Im Reiche des silbernen Löwen III. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Ausdruck von ihm! Bin euch dankbar, unendlich dankbar, daß ihr stillgeblieben seid! Gehe natürlich mit euch viel lieber als mit ihm. Muß ihm aber doch nach! Werde ihm alles genau sagen und vorstellen. Ihr tretet die Plätze also nicht ab?«

      »Nein!«

      »Well! Habe ihm das klar zu machen. Wartet hier, bis ich wiederkomme. Werde es so kurz wie möglich machen!«

      Er eilte den beiden Gentlemen nach.

      »Hast du alles verstanden, Sihdi?« fragte Halef nun.

      »Ja.«

      »Was wurde gesprochen?«

      Ich gab ihm kurze Antwort. Die Beleidigungen verschwieg ich natürlich. Dann meinte er:

      »Dieser Inglis erhob die Hand gegen mich. Er ahnte nicht, was er dabei wagte. Du sagst mir, daß er ein Verwandter unsers Freundes sei. Darum will ich nicht weiter über ihn sprechen, sondern schweigen. Komm, laß uns von hier fortgehen, durch das Thor, damit wir Lindsay schon von weitem sehen, wenn er kommt!«

      Wir entfernten uns, die Pferde natürlich mitnehmend, so weit von dem Kaffeehause, daß wir den Steamer liegen sahen. Dort setzten wir uns auf die Steine nieder, um zu warten. Es war für den Dampfer noch nicht Zeit, abzugehen, doch ließ er schon nach wenigen Minuten die Pfeife dreimal hören, und wir sahen, daß er sich in Bewegung setzte.

      »Geht er fort?« fragte Halef.

      »Wie es scheint.«

      »Mit Lindsay. Der hat ihn doch noch nicht verlassen!«

      »Allerdings sonderbar! Komm, laß uns sehen!«

      Wir stiegen auf die Pferde und ritten schnell die kurze Strecke hinab, bis wir uns dem Steamer gegenüber befanden. Er hatte schon das tiefe Fahrwasser gewonnen. Am Regeling stand Lindsay, der nach uns ausschaute. Als er uns sah, rief er uns zu:

      »Kann nichts dafür! Bin überlistet worden! Soll ich in das Wasser springen und zu euch an das Ufer schwimmen?«

      »Nein,« antwortete ich.

      »Well! Lebt einstweilen wohl! Werde in Schiras auf euch warten. Darf ich?«

      »Wie es Euch beliebt.«

      »Will es thun. Auf Wiedersehn!«

      Da trat der General zu ihm und zog ihn mit sich fort.

      »Ist das Schiff abgegangen?« fragte Halef.

      »Ja. Man hat Lindsay nichts davon gesagt. Nun muß er mit.«

      Da schlug Halef die Hände froh wie ein Kind zusammen und rief aus:

      »Alhamdulillah![25] Ich wollte es nicht gern eingestehen, Sihdi; aber mein Herz war tief betrübt, dich nicht mehr ganz allein zu haben! Dieser Inglis ist mir lieb; aber daß ich dich mit ihm zu teilen hatte, das raubte mir die Ruhe meines Innern. Wie freut es mich, daß du mir nun ganz zurückgegeben bist! Allah sendet zuweilen Augenblicke des Verzichtes, damit wir sehen und erkennen sollen, wie hoch der Wert dessen ist, was er uns beschieden hat. – Was aber thun wir nun? Noch eine Nacht in Basra bleiben?«

      »Nein. Wir müßten am Kanale hin, nach der alten Stadt zurück, um unsere dumpfe Wohnung aufzusuchen.«

      »Das war ein altes, stinkendes Loch, und doch sollte es die beste Wohnung sein, die es gab. Es hat mich vor dem Moderduft gegraut und vor dem faulen Wasser, welches wir zu trinken bekamen. Das Fieber brütet hier an jeder Stelle. Am liebsten möchte ich weit vom Flusse fort!«

      »Ich bin einverstanden. Fahren wir noch über!«

      »Mit demselben Fährmanne?«

      »Ja. Ich vermute, daß er deine Peitsche noch nicht vergessen hat.«

      »Schau, wie du plötzlich mit ihr einverstanden bist!«

      »Einverstanden ist nicht das richtige Wort, lieber Halef, du wirst mich in dieser Beziehung schon noch begreifen lernen. Komm!«

      »Ja, komm, Sihdi! Wollen dem Inglis eine gute Reise wünschen; uns aber auch! Wir waren zwar nur kurze Zeit hier; aber ich habe etwas in mir, was überflüssig ist. Wie ich es nennen soll, das weiß ich nicht, doch fühle ich ganz deutlich, daß es da ist. Hoffentlich werde ich diese Empfindung auf den freien, lichten Höhen des Gebirges wieder los!«

      Wir ritten nach der Fähre. Der Mann saß da und schlief. Seine beiden Gehilfen lagen in seiner Nähe und – — schliefen auch. Als wir die Schläfer weckten, wollte der Gebieter des Fahrzeuges grob werden; er hatte die Augen noch nicht ganz offen. Sobald sie aber geöffnet waren und er uns erkannte, sprang er auf und war zur Arbeit bereit. Es wurde der Preis ausgemacht, wobei er sich sehr gefügig zeigte. Als wir ihn dann am andern Ufer bezahlten und er ein kleines Extrageschenk erhielt, war er des Lobes unserer Güte voll. Halef lächelte über diesen Erfolg seiner Peitsche still in sich hinein.

      Wir ritten so lange, als es hell blieb, über die jenseitige Ebene. Als es dunkelte, machten wir bei einem wilden Dattelgestrüpp Halt, um da zu übernachten, weil es reichlich und gutes Gras für die Pferde gab. Wir befanden uns zwar auch hier noch auf feuchtem Stromgebiete, doch war die Luft eine andere als in der dumpfen, arg verpesteten Stadt, und wir thaten einen so festen und ununterbrochenen Schlaf, daß wir erst erwachten, als die Sonne längst schon aufgegangen war.

      Zweites Kapitel: Ueber die Grenze

      »Sihdi, wie denkst du über das Sterben?«

      Wir waren stundenlang schweigsam nebeneinander her geritten, und nun erklang diese Frage so plötzlich, so unerwartet, so unmotiviert, daß ich den Sprecher erstaunt ansah und keine Antwort gab. Das arabische Wort Sihdi bedeutet »Herr«. So pflegte mich Halef noch immer zu nennen, obgleich wir schon längst nicht mehr Herr und Diener, sondern Freunde waren.

      »Sihdi, wie denkst du über das Sterben?« wiederholte er seine Frage, als ob er annehme, daß ich ihn nicht verstanden habe.

      »Du kennst ja meine Ansicht über den Tod,« antwortete ich nun. »Er ist für mich nicht vorhanden.«

      »Für mich auch nicht. Das weißt du wohl. Aber ich habe dich nicht nach dem Tode, sondern nach dem Sterben gefragt. Dieses ist da, kein Mensch kann es wegleugnen!«

      »So sage mir zunächst, wie du zu dieser Frage kommst! Mein lieber, heiterer, stets lebensfroher Hadschi Halef spricht vom Sterben! Hast du etwa einen besonderen Grund zu dieser deiner Frage?«

      »Nein. Von meiner Seele, meinem Geiste, meinem Verstande wurde sie nicht ausgesprochen, sondern sie ist mir aus den Gliedern in den Mund gestiegen.«

      Das klang wohl sonderbar; aber ich kannte meinen Halef. Er pflegte mit dergleichen, für den ersten Augenblick auffälligen Ausdrücken immer den Nagel auf den Kopf zu treffen. Darum wiederholte ich seine Worte:

      »Aus den Gliedern? Fühlst du dich vielleicht nicht wohl?«

      »Es fehlt mir nichts, Sihdi. Ich bin so gesund und so stark wie immer. Aber es ist etwas in mich hineingekrochen, was nicht hinein gehört. Es ist etwas Fremdes, etwas Ueberflüssiges, was ich nicht in mir dulden darf. Es steckt in meinen Gliedern, in den Armen, in den Beinen, in jeder Gegend meines Körpers. Ich weiß nicht, wie es heißt und was es will. Und dieses unbekannte, lästige Ding ist es, welches dich über das Sