Sehen? Allah w‘Allah! Deine Worte sagen mir, daß ich mich bei Leuten befinde, die mich gar nicht kennen. Seht ihr denn nicht, daß ich blind bin?«

      »Nein, das sehen wir nicht. Du scheinst vielmehr ganz vortreffliche Augen zu besitzen.«

      »Du irrst. Ich weiß, daß meine Augen glänzen, aber dieser Glanz ist Täuschung. Ich höre deiner Stimme an, wie weit du dich von mir befindest, aber ich kann dich nicht erkennen. Nur wenn du ganz nahe zu mir herankommst, kann ich dich wie die dunkle, verschwimmende Schattengestalt eines bösen Geistes erkennen.«

      »Du scheinst solche böse Geister gesehen zu haben?«

      »O sehr oft! Aber wo ist El Ghani? Ich bin besorgt um ihn und also auch um mich. Er ist der einzige, der mich verstehen und behandeln kann, er, mein Wohltäter, ohne den ich längst gestorben wäre. Sagt es mir! Ich bitte euch!«

      Das schien der Ton wirklicher, ungeheuchelter Angst zu sein. Ich wollte und mußte ihn prüfen. Darum legte ich die Hand um den Griff meines Messers, welches ich im Gürtel stecken hatte, zog es plötzlich heraus und stieß damit nach seinem Gesicht, als ob ich ihn ins Auge stechen wolle. Er zuckte, obgleich dieses letztere fast von der Spitze der Klinge berührt wurde, doch mit keiner Wimper und veränderte auch den Ausdruck des Gesichtes nicht im geringsten. Ein Sehender hätte sich bei dieser meiner plötzlichen Bewegung doch wohl anders verhalten; er schien also doch wirklich blind zu sein. Darum antwortete ich in freundlicherem Tone als zuletzt.

      »Du wirst die gewünschte Auskunft erhalten, wenn du vorher uns welche über dich gegeben hast. Vor allen Dingen will ich dir sagen, daß du dich um dich nicht zu ängstigen brauchst. Du befindest dich bei guten Menschen, weiche dich als Freund und Hilfsbedürftigen behandeln werden. El Ghani ist ein Mekkaner?«

      ja; wir alle sind aus Mekka. Aber ich bin blind und sehe euch nicht; ich weiß also nicht, ob und wie ich euch antworten soll und darf. Ich bitte euch also, nachsichtig gegen meine Unbehilflichkeit zu sein und mir zuerst zu sagen, wer ihr seid!«

      »Komm erst zu unserem Lagerplatz! Du hast nur höchstens fünfzig Schritte weit zu gehen.«

      »So führe mich!«

      Ehe ich ihn bei der Hand nahm, wiederholte Halef mein voriges Experiment mit seinem Messer. Der Blinde bemerkte es wirklich nicht., Dann, als wir gingen, nahm ich ihn so, daß das Grab grad vor ihm lag. Drei Schritte, und dann wäre er unbedingt hineingelaufen, wenn ich ihn nicht auf die Seite gezogen hätte. Der Ortswechsel wäre gar nicht notwendig gewesen, wenn ich ihn nicht vorgeschlagen hätte, um den Gang dieses Mannes zu prüfen. Er bewegte sich mit einer Unsicherheit, welche gewiß nicht bloß eine Folge der ausgestandenen Anstrengungen und Entbehrungen war. Obgleich er von mir geführt wurde, waren seine Schritte so vorsichtig suchend, wie man es nur bei Blinden beobachtet und ein Sehender es nicht nachmachen kann. Wir hatten es also nicht mit einem Simulanten zu tun.

      Die guten Folgen dieser bestandenen Prüfung gaben sich sofort im Verhalten der Haddedihn zu erkennen, die nun nicht mehr Mißtrauen gegen, sondern herzliches Mitleid für ihn fühlten. Sie reiteten ihm einen weichen Sitz und fragten ihn nach Wünschen, die sie vielleicht erfüllen könnten. Er bat wieder um Wasser. Als er nun