»Ja, Bob, im Leben wie im Tode,« wiederholte Bell ergriffen, »lieber an der Seite des stolzen Königs aller Vaqueros in der Erde, als neben einem König sitzen auf goldenem Thron. Denn du bist mein schöner, mein kühner und verwegener Bob; bei dir allein fühle ich mich gesichert gegen alle Unbilden. Und was die Leute von dir reden mögen: du bist und bleibst mein einziger Trost, mein einziges Hoffen und Glück.«
»Laß sie reden,« versetzte King Bob geringschätzig, »hör' ich's nicht, brauch' ich keinen zu strafen,« und sie im Arm haltend, bewegte er sich auf die Hütte zu. »Was sie mir aber anhängen, will ich nicht wissen. Auch nenne keinen Namen, oder jeder Tropfen Gift, den sie in dein Blut flößen, kostet eines Mannes Leben – nicht doch, Bell, erschrecke nicht. Ich bin wohl rauh und wild, aber du bist meine Königin, die Königin aller Vaqueros zwischen hier und bis tief nach Neumexiko hinein; meine Königin, auf die ich höre und die nur mit den Augen zu winken braucht, um mich in ein Lamm zu verwandeln.«
Sie waren vor dem Kaw eingetroffen. King Bob begrüßte ihn freundschaftlich. »Sorge für mein Pferd,« sprach er zu ihm, »laß es aber unter dem Sattel und aufgezäumt. Trittst du ihm näher, rufe es mit »Billy Ho« an, oder es schlägt um sich, wie vom Teufel besessen. Da liegt auch meine Büchse, die nimm an dich und halte sie bereit. Man weiß oft nicht, wie schnell man in den Sattel muß. Naht Gefahr, dann gieb ein Zeichen. Wir sitzen da drüben auf dem Ufer,« und den Arm um Bells Schultern legend, schritt er mit ihr davon.
Auf einer Stelle, wo der Fluß das gegen fünfzehn Fuß hohe Ufer bespülte, benutzten sie den grasigen Rand als Bank. Der Mond war eben aufgegangen. Die oberen Luftschichten erhellend, sandte er noch die Schatten der Waldmauer über sie hin. Ihnen zu Füßen gurgelte und sprudelte der zur Zeit seichte Fluß, indem er seinen Weg zwischen Wurzeln hindurch und um bloßgewaschenes Gestein herum suchte. Wie geheimnisvolles Räumen und Plaudern klang es, daß es mit den gedämpften Stimmen der jungen Leute gleichsam ineinander verschwamm.
»Du bist also bereit, mich zu begleiten?« fragte King Bob.
»Zu jeder Stunde, ob bei Tag oder Nacht,« beteuerte Bell aus überströmendem Herzen. »Ich liebe meine Eltern und Brüder sicherlich, daß ich mein Leben für sie hingeben möchte, allein unglücklich fühle ich mich hier über alle Maßen. Dich immer wieder geschmäht zu hören, raubt mir den Verstand. Sehe ich in die Augen des Vaters, lese ich darinnen die bittersten Vorwürfe. Er ist unbarmherzig, hart wie die Steine da unten, die dem Wasser nicht nachgeben. Möchte die Mutter aber auch gern vermitteln, so wagt sie es doch nicht. Sage daher, wann du mich abholst, und freudig gehe ich mit dir bis ans Ende der Welt.«
»Das Versprechen soll dir so oft gesegnet sein, wie da unten im Wasser sich Sterne spiegeln,« versetzte King Bob sanft, wie ein gut geartetes Kind, »und am liebsten sagte ich jetzt: Sitze hinter mir auf. Denn der Billy trägt uns beide, und bevor die Sonne wieder über die Prairie leuchtete, wären wir weit von hier. Allein noch ist die Zeit nicht gekommen. Mit einer Anzahl Kameraden überwache ich an die sechstausend Rinder. Drei große Herden sind's. Die ließen wir von Neumexiko bis an den Arkansas herauf weiden. Unser Ziel liegt noch etwas weiter nördlich und dann westlich. Da erwarten wir die Besitzer. Die gehen mit dem Plan um, die Hälfte der Tiere nach den Staaten oder nach Kalifornien zu treiben. Mit der anderen Hälfte und der Mehrzahl der Hirten kehre ich langsam an den Rio Grande zurück. Anfang September muß ich da sein. Vielleicht überwintern wir dort, um im Frühling auf der Gilastraße nach Kalifornien zu ziehen. Ich selbst gehe nicht mit. In Neumexiko besitze ich nämlich eine hübsche Weidefläche und einen ordentlichen Rancho. Das bezahlte ich mit zweitausend Dollars, die ich von dem jedesmal auf mich entfallenden Gewinnanteil ersparte. Nebenbei trieb ich etwas Viehhandel auf eigene Faust, und das Geschäft setzen wir fort, sobald wir unter unser eigenes Dach gezogen sind.«
»Das mag lange dauern bis dahin,« klagte Bell; »hielte die Hoffnung mich nicht aufrecht, müßte ich sterben.«
»Nur noch einige Monate Geduld,« tröstete King Bob, »kann ich doch nicht, wie ich wohl möchte. Nur einige Monate, und du sitzest so warm am eigenen Herd, daß deine Eltern gern mit dir tauschten und ihre Freude an dir haben.«
»Ich kann's nicht glauben, Bob, das Glück wäre zu groß, und der Vater ist unerbittlich, er würde niemals seine Zustimmung erteilen.«
»So geht es auch ohne sie, damit beruhige dich. Sollte es dir aber zu schwer hier werden, sollte man dich mitleidslos martern und quälen, daß du nicht mehr aus oder ein weißt, wohl gar dich zwingen wollen, einen anderen zu freien, dann flüchte getrost zu mir. Vielleicht begleitet dich Rabbit. Mit den Herden rücke ich allmählich näher, und befolgst du meinen Rat pünktlich, so kannst du mich nicht verfehlen. – Hier hast du meinen Kompaß,« und er nestelte das einer Taschenuhr ähnliche Instrument von seinem Halse, »den bewahre und betrachte als deinen zuverlässigsten Freund. Als mir heute nachmittag die Zeit bis zum Wiedersehen zu langsam verstrich, überlegte ich alle möglichen Fälle genau. Dann ritzte ich mit dem Messer ein Merkmal auf den Rand des Dinges. Bei Licht wirst du es sofort entdecken. Drehst du es, daß die Nadel mit der Spitze gerade vor dem N steht, also gegen Mitternacht weißt, so bezeichnet das Merkmal die Richtung, die du innezuhalten hast. Kommt also die Stunde, in der du keinen anderen Ausweg mehr weißt, dann sattle euer flinkstes Pferd, stecke Lebensmittel auf drei, vier Tage zu dir und reite auf die Prairie hinaus. Dort ist das Merkmal dein Wegweiser. Reite langsam oder schnell, weiche rechts oder links ab, wenn du Hindernissen begegnest, nur achte darauf, daß du stets wieder in die vorgeschriebene Richtung kommst, wobei Rabbit dir von großem Nutzen sein wird, und du kannst mich nicht verfehlen. Denn ob du eine halbe Tagereise zu weit gegen Morgen oder gegen Abend verschlagen wirst, macht keinen Unterschied. Die Herden weiden gesondert voneinander und erstrecken sich zuweilen über die Breite einer Tagereise hinaus, da mußt du auf die eine oder die andere stoßen; wirst sie auch schon aus der Ferne entdecken. Belästigen dich aber die Hirten – die sind nämlich mutwilliges Gesindel – dann zeige ihnen den Kompaß, und du wirst erstaunen, wie höflich und gefällig sie werden. Wir sind dann nicht weit vom Rio Grande, wo es Notare und Geistliche in Fülle giebt, die uns zusammensprechen können.«
»Keines deiner Worte vergesse ich,« erklärte Bell eifrig, und die letzte Spur von Bitterkeit war aus ihrem Wesen verschwunden, »und baue darauf: ist die Zeit zum Handeln da, lass' ich mich nicht säumig finden. Doch anderes beunruhigt mich noch. Die beiden Fremden, die heut bei uns ankehrten –«
»Ich sah sie,« schaltete King Bob aufbrausend ein, »die nichtswürdigsten Schurken, die je mit dem Schweiß und Blut ihrer Mitmenschen sich mästeten.«
»Was du sagst, Bob, ist Wahrheit, und ich fürchte, der Tag ist nicht fern, an dem wir von unserer Farm vertrieben werden.«
»Das heißt, wenn ihr gutwillig geht. Denn begegnet ihr Gewalt mit Gewalt, da möchten die Sklavenmänner sich doch besinnen, ihre verräterischen Schädel zur Zielscheibe für eure Büchsen herzugeben,« versetzte King Bob hohnlachend. »Verdammt!« und seine Stimme erhielt einen eigentümlichen Ausdruck zügelloser Begeisterung, »dein Vater baut starke Palissadenzäune, ich gewahrte es aus der Ferne, und das verrät einen bedachtsamen Mann. Bei Gott, Bell, mit anderthalb Dutzend zuverlässigen Schützen hinter der Brustwehr zu stehen und den feilen Hunden gemächlich eine Kugel nach der anderen zuzuschicken, das müßte eine wahre Herzenslust sein –«
»Wozu ich deine Beihilfe am wenigsten gebrauche,« ertönte hinter ihnen eine tiefe harte Stimme.
Beide sprangen auf, und vor ihnen stand Howitt. Von Argwohn erfüllt, war er nicht auf dem Pfade gekommen, den Rabbit bewachte, sondern auf einem Umwege aus entgegengesetzter Richtung. So behutsam war er auf dem Ufer hinter dem ihn bergenden Gebüsch einhergegangen, daß Arrowmaker sowohl wie die mit ganzer Seele in ihr ernstes Gespräch vertieften jungen Leute seine Nähe nicht eher ahnten, als bis er seine Stimme erhob.
Bell, von Entsetzen ergriffen, verharrte regungslos. Keinen Laut vermochte sie von sich zu geben, als sie des Vaters ansichtig wurde. Was sie fürchten, was sie hoffen sollte, wußte sie nicht. Wohl aber war sie im klaren darüber, daß zwei Männer einander gegenüberstanden, die, gleich starrköpfig und leidenschaftlich, gleich hoch gewachsen und von gleichem trotzigen Vertrauen auf ihre Körperkraft erfüllt, das Aergste nicht als ausgeschlossen erscheinen ließen. King Bob, zwar