»Ja, das hab’ ich auch gesagt«, rief Heathcott lachend, der entweder die alte Dame nicht verstand oder nicht verstehen wollte, »es ist eine Schande. Bei dem Krämer am Petite-Jeanne könnte sie, für einen Dollar die Gallone, das beste Gebräu in der Welt bekommen – echten Monongahela-Whisky.«
»Mr. Heathcott sollte doch eigentlich sehen«, sagte Rowson milde, »daß ein Gespräch über Whisky den Ohren der Mrs. Roberts nicht gerade angenehm ist.«
»Mr. Rowson täte wohl, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern«, antwortete Heathcott scharf.
»Ich habe den Pferden etwas Korn geben lassen, Gentlemen!« rief jetzt der alte Roberts, der eben mit Harper und Brown aus dem Pferdestall zurückkehrte, zur Tür herein.
»Dank Euch! Dank Euch!« riefen Smith und Heinze, froh, eine Ausrede zu haben, vom Tisch aufzustehen und ein Gespräch zu unterbrechen, das nur unangenehm enden konnte.
Smith blieb noch einen Augenblick zurück, als die anderen Männer hinausgingen, und sagte freundlich zu Mrs. Roberts:
»Sie müssen Heathcott die rauhe Rede nicht so übelnehmen, Madame. Wir sind scharf geritten heute morgen, und wie wir zu Bowitts kamen, trank er wohl eigentlich ein wenig mehr, als sich gehörte.«
Die alte Dame erwiderte nichts und schaukelte nur heftiger, Rowson dagegen dankte dem Nachbar freundlich für seine gute Meinung und versicherte ihm, er hege nicht den geringsten Groll gegen Heathcott. »Er ist ein rascher, junger Mann«, fuhr er gutmütig lächelnd fort, »und meint auch wohl nicht alles so bös, als es bei ihm herauskommt.«
»Ich werde ihm sehr verbunden sein, wenn er mein Haus nicht wieder mit seiner Gegenwart beehrt«, platzte Mrs. Roberts endlich heraus. »Ich erziehe mein Kind gottesfürchtig und will weder, daß dieses in meinen eigenen vier Wänden ein böses Beispiel sieht, noch…«
»Aber, Mutter!« bat Marion.
»… noch, daß fromme Leute«, fuhr die alte Frau, ohne sich unterbrechen zu lassen, fort, »die das reine Gotteswort predigen, unter meinem Dache beleidigt werden – sagen Sie das dem Mr. Heathcott.« Und aufs neue begann sie heftig in dem Stuhl zu schaukeln.
Smith, ein ruhiger, friedliebender Mann und selbst Methodist, war zu sehr mit alledem, was Mrs. Roberts eben gesagt hatte, einverstanden, um etwas dagegen einzuwenden, und folgte schweigend den übrigen vor die Tür. Dort hatten sich die meisten teils auf Stühlen, teils auf Baumstämmen und Trögen niedergelassen und sprachen von dem, was ihnen allen am nächsten lag; von den immer mehr und mehr um sich greifenden Pferdediebstählen.
»Die Schufte müssen hier im County einen Hehler haben, sonst begreif’ ich nicht, wie es möglich ist, daß sie uns immer irreführen«, sagte Mullins.
»Ja, und wohin sie die gestohlenen Pferde schaffen, bleibt mir auch ein Rätsel«, rief Roberts, »ein Gaul ist doch kein Vogel, der über die Erde geht, ohne Spuren zu hinterlassen.«
»Nur Geduld!« beteuerte Heathcott, »nur Geduld, es hat jedes sein Ziel, und wir erwischen die Burschen einmal, wenn sie sich’s am wenigsten versehen. Aber dann will ich verdammt sein, wenn ich einem von den Hunden das Leben schenke. Lumpig ist’s, daß sie im vorigen Jahr die Todesstrafe auf Pferdediebstahl hier in Arkansas abgeschafft haben, das hieß dem Volke mit klaren Worten sagen: Jetzt helft euch selber – wir wollen’s nicht mehr.«
»Ich weiß nicht, hart bleibt’s immer, eines Pferdes wegen ein Menschenleben zu nehmen«, warf Brown ein.
»Hart? Zum Teufel auch!« rief Heathcott, sein großes Messer neben sich in die Rinde des Stammes stoßend, auf dem er saß, »wer mir ein Pferd stiehlt, stiehlt einen Teil meiner selbst. Ich habe jetzt drei verkauft und trage das Geld davon bei mir, es ist sozusagen mein ganzes Vermögen, mit dem ich mich anzubauen gedenke. Wer mir die Pferde gestohlen, hätte mir damit auch zugleich meinen ganzen künftigen Lebensplan zerstört und das ist schlimmer, als wenn er mich über den Haufen geschossen. Nein, Tod den Schuften! Laßt sie nur sehen, daß es uns ernst ist, und wir werden sie, das heißt die, die wir nicht gehängt haben, bald aus Arkansas lossein.«
»Euch scheint an einem Menschenleben wenig zu liegen«, warf Brown ein.
