»Und solche Macht trauen Sie, Miß Mary, Frances Schuyler zu?«
»Natürlich. Wer sollte sie sonst haben als Frances,« und sie blickte die Freundin liebevoll an. Ueber deren Antlitz zog ein sonniges Lächeln, die ernsten Züge hold verklärend.
»Sie wird naturgemäß sofort zur Königin erhoben, sobald sie nur erscheint, und alles gehorcht ihr mit demütigstem Eifer. Aber — und das ist die Hauptsache — wir sind nach nicht einig über das Kostüm, in welchem sie sich den Roten zeigen soll, ich will ihr eine goldene Krone und einen Purpurmantel geben, und Mama meint, Frances soll als Engel mit Flügeln erscheinen. Da mir uns nicht einigen können, wollen mir das Urteil der Herren anrufen.«
»In Kostümfragen bin ich wenig bewandert,« sagte der Oberst, auf den munteren Ton eingehend, »aber ich denke mir dann so etwas Indisch-Phantastisches, um die roten Leute zu entzücken.«
»Ei bewahre, nein Krone und Purpur. Was meinst du, Papa?«
»Ja, liebes Kind, wenn ein Kostüm diesen roten Menschenbrüdern gefallen soll, so muß es so ein bißchen bunt karriert sein, rot und blau und gelb und so —«
Alle lachten herzlich, selbst Miß Schuyler stimmte in die Heiterkeit ein.
»Ja, ihr lacht, aber es ist richtig, ich kenne den feinen Geschmack der Rasse. Nun, Herr Graf, sagen Sie Ihre Meinung, ihr Deutschen sollt ja die gelehrteste Nation der Welt sein.«
»Wenn ich mir ein Urteil in dieser so hochwichtigen Angelegenheit erlauben darf, ich würde Miß Schuyler den griechischen Chiton und Mantel als passende Gewandung empfehlen, den Helm auf dem Haupte und am Arme den Schild.«
»O, herrlich, herrlich, Herr Graf — ja, Pallas Athene, daß ich darauf nicht kam — das ist‘s, was Frances tragen muß — dann liegen ihr aber auch die Weißen zu Füßen.«
Ablenkend sagte Miß Schuyler: »Wir wollen die Herren nicht länger mit unsern Phantasien und phantastischen Kostümfragen langweilen, Mary.«
»Ja, ja, meine Athene,« und Miß Myers küßte die Freundin, »wir wollen abbrechen, die Frage ist erledigt. Aber willst du uns eine Freude machen, so setze dich an den Flügel und singe.«
»Gerne,« entgegnete die junge Dame ohne Ziererei, und alsbald klang ihre schöne, wohlgeschulte Altstimme in dem ziemlich großen Räume wieder. Sie sang die so ergreifende Klage des Orpheus um seine Euridike aus Glucks unsterblicher Oper.
Die entzückten Hörer hielten den Atem an, um voll lauschen zu können, und der Graf, dem nicht nur der Ton dieser Stimme, die hehre Weise des großen Komponisten zu Herzen gingen, vor allem auch der Inhalt der Arie, die ihn so lebhaft an seine ernste Mission erinnerte, fühlte, wie ihm das Auge feucht wurde.
Miß Schuyler schloß, und noch herrschte atemlose Stille, erst als sie sich vom Instrumente erhob, löste sich der Zauber, mit welchem sie die Hörer gefangen gehalten, und man überhäufte sie mit Lobsprüchen.
»Es ist der Tonmeister, der euch entzückt,« entgegnete sie hierauf, »es liegt das tiefste menschliche Fühlen in dieser Totenklage, ich selbst singe sie nie, ohne daß ich ergriffen bin.«
»Das singen Sie mal den Ottawas vor, Miß Frances,« sagte allen Ernstes Myers in ungekünstelter Bewunderung, »und wenn sie Sie dann nicht zur Königin machen, dann ist es Viehzeug — was sie freilich überhaupt sind.«
Miß Schuyler lachte, und die andern stimmten bei der mit so großem Ernste gemachten Bemerkung des Sekretärs mit ein.
Die heitere Stimmung war wieder hergestellt. Man begab sich nun in den schönen und großen Garten des Gouvernementsgebäudes, damit die Herren eine Cigarre rauchen konnten.
Sie wandelten durch die schattigen Laubengänge, der Oberst und Edgar gingen zusammen.
»Haben die Befestigungen, welche Sie unter Ihr Kommando nehmen, strategische Wichtigkeit, Herr Oberst?«
»Die älteren Befestigungen sind heutzutage bei der starken Bevölkerung dieser Staaten und den so vervollkommneten Verkehrsmitteln nicht mehr von wesentlicher Bedeutung, ob sie gleich im Unabhängigkeitskampfe sehr wichtig waren. Dennoch dürfen sie nicht vernachlässigt werden, sie bilden den ersten Schutz gegen einen Angriff von Kanada her; die jüngeren Festungsanlagen im Lande gelten fast nur den Indianern.«
»Ich wünsche Ihnen eine Garnison, in welcher Sie mehr geistige und gesellschaftliche Anregung haben, als in manch vereinsamten deutschen Posten zu finden ist.«
»Diese Forts, Herr Graf, sind die eintönigsten und traurigsten Orte der Welt für den, der nicht im stande ist, sich an sich selbst genügen zu lassen. Die Offiziere in ihrer großen Mehrzahl gehen höchst ungern in die Grenzforts, und ich gebe zu, daß für junge, lebenslustige Männer eine solch vereinsamte Friedensgarnison nicht angenehm ist. Die passionierten Jäger söhnen sich mit der Einsamkeit der Wälder noch am ehesten aus. Mir ist es gleichgültig, wo mich der Dienst hinführt, ich fühle mich in strenger Pflichterfüllung überall wohl. Gewöhnlich wird die Besatzung dieser Plätze alle zwei Jahre gewechselt, aus mir unbekannten Gründen hat das Kriegsdepartement kürzlich befohlen, daß die Ablösung sofort erfolgen soll, das heißt noch vor Ablauf der gewöhnlichen Frist, so daß ich vierhundert Mann Truppen mit mir führe.«
»Wollen Sie den Weg zu Lande zurücklegen?«
»Nein. Ich schiffe mich mit meinen Truppen in Grand Haven ein, lande mit einem kleinen Teil derselben in Traverse City, während die andern nach Duncan weiterdampfen, inspiziere die Forts Jefferson und Jackson und begebe mich dann selbst nach Duncan. Von Traverse City aus muß ich natürlich marschieren.«
»So müßte ich also auch einen Teil des Weges zur See zurücklegen?«
»Ei ganz natürlich, was wollen Sie sich unnötigerweise den Strapazen einer Landreise aussetzen. Sie bekommen dort oben noch genug daran. Für Sie wird es das richtigste sein, sich wie ich in Grand Haven einzuschiffen und dann am Manistee an Land zu gehen. Dort treffen Sie unsre Agentur und können dann mit einem des Landes kundigen Führer Ihren Weg durch die Wälder suchen. Sie ziehen nach Nordost, ich nach Südwest. Der nächste Militärposten ist für Sie Fort Jackson, das eigens dazu angelegt ist, die Ottawas zu überwachen.«
»Machen Ihnen die Indianer noch immer zu schaffen?«
»Die Macht des Chippewayvolkes, zu ihm gehören die Ottawas, Pottawatomies, Saulteux und Missinsig, ist längst gebrochen, mit ihnen, einigen Huronen und Senecas, mag die Zahl der Indianer auf den beiden Halbinseln von Michigan nicht ganz achtzehntausend betragen.
»Vor drei Jahren haben die Schurkereien unsrer Indianeragenten, welche die Leute verhungern ließen, einen Ausbruch der Ottawas veranlaßt, der dann freilich die ganze indianische Wildheit entfesselte, aber es war nur ein Akt der Verzweiflung. Sie sind blutig gezüchtigt worden und halten seitdem Ruhe. Diebereien kommen freilich oft genug vor und machen den kommandierenden Offizieren dieser Forts häufig Unannehmlichkeiten, da sie dann zwischen den sehr zur Selbsthilfe geneigten, im Hinterwald ansässigen Farmern und den indianischen Spitzbuben zu entscheiden haben, was selten ohne Verdrießlichkeiten abgeht. Das ist aber auch alles, ich glaube nicht, daß die Indianer im Norden noch einmal zu den Waffen greifen werden.«
»Sie treten bald Ihren Marsch an?«
»Ich bin nur hier, um mich beim Gouverneur zu verabschieden und den alten Freund Myers wiederzusehen, ich reise morgen mit meiner Tochter nach Grand Haven, wo wir uns einschiffen.«
»Ihr Fräulein Tochter begleitet Sie, Herr Oberst?« fragte erstaunt der junge Mann.
»Ja, Herr, Frances Schuyler verläßt ihren Vater nicht.«
Sie schritten weiter, bis sie auf die Damen trafen, welche Mister Myers in guter Laune zu erhalten wußte, wenigstens herrschte sehr muntere Stimmung, als sie zu ihnen gelangten. »Was erregt die Heiterkeit der Damen?« fragte der Oberst.
»Papa erzählt wieder seine drolligen Geschichten.«
»Pst! Mary, Pst!« lachte er. »Es ging wieder über den Adel her, Schuyler, und da Ihr von altem holländischem