»Darin kann ich nicht viel Tröstliche« finden,« brummte Michael.
»Manchmal auch nehmen Skalp, wenn noch leben.«
»Heiliger Michael, schütze uns,« sagte der Ire und fuhr unwillkürlich mit der Hand nach seinem Haupte, »das ist ja schauderhaft. Gott bewahre jeden Christenmenschen davor.« Dann murmelte er in sich hinein: »Ich werde jetzt den Grafen nicht sitzen lassen, aber ich wollte, ich wäre zu Hause geblieben, schon dieses unheimlichen Kerls wegen mit seinem Skalpnehmen.«
»Darum du tragen Büchse,« sagte der Indianer, »und retten Skalp.«
»Rette du nur deinen,« brummte wieder Michael, »vor meinem Shilallah, der dir gelegentlich darauf sausen könnte.«
Der Graf blieb mit Heinrich vorn stehen, zog sein kleines Fernglas und lugte nach dem Walde. Mit einigen Sprüngen war der Indianer, als er dies bemerkte, bei ihm. »Was ist das dort am Walde, da wo die Tanne ragt, Athoree?«
Er wollte dem Indianer ein Glas reichen, aber dessen Falkenaugen hatten schon erkannt, was dem Grafen selbst durch das Glas nicht genügend deutlich wurde, und sagte mit einem leisen Ausrufe: »Bären!«
»Alle Wetter, ja. Wahrhaftig, jetzt erkenne ich sie auch. Bären, Heinrich!«
»O, Herr Graf,« sagte dieser und riß die Büchse von der Schulter, während ihm die Jagdlust aus den Augen blitzte.
Sie hatten zwar auf ihrer Fahrt vom Manistee herauf wiederholt Bären gesehen, die sich aber beim Anblick von Menschen stets so hastig entfernten, daß ein Anpirschen nicht möglich gewesen war.
»Was meinst du, wollen wir einen Gang mit Meister Braun machen?«
»Mit tausend Freuden, Herr Graf, einen Bären habe ich doch noch nicht geschossen.«
»Athoree, wollen mir jagen?«
Dieser hatte ebenfalls bereits die Büchse von der Schulter genommen und schaute eifrig nach dem Wild aus.
»Bär gut, ihn schießen.«
»Dann Weidmannsheil! Wollen uns anpirschen,«
Graf Edgar schlich gebückt voran unter sorgfältiger Beobachtung des Luftzuges, um Meister Petz den Wind abzugewinnen und so in Schußnähe gelangen zu können.
Michael war vom Grafen bedeutet worden, ruhig mit seinem Maultier da zu bleiben, wo er sich befand. Dieser band darauf das Tier an einen Baum und legte sich ruhig ins Gras nieder.
Als die Jäger näher kamen, bemerkten sie, daß die Bären, es waren zwei, eifrig mit der Untersuchung eines entwurzelten Baumes beschäftigt waren, der, vom Sturm danieder gestreckt, wohl ein Bienennest enthalten mochte, dessen Vorräten die Tiere nachspürten.
Es war augenscheinlich ein Paar, Meister Braun mit seiner Ehegattin, beide stattliche Exemplare.
Vorsichtig bewegten sich die Jäger vorwärts, der Graf an der Spitze, etwa fünfzig Schritte hinter ihm Heinrich. Es galt nicht nur in Schußweite zu kommen, sondern dem Wild auch den Weg nach dem Walde zu verlegen, wo es, wenn es sich dahin zurückzog, für sie, die keine Hunde mit sich führten, um das Wild zum Stehen zu bringen, nicht mehr erreichbar war. Der Indianer ging ziemlich weit hinter Heinrich einher. Als sie auf etwa hundertundfünfzig Schritte an die Tiere herangekommen waren, brach unter dem Fuße des Grafen ein dürrer Ast, die Bären stutzten und windeten nach der Richtung des verdächtigen Geräusches hin. Jetzt gab Graf Edgar Feuer. Der Bär war augenscheinlich getroffen und richtete sich mit großer Schnelligkeit auf. Die Bärin stutzte bei dem Schusse, wurde aber dann sofort flüchtig nach dem Walde zu, während ihr Gemahl brummend nach dem Gegner ausspähte, der ihn so heimtückisch überfallen hatte. Als Heinrich die Bärin zu Holze ziehen sah, während der Graf eifrig lud, sandte er ihr eine Kugel nach, die auch, dem Verhalten des Tieres nach zu urteilen, getroffen haben mußte, obgleich es bei dem mit Bäumen besetzten Terrain, dem hohen Grase und der Entfernung ein schwieriger Schuß war.
