»Die Kirche mag zum – glaubst du, ich ginge in einem solchen Aufzug in die Kirche? Nein, dieser Rothaut will ich erst noch ordentlich meine Meinung geigen. Ist das Sitte, sich leise und nach der verdammten indianischen Art an einen Gentleman heranzuschleichen und ihm das Wild aus den Händen herauszuschießen?«
»Aber, Onkel, Sie hätten den Hirsch ja keine zwei Sekunden länger halten können!«
»Keine zwei Sekunden länger? Und was weiß denn der Gelbschnabel davon, wie lange ich ihn hätte halten können? Hat mein Bruder doch einmal einen Bären eine ganze Nacht hindurch…«
»Lebendig wollten Sie sich den Hirsch doch nicht aufheben?« unterbrach ihn der Neffe, der nicht mit Unrecht eine der langen Geschichten befürchtete.
»Und warum nicht? Hab’ ich nicht eine Fenz, die hoch genug ist, ein Rudel Hirsche drin zu halten, und geht das die Rotjacke etwas an, was ich mit meinem Eigentum zu tun beabsichtige? Nun, was gibt’s dabei zu grinsen, he?«
Der Indianer, gegen den diese zornigen Reden geschleudert wurden, war indessen ruhig, und ohne ein Wort zu erwidern, mit dem Laden der Büchse beschäftigt gewesen, die er zuerst etwas ausgewischt und gereinigt hatte. Dabei verzog sich aber sein Gesicht zu einem breiten, freundlichen Lächeln, das zwei Reihen blendendweißer Zähne sehen ließ, und er erwiderte in gebrochenem Englisch:
»Mein Vater ist sehr stark, aber ein Hirsch ist schnell, und einmal aus den Händen des weißen Mannes, würde er nie wieder seine Fährten in den weichen Boden des Fourche la fave gedrückt haben. Mein Vater wollte Fleisch – hier ist es.«
»Der Teufel ist dein Vater«, brummte Harper vor sich hin; »wenn ich das Fleisch jemandem zu verdanken habe, so ist’s diesen beiden Knochen«, und er zeigte dabei seine kräftigen Arme. »Aber nicht wahr, Junge!« fuhr er, in der Erinnerung an seine Heldentat wieder freundlich werdend, fort, »nicht wahr, das macht mir so leicht keiner nach? Ein Glück ist’s übrigens, daß ihr beide es gesehen habt, denn hol’ mich dieser und jener, wenn Roberts mir allein ein Wort davon geglaubt hätten. Schändliches Volk das, als ob ich jemals eine Lüge erzählte! Aber da feixen sie und feixen und sehen sich einander an und stoßen sich in die Rippen, als wenn sie in einem fort sagen wollten: ’Du – das ist wieder einmal eine göttliche Geschichte.‹ Doch jetzt muß ich mich waschen, das Zeug wird sonst trocken.«
»Wir werden zu spät zur Predigt kommen«, sagte Brown, etwas ungeduldig nach der Sonne sehend.
»O geh mit deiner Predigt, wohin du willst – was liegt daran, den Schleicher, den Rowson, predigen zu hören! So gut kann ich’s auch, und was des Burschen Frömmigkeit…«
»Wollen Sie denn erst wieder nach Hause reiten?«
»Versteht sich – geh nur immer voran, ich komme schon noch zur rechten Zeit.«
»Was wird aber mit dem Wildbret?«
»Was mit dem Wildbret wird, Musjö Naseweis? Das ist sehr leicht zu sagen, das marschiert auf meinem Pony in meine Küche, ich denke, ich hätt’ es redlich genug verdient. – So, Assowaum, das ist recht«, wandte er sich jetzt an den Indianer, der das erlegte Wild an dem kurzen Gehörn hinab zum Bache zog, um den dicken Lehm abzuspülen, »wasch ihn ab, daß ihn ein ehrbarer Christenmensch mit Anstand aufs Pferd nehmen kann; aber hallo – was ist das, Mr. Skalpiermesser – was, zum Henker, machst du?«
Der Ausruf bezog sich auf das Beginnen des Indianers, der mit größter Kaltblütigkeit den Hirsch aufbrach und anfing eine Keule abzustreiten. »Ich will das Fell nicht herunter haben, hörst du? – Der Kerl ist taub.«
Assowaum ließ sich aber nicht irre machen, sondern löste höchst ruhig und gelassen eine Keule aus dem Wildbret, hing sich diese mit einem Streifen Hickoryrinde über die Schulter und erwiderte erst dann ganz ruhig:
»Der weiße Mann ist allein in seinem Wigwam, und Assowaum ist hungrig.«
»Oh! Nimm meinetwegen die Hälfte vom Wildbret. Ich werde ja aber ganz blutig.«
»Aber nicht mehr schmutzig«, antwortete der Indianer lakonisch, nahm seine Büchse wieder auf die Schulter und schritt schnell die Straße hinauf, den beiden Männern die weitere Sorge für ihr Wild überlassend. Brown half seinem Onkel den angebrochenen Hirsch aufs Pferd heben, der sich dann dahinter in den Sattel schwang und, bald wieder guter Laune, seinen Neffen nun vor allen Dingen beschwor, die Geschichte bei Roberts nicht eher zu erzählen, als bis er selbst nachkäme. Er wolle nur schnell nach Hause reiten und seine Kleider wechseln und bliebe nicht lange. Brown versprach ihm das und trabte hinter dem Indianer her, der inzwischen einen großen Vorsprung gewonnen hatte.
3. Der Indianer und der Methodistenprediger – Die Einladung zur Hochzeit
Assowaum, der Befiederte Pfeil, gehörte zu einem der Stämme aus dem nördlichen Missouri und war vor mehreren Jahren, da das Wild immer seltener in den dichter und dichter bevölkerten Jagdgründen der Seinigen wurde, mit den beiden Weißen Harper und Brown bekannt geworden und nach dem Süden gewandert. Aber nicht des Wildes wegen allein hätte er seinen Stamm verlassen, sondern er war auch gezwungen worden, der Rache seiner Feinde zu entgehen, da er einen Häuptling erschlagen, der, von dem Feuerwasser der Europäer berauscht, seine Squaw überfallen hatte, während ihr Hilferuf den Retter und Rächer herbeirief. Mit dieser hatte er sich jetzt unfern von Harpers Wohnung einen kleinen Wigwam erbaut und lebte von der Jagd. Sein Weib aber flocht aus dem schlanken Schilf, das in den Niederungen des Südens wächst, zierliche Körbe und aus der geschmeidigen Rinde des Papaobaumes weiche Matten, die Assowaum dann mit seinen Fellen den Fluß hinunter nach Little Rock schaffte und an die Handelsleute der noch jungen Stadt gegen Pulver und Blei oder sonstige Lebensbedürfnisse, auch wohl, aber freilich sehr selten, gegen bares Geld eintauschte.
Hier nun war sein Weib von dem Methodistenprediger oder sogenannten »Circuit Rider« (da er abwechselnd fast in allen Ansiedlungen dieses wie des benachbarten County predigte) zur christlichen Religion bekehrt worden. An Assowaum dagegen scheiterten alle derartigen Versuche, und vergebens bemühte sich Rowson fortwährend, den Verstockten, wie er ihn nannte, dem Glauben seiner Väter abwendig zu machen und in die Arme der »alleinseligmachenden Kirche« der Methodisten zu führen. Der Indianer beharrte darauf, in jenem sterben zu wollen, und ließ sich durch all die Ermahnungen und Drohungen des fanatischen Priesters nicht irre machen.
Alapaha, die Squaw Assowaums, war schon am frühen Morgen zur Ansiedlung des weißen Mannes aufgebrochen, um dort den Geistlichen predigen zu hören, und Assowaum selbst folgte ihr jetzt dahin, teils um sie von dort abzuholen, teils um eine Partie Otterfelle nach seinem Wigwam mitzunehmen, die er vor mehreren Wochen in der dortigen Gegend erbeutet und in Roberts’ Haus aufbewahrt hatte. Der größte Teil der Ansiedler war übrigens den beiden Indianern freundlich gesinnt, denn sie betrugen sich ordentlich und waren gefällig, wo sie nur jemandem einen Dienst leisten konnten. Doch blieb der Krieger stets viel ernster und zurückhaltender als sein Weib, das sich gern mit den Kindern beschäftigte und ihrer tollen Spiele nie müde zu werden schien.
»Bist du schon je einer solchen Figur begegnet, wie sie mein Onkel eben darstellte?« fragte der junge Mann lachend, als er den Indianer endlich einholte.
»Sah aus wie eine Schlammschildkröte«, antwortete dieser grinsend, »nur noch viel schmutziger. Der alte Mann wird dann eine große Geschichte erzählen, wenn er zu den Hütten der Freunde kommt.«
»Und ob der eine große Geschichte erzählen wird! Sonderbar war’s aber doch, daß er das Tier so lange halten konnte; ich würd’s ihm selbst nicht glauben, wenn ich’s nicht mit eigenen Augen gesehen hätte.«
»Seine Knochen sind eisern«, erwiderte Assowaum. »Aber der Hirsch ist auch stark, und wäre Assowaum eine Minute später gekommen, so hätte er weiter kein Fleisch in der Salzlecke gefunden als den kleinen Mann.«
»Mag sein, das bestreitet er jedoch gewaltig, er schwört jetzt sicherlich darauf, daß er den Hirsch hätte die ganze Nacht halten können.«
»Der alte Mann hat dicke Worte«, sagte der Indianer.
»Kennst du den alten Bahrens, der kürzlich das kleine Haus am Petite-Jeanne gebaut hat?«
Assowaum