Die Sonne brannte unterdessen noch immer mit besten Kräften auf die stille Landschaft nieder. Was dem einen zu viel wurde, gewährte dem anderen Befriedigung. Senkten die Blüten erschöpft ihre Kelche, und neigten an Baum und Strauch die Blätter sich träge, so erfüllten Bienen und Käfer, rastlos einherschwirrend, die Atmosphäre mit endlosem einschläfernden Summen. Die Eidechsen hatten ihre Schlupfwinkel verlassen und sonnten sich auf Steinen, sogar auf dem glühend heißen Sattel, von dem der Schatten allmählich heruntergeglitten war, während Falter hie und da mit den gefallsüchtig gespreizten Schwingen die Sonnenstrahlen in Empfang nahmen. Der Mustang hatte sein Körnermahl beendigt und graste emsig. Der junge Reitersmann schlief noch immer fest. Erst als das abwärts weidende Pferd mißtrauisch wieherte, rieb er sich die Augen. Auf den Ellenbogen sich autrichtend, sah er dahin, wohin der Mustang spähte.
Zweier Reiter wurde er ansichtig, die von unten heraufkamen, also das Lager der Freibeuter berührt haben mußten. So viel er in der Entfernung von etwa vierhundert Schritten zu unterscheiden vermochte, gehörten sie nicht zu den eigentlichen Steppenreisenden. Sie führten wenigstens keine Büchsen; außerdem verriet ihre Bekleidung, daß sie in Städten sich heimischer fühlten, als in der erst spärlich von Squattern belebten Wildnis. Mit dem Erfolg seines Spähens zufrieden, sank er wieder auf den Rücken. Die beiden Reiter kümmerten ihn augenscheinlich nicht mehr, als die Eidechsen, die bei seiner ersten Bewegung von dem Sattel hinunterhuschten. Erst als sie ihre Pferde vor ihm anhielten, unterzog er sich der Mühe, jedoch ohne seine Lage zu ändern, sie herablassend zu betrachten.
Ein älterer und ein jüngerer Mann waren es, die mit ihren bis auf den Kinnbart glatt geschorenen Gesichtern den Eindruck von Leuten machten, die gewandter mit der Feder und Berechnungen umzugehen verstehen, als mit den von ihren Hüften niederhängenden Pistolen. Zutrauen erweckend erschienen sie sicher nicht; weit eher gewohnt, unter der Maske größter Menschenfreundlichkeit ihrem weniger pfiffigen Nächsten die Haut über die Ohren zu streifen. So blickte der Aeltere mit den dunklen Augen so listig unter dem breiten Panamahut hervor, wie ein ausgefeimter Beutelschneider, der geübt, jeden ihm Begegnenden betreffs des Inhaltes seiner Börse abzuschätzen. Der andere, vielleicht dreißig Jahre alt, eine kleine unansehnliche Gestalt, stand nicht hinter ihm zurück, indem, für einen aufmerksamen Beobachter erkennbar, Tücke und Habgier aus seinen wässerigen grauen Augen verstohlen hervorleuchteten, und ein Zug von Lüsternheit und Grausamkeit gemeinschaftlich mit einem abstoßenden Lächeln der Ueberlegenheit die schmalen Lippen umlagerte.
»Hallo, Fremder!« redete ersterer den rastenden Reiter freundschaftlich an, »Sie sind wohl in dieser Gegend zu Hause?«
»Befragte ich Sie schon, wo Sie in die Welt gesetzt wurden?« antwortete der junge Hüne wie gelangweilt, die Arme wieder unter den Kopf schiebend.
»Das freilich nicht. Meiner Neugierde lag nur die Hoffnung zu Grunde, durch Sie über die umliegenden Ländereien etwas Auskunft zu erhalten.«
»So gehört ihr zu den verwünschten Südlichen, die darauf aus sind, den Boden hier herum für die Sklavenzucht klar zu machen. Zwei von euren Leuten lernte ich schon kennen. Sie hatten eines ehrlichen Mannes Rind über den Haufen geschossen; da setze ich voraus, ihr kostet selber ein geröstetes Stück davon.«
»Mit demselben Recht könnten wir mutmaßen,« versetzte der Jüngere verbissen, »daß Sie zu den Desperados zählen, die im Lande herumstreifen und den einsamen Wanderer mit den Worten: Geld oder Blut! begrüßen.«
Ohne Mißmut zu verraten, entgegnete der trotzige Bursche: »Wäret ihr beide nicht solche jämmerliche Kreaturen, könnte mich die Lust anwandeln, euch etwas näher zu betrachten. Ich rief euch nicht, und noch weniger verspüre ich die Neigung, mich von dem ersten besten Unbekannten ins Verhör nehmen zu lassen.«
»Wohlan denn,« nahm der Aeltere wieder das Wort, »ich bin der Landagent Baxter, und mein Freund hier ist der Richter Margin.«
»Und ich heiße Robert King,« erwiderte dieser sichtbar ergötzt, »zwischen hier und Neumexiko bekannt als King Bob, der König aller Vaqueros, nebenbei ein Mann, der mit seinen Kindern verdammt viel barmherziger verkehrt, als ihr und euresgleichen mit den zweibeinigen Ochsen und Eseln, die dumm genug sind, euren Rat zu suchen.«
»Rauhe Worte, Mr. King Bob,« fuhr Baxter, seinen Verdruß niederkämpfend, fort, »doch wir befinden uns hier auf einem freien Territorium, wo man keine Ansprüche an große Zuvorkommenheit erheben darf. Aber, Scherz beiseite, ich wünsche zu erfahren, ob der Rauch, der da hinter dem Waldvorsprung aufsteigt, von dem Herdfeuer eines gewissen Daniel Howitt herrührt, und die dort weidende Herde zu seiner Farm gehört.«
Bei Nennung des Namens Howitt schnellte King Bog [Bob?] in eine sitzende Stellung empor. Argwöhnisch prüfte er die beiden Reiter eine Weile, bevor er in die Worte ausbrach:
»Da kann ich nur mutmaßen, daß ihr mit dem Gedanken umgeht, den Daniel Howitt mit euren verfluchten Teufelsränken von seiner Besitzung zu vertreiben. Bei dem kommt ihr aber an den Unrechten, und wenn ihr mit unzerbrochenen Schädeln von seinem Hofe herunterreiten wollt, dann haltet eure glatten Zungen im Zaume.«
»Sie kennen ihn genauer?«
»Wenigstens hinlänglich, um euch zu gönnen, daß er seine Faust auf euch legt. Die ist nämlich verdammt knochig, und trifft die eine ihm unbequeme Nase, so gleitet sie mit der Spitze so tief in den Kopf hinein, daß sie zeitlebens den Weg nicht wieder herausfindet. Doch zieht eure Leine jetzt; ich sah und hörte genug, um euch beide zur Hölle zu wünschen.«
Baxter zuckte die Achseln und trieb sein Pferd an. Zähneknirschend und doch von heimlicher Scheu vor dem trotzigen Gesellen beseelt, folgte Margin seinem Beispiel. Nachdem sie weit genug geritten waren, um von King Bob, der sich wieder auf den Rücken geworfen hatte, nicht mehr verstanden zu werden, bemerkte Margin mit bösem Hohn: »Dieser ungeschlachte Strauchdieb! Gerade so, wie die beiden Esel, die sich von ihm ins Bockshorn jagen ließen, ihn schilderten. Trieben sich viele von der Sorte hier herum, möchte unseren Leuten die Lust vergehen.«
»Ist die Zeit da, so erhalten sie so starken Nachschub, daß ein paar Dutzend von seinem Kaliber nicht ins Gewicht fallen,« versetzte Baxter zuversichtlich; »man braucht ihnen nur ausreichend Whisky und eine Handvoll Dollars zu bieten, und sie stimmen für Tod und Teufel, um mit Begeisterung obenein.«
Und weiter ritten sie in eifrigem Gespräch am Waldsaum hin, der vor ihnen eine Biegung nach Norden beschrieb.
Zweites Kapitel
Als die beiden Landspekulanten um das vorspringende Gehölz herumbogen, lagen vor ihnen eingefriedigte Felder mit grünenden Saaten, und im Hintergrunde ein kleines Gehöft. Da nach beendigter Frühjahrsbestellung die Ackerarbeit ruhte, hatten die Bewohner der Farm sich einer anderen Beschäftigung unterzogen, welche die beiden nahenden Reiter mit heimlichem Argwohn erfüllte. Man war nämlich ans Werk gegangen, die Zwischenräume zwischen Blockhütte, Stall und Schuppen durch starke Palissaden abzuschließen, ebenso den Vorplatz bis auf eine schmale Einfahrt fest einzufrieden.
»Wie gefällt Ihnen das?« fragte Margin gehässig. »Hat es nicht den Anschein, als rüste man sich, irgend welchen Angriffen zu begegnen? Es müssen doch wohl beunruhigende Gerüchte hierher gedrungen sein.«
»Den Anschein hat es allerdings,« gab Baxter zu, »allein um einen Angriff abzuschlagen, muß er zuvor unternommen werden. Ist der Mann erst darüber aufgeklärt, daß er auf meinem Grund und Boden haust, also nur noch geduldet ist, wird er sich schon bekehren. Gesetz bleibt Gesetz, oder das ganze Weltall ginge aus den Fugen.«
Mißmutig betrachtete Margin ein halbes Dutzend älterer und jüngerer Burschen, die munter ihre Aexte schwangen und Löcher für die Pfähle gruben.
»Er soll eine wilde, störrische Natur sein,« erwiderte