Quitt. Theodor Fontane. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Theodor Fontane
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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du bist schuld, du sagst doch sonst immer: ›Mutter, verdirb dich nicht, Mutter, sei nicht so naschig.‹ Aber du hast kein Wort gesagt, und da hab ich alles verputzt und verurscht, und is kein Krümel mehr da.«

      Lehnert war aufgestanden und trommelte vor Ungeduld an die Fensterscheibe, Siebenhaar aber, der sich noch der Zeiten erinnerte, wo so mancher aus dem armen Volk hier diese Sprache der Unfreien und Hörigen gesprochen hatte, lächelte nur und sagte: »Liebe Frau Menz, ich habe ja selber von dem Hochzeitskuchen gehabt und hab es geradeso gemacht wie Sie und hab ihn auch aufgegessen oder ›verputzt‹, wie Sie sagen, jedenfalls viel zuviel, was man eigentlich nicht soll. Und Lehnert hat ganz recht, wenn er gegen das Naschen ist. Aber das ist nun mal nicht anders, auch die Alten bleiben Kinder. Und wissen Sie, wer der dritte war, der auch zuviel gegessen hat, und noch dazu gleich oben, als der Kaffee kam? Der dritte war unser Freund Opitz …«

      Die Alte nickte und kicherte vor sich hin. Siebenhaar aber wiederholte: »Ja, unser Freund Opitz. Und sehn Sie, liebe Frau Menz, wenn ich hörte, daß er diese Nacht ein großes Alpdrücken gehabt und seine Frau mit seinem Tode geängstigt habe, so würd ich mich nicht wundern. Aber, wie gesagt, es haut eben jeder mal über die Schnur, Sie und ich und natürlich auch ein Förster. Und ist auch nicht so schlimm, wenn einer nur sonst brav und tüchtig ist. Und das ist Opitz und auch gar nicht so hart, wie die Leute glauben, und wenn man ihn nur zu nehmen weiß und ihm seine Ehre gibt, darauf hält er, und darauf muß er halten, so läßt sich ganz gut mit ihm leben, und ist auch nicht so gehässig und unversöhnlich, wie mancher meint, wovon ich mich erst gestern wieder überzeugen konnte …«

      »Hörst du, Lehnert, hörst du? Das ist es ja, was ich auch immer sage. Der Förster ist doch eine Obrigkeit, und die Obrigkeit ist von Gott. Ja, das haben Sie gepredigt, Herr Prediger, und das vergeß ich nicht wieder. Opitz ist Obrigkeit und ein guter Mann und steht eigentlich in Gottes Namen da …«

      »Ach, Mutter, rede doch nicht solchen Unsinn. Er ist bei dem Grafen in Dienst, und für den steht er da. So was darfst du nicht sagen, und am wenigsten, wenn der Herr Pastor da ist, das ist ja die reine Gotteslästerung. Und du sagst es auch alles bloß so hin und weißt recht gut, daß er nicht anders ist als du und ich und vielleicht noch ein bißchen schlechter.«

      Siebenhaar nahm Lehnerts Hand und lächelte: »Mußt dich nicht so ereifern, Lehnert. Die Mutter sagt es bloß, weil sie den ewigen Streit nicht will und sich ängstigt und Ruh und Frieden und gute Nachbarschaft haben möchte. Treff ich‘s? Sage selbst …«

      »Und weil ihr alles gleich ist, Herr Pastor, wenn sie nur ihren Vorteil hat. Das ist es. Und wenn sie drüben ein ranzig Stück Speck haben oder mit einem Rehviertel nicht mehr wissen, wo sie mit hin sollen, dann ist sie gleich bei der Hand und will sich‘s schenken lassen. Ich will aber nichts Geschenktes haben aus dem Haus da, und wenn es denn durchaus ein Reh oder ein Rehviertel sein soll …«

      »Dann weißt du, wo du‘s hernimmst … Ja, Lehnert, das ist es eben, und darüber klagt Opitz und über deinen Trotz, der das Verbotene nicht bloß tut, sondern sich‘s auch noch berühmt. Wie viele Male hab ich dir das schon vorhalten müssen. Erst neulich wieder. Ist es nicht so? Du schweigst … Sieh, ich bin gestern mit ihm eine halbe Stunde lang um die Brückenberger Waldwiese herumgegangen und hab ihn beschworen, nicht alles sehen und nicht alles hören zu wollen, und hab ihm Vorstellungen gemacht und ihm ins Gewissen geredet. Und ich kann dir sagen, wörtlich sagen, oder doch so gut wie wörtlich, was ich ihm bei der Gelegenheit alles gesagt habe. ›Sehen Sie, Opitz‹, so hab ich ihm gesagt, ›Sie reden immer von Recht und Ordnung, aber was heißt Recht und Ordnung? Das sind alles sehr schöne Sachen, und doch ist es mit Recht und Ordnung geradeso wie mit Zucht und Sitte.«

      Lehnert nickte.

      »›Wie mit Zucht und Sitte. Die sollen sein. Gewiß, Zucht und Sitte sollen sein; wer will das bestreiten? Und wenn ich dann im Unterricht und zuletzt noch mal am Einsegnungstage den jungen Dingern zurede, daß sie sich gut halten sollen, dann tu ich das nicht bloß, um was zu sagen, dann tu ich es auch, weil mir‘s mein Herz so vorschreibt und weil ich weiß, was ein guter Wandel nicht bloß vor Gott, sondern auch vor den Menschen bedeutet und daß Glück und Unglück daran hängt. Ja, Opitz‹, so hab ich ihm gesagt, ›ich bin für Zucht und Sitte. Aber wenn‘s dann nachher anders geht und wenn eine Braut vor den Altar tritt mit einem Myrtenkranz, der ihr eigentlich nicht zukommt, dann nehm ich ihr den Kranz nicht aus dem Haar und fahre nicht mit Feuer und Schwefel drein und sprech auch nicht von ewiger Verdammnis und verzichte darauf, aus der Altarstufe, darauf das arme Ding kniet, eine Armensünderbank zu machen. Ich verzichte darauf, sag ich, und tue sie beide zusammen und empfehle sie in meinen Worten und vor allem auch in meinem Herzen der Gnade Gottes. Ich will nicht wissen, was ich weiß, und will die Kirchenzucht nicht üben, trotzdem ich sie wohl üben dürfte, ja, wie die Strengen meinen, auch wohl üben sollte. Und sehen Sie, Opitz, wie‘s in der Kirche ist, so ist es auch im Wald. Sie müssen der Armut was nachsehen und nicht bloß dem Gesetze nichts vergeben, sondern auch der Liebe nichts vergeben. Es ist eine Täuschung, wenn wir uns immer und ewig auf unser Amt und unsere Pflicht oder gar auf unseren Schwur und unser Gewissen berufen. Das meiste, was wir tun, tun wir doch aus unserer Natur heraus, aus Neigung und Willen.‹«

      Die Alte, während der Prediger so sprach, hatte mit gefalteten Händen dagesessen und allerlei vor sich hin gemurmelt, wie um ihre Andacht zu bezeugen. Aber auch auf Lehnert waren die Worte nicht ohne Einfluß geblieben, denn er war klug genug, nicht bloß das herauszuhören, was sich gegen Opitz richtete. Nein, er hörte ganz allgemein den Geist christlicher Liebe heraus und sagte sich, daß er dieser Liebe geradesogut entbehre wie Opitz und daß er sein Recht geradeso heftig und eigensinnig vertrete wie Opitz das seine. Und sein Recht war doch nur sein Recht, Opitz‘ Recht aber war das anerkannte, das gültige, das uralt bestätigte.

      Siebenhaar, der wohl sehen mochte, was in ihm vorging, hütete sich, durch eine Zwischenbemerkung zu stören. Und so verging eine geraume Weile. Dann erst nahm Lehnert seinerseits das Wort wieder und sagte: »Und was sagte da Opitz, Herr Pastor? Ich weiß von Christine …«

      »Daß er einen hochfahrenden Sinn hat und sich in dem, was seines Amtes ist, nicht gern dreinreden läßt. Ja, so heißt es von ihm und wird auch wohl seine Richtigkeit damit haben. Aber es kommt doch auch darauf an, wer mit ihm spricht, und vor allem, wie man mit ihm spricht, und ich hab ihn gestern als einen christlichen Mann befunden, das heißt als einen Mann, der vergeben kann, weil er fühlt, daß er selber der Vergebung bedürftig ist. So wenigstens schien es mir, als ich ihm nach den Augen sah, und war mir fast, als ob ich eine Träne darin gesehen hätte.«

      Lehnert lachte. »Wohl, wohl. Wenn er unter Wein ist, ist ihm immer das Weinen nah. Das kenn ich. Aber es hält nicht lange vor, und von gestern auf heute wird er sich wieder anders besonnen haben.«

      »Kann sein, Lehnert, aber es ist nicht wahrscheinlich. Und unter allen Umständen mußt du vorläufig an seine Versöhnlichkeit glauben und dein Betragen danach einrichten. Du hast es mir versprochen, neulich schon, und ich könnte dich beim Worte nehmen. Aber ich will es nicht. Ich will es nach allem, was er mir gestern gesagt hat, aufs neue von dir hören und, wenn es sein kann, aus einem freudigeren Herzen und einem festeren Entschluß.«

      »Ich geh ihm aus dem Wege.«

      »Das ist nicht genug, Lehnert. Das vertagt den Streit bloß, aber schafft ihn nicht aus der Welt, und der nächste Wind, der euch wieder zusammenweht, bläst auch die Flamme wieder an. Damit schließt man keinen Frieden, daß man sich aus dem Wege geht, das ist äußerlich und auf die Dauer einfach unausführbar. Hier muß es anfangen und hier. Herz und Einsicht müssen dazu zwingen. Und ist erst der gute Wille gewonnen, dann ist alles gewonnen. Den seinen hab ich …«

      »Und den meinen auch«, sagte Lehnert in plötzlicher, beinah freudiger Erregtheit. Und dabei nahm er des Alten Hand, um sie dankbar zu küssen. »Ich will tun, was ich kann. Ich will die Kappe vor ihm ziehen, immer zuerst, und will kein Schmokfeuer mehr machen, wenn drüben das Leinzeug an der Leine hängt, und will das Wehr so stellen, daß das Wasser bei mir übertritt und nicht bei ihm, und wenn mir‘s auch einen halben Morgen Kartoffelland kostet. Und wenn seine Diana mir nach den Beinen fährt, so will ich den Stock bloß leise nach hinten halten, wie die Bettler und Strolche tun, und will nicht mehr nach der Bestie schlagen. Und was die Hauptsach is, ich will den Mund halten und nicht