»Sehr wenig«, antwortete Heathcott, sein Spiel mit dem Messer wiederholend.
»Ihr taxiert dann das Eure auch nicht besonders hoch?« meinte Harper lachend, »sonst würdet Ihr’s nicht mit dem jedes Lumps in die Waagschale legen.«
»Hoch genug, um den neun Zoll langen Stahl den schmecken zu lassen, von dem ich glauben müßte, daß er mir gefährlich werden könnte«, rief Heathcott, sich wild im Kreise umsehend. »Dies ist ein freies Land, und jeder hat seine Ansichten, ich will aber verdammt sein, wenn ich die meinigen nicht oben behalte – soviel ist sicher. Aha, da ist auch der Mr. Rowson wieder«, fuhr er höhnisch fort, als er die ehrwürdige Gestalt dieses Mannes, mit dem Hut auf dem Kopf und dem Gebetbuch unter dem Arm, in der Tür bemerkte. »Auch einer von den Schleichern, die mit dem Schafsfell prahlen und den Fuchs nur zuweilen durchschauen lassen.«
Rowson wandte sich an den Negerknaben, der eben zum Haus kam, und bat ihn, sein Pferd zu holen. Heathcott aber, durch die Nichtachtung des Predigers, der sich stellte, als ob er die Worte gar nicht gehört hätte, erbost, sprang auf und rief drohend:
»Nun, Meister Höllentreter, ich dächte, ich wäre einer Antwort wert, wenn ich auch ein Sünder bin.«
Ehe aber Rowson nur ein Wort erwidern konnte, sprang Brown auf, faßte Heathcott an der Brust und schleuderte ihn mit so gewaltigem Griff zurück auf seinen Platz, daß er über den Stamm hinwegflog und sich im Fall blutig schlug. Alle anderen sprangen erschrocken empor, mit ihnen aber auch der Kentuckier. Das Messer ergreifend, das neben ihm heruntergefallen war, setzte er mit einem Sprung über den umgestürzten Baum hinweg und wollte sich eben auf seinen Angreifer werfen, als dieser ihm, ohne einen Zollbreit von seiner Stelle zu weichen, ein gespanntes Terzerol entgegenhielt. Heathcott, der keine Waffen bei ihm vermutet hatte, fuhr zurück und wollte seine Büchse ergreifen. Die übrigen Männer fielen ihm aber in den Arm und riefen einstimmig, daß sie keinen Mord hier dulden wollten.
»Zurück mit Euch«, schrie Heathcott, »zurück! Laßt mich an den Buben – das fordert Blut. Sein Herzblut muß ich haben – verdamm’ Euch.«
»Laßt ihn los«, sagte Brown jetzt, das Terzerol einsteckend und ein ebensolches Messer, wie es Heathcott führte, unter der Weste hervorziehend, »laßt ihn los, und wir können dann gleich sehen, wer der beste Mann ist.«
»Um Gottes willen, Mr. Harper, dulden Sie das Schreckliche nicht —« bat Marion, die mit totenbleichem Gesicht die Hand des alten Mannes ergriff, »der böse Heathcott bringt ihn um.«
»Seien Sie ruhig, liebes Kind«, beschwichtigte Harper die Flehende, »und gehen Sie vor allen Dingen ins Haus zurück. Dies ist jetzt kein Platz für ein junges Mädchen – hat die Kugel erst einmal das Rohr verlassen, so weiß niemand, wohin sie geht.«
»Er wird ihn töten«, klagte das Mädchen.
»Wen? Ihren Bräutigam? Nein. Er hat ja den Streit mit meinem Neffen.«
Marion barg schluchzend das Gesicht in ihrem Tuch und ließ sich willenlos von Rowson, der zu ihr getreten war, ins Haus geleiten.
»Zurück! Sag’ ich«, schrie Heathcott in höchster Erregung, »gebt mir meine Büchse, ich muß den Hund über den Haufen schießen.«
»Laßt ihn los«, wiederholte Brown in schnell auflodernder Kampflust. »Laßt ihn frei, er hat Messer genug an sich stecken, einen ehrlichen Kampf zu wagen – weg da, Männer von Arkansas!«
»Gut!« sagte Mullins, »Ihr mögt es ausfechten, aber die Büchse bekommt er nicht. Wir wollen keinen Mord dulden; ein Kampf ist etwas anderes.«
Heathcott sah sich im nächsten Augenblick frei, und die Männer bildeten einen Kreis um die beiden. Der eben noch so wilde Kentuckier schien jedoch durch den festen, furchtlosen Blick seines Gegners gewaltig abgekühlt, und wenn er auch krampfhaft das Messer mit