Die Bärin blieb einen Augenblick stehen, untersuchte ihre Wunde, setzte dann aber ihre Flucht fort. Graf Edgar, der dem Walde am nächsten war, erhob sich aus seiner gebückten Stellung und lief rasch vorwärts, um ihr den Weg abzuschneiden oder wenigstens, ehe sie im Dickicht verschwand, noch einen Schuß auf sie abzugeben. Bei dem Erscheinen eines Menschen erschrak das Tier und setzte sich, nach dem Grafen hin windend, einen Augenblick nieder. Graf Edgar feuerte von neuem, ohne aber zu treffen, und das Tier, welchem die Kugel dicht an der Nase vorbeigeflogen sein mochte, änderte jetzt seine Richtung und lief mit großer Schnelligkeit in die Lichtung hinein.
Bei seinem Eifer, der Bärin einen Schuß beizubringen, hatte der junge Mann des Bären nicht geachtet. Dieser war indessen streitlustiger als seine Gattin, und der Graf sah mit einemmal den Bären auf kaum zwanzig Schritte vor sich, er warf die entladene und deshalb nutzlose Waffe fort, zog entschlossen den Hirschfänger und stellte sich zum Kampfe.
Da krachte Heinrichs Büchse, der die Gefahr, welche seinem Herrn drohte, wohl erkannt hatte. Die Kugel traf schräg den mächtigen Schädel des Bären und prallte machtlos an diesem massiven Knochenbau ab. Das Tier schüttelte sich einen Augenblick, richtete sich dann aber empor und nahm, auf den Hinterbeinen schreitend, mit den Vorderpranken wild in der Luft herum fuchtelnd, den Grafen an, der ihn in fester Stellung, den Hirschfänger zum Stoß bereit, erwartete. Bis auf zwei Schritte war das wütende Tier herangekommen, als von neuem Heinrichs Büchse aufblitzte; der Bär, augenscheinlich schwer getroffen, sank zusammen, sprang aber schnell wieder empor und machte eine Bewegung nach Graf Edgar zu, so daß dieser schon den heißen Atem des Tieres fühlte. Heinrich lud mit einer unvergleichlichen Schnelligkeit. Graf Edgar, welchem die Fechtkünste Meister Brauns nicht unbekannt waren, führte seinen Hirschfänger mit solcher Geschicklichkeit, daß er die Waffe dem hochaufgerichteten Tiere tief in den weitgeöffneten Rachen zu stoßen vermochte, dann sprang er zur Seite, den Stahl im Rachen des Bären lassend. Wiederum krachte Heinrichs Büchse, das Tier stürzte zusammen und wälzte sich, wild um sich schlagend, in Todeszuckungen auf dem Boden. Heinrich sprang herbei — aber er sowohl als der Graf hielten sich wohlweislich von dem sterbenden Tiere entfernt, bis es verendet war. Graf Edgar gab dem Jäger die Hand und sagte einfach: »Ich danke dir.«
Als der Indianer bemerkte, daß die Bärin die Lichtung wählte, um zu entfliehen, sprang er rasch vorwärts, um ihr auch diesen Weg abzuschneiden, doch vorsichtig genug, um von dem Tiere nicht bemerkt zu werden. Auf etwa hundert Schritte nahe gekommen, feuerte er und verwundete das flüchtende Tier. Die Bärin richtete sich zornig auf den Hinterbeinen auf, rings umher windend. Da Athoree sich niedergebeugt hatte, während er rasch wieder lud und der Wind ziemlich scharf von dem Tiere her blies, bekam dieses keine Witterung von ihm und setzte mit tiefem Brummen, aber augenscheinlich langsamer, seine Flucht fort. Der wackere Michael O‘Donnel, welcher sich, als die Jagd begann, behaglich niederließ, ein Stück geräuchertes Fleisch aus seiner Tasche zog und diesem eifrig zusprach, hatte sich doch, als die Büchsen wiederholt knallten, erhoben und sah aus der Entfernung, wie der Bär auf den Grafen zuging und unter Heinrichs Schüssen endlich zusammenfiel.
Auch die Bärin bemerkte er, als sie sich erhob, um zu winden.
Diese nahm, als sie die Flucht fortsetzte, ihren Weg gerade auf ihn zu.
Michael legte sein Fleisch beiseite, ergriff seinen schweren Irenstock und ging ihr furchtlos entgegen.
»So entkommst du nicht, Bursche,« brummte er, »hier steht Michael O‘Donnel mit seinem Shilallah.«
Er hatte wohl auf Jahrmärkten hie und da Bären gesehen, die ihm wenig imponiert hatten, und kannte die Gefahr nicht, welcher er sich aussetzte.
Als das durch seine Verwundungen wütend gemachte Tier ihn erblickte, richtete es sich auf und mit aufgerissenem Rachen, der das furchtbare Gebiß zeigte, und unheimlich funkelnden Augen drang es auf den Iren ein.
Michael stutzte zwar bei diesem schreckenerregenden Anblick, verlor aber keinen Augenblick seine Zuversicht, und als das schnaubende Tier in gehöriger Nähe war, führte er mit seinem schweren Stocke so blitzschnelle und wuchtige Schläge nach ihm, daß die Bärin ins Wanken kam und den Kopf schüttelte. »Ja,« brummte Michael, »das ist Irenarbeit, Brauner, komm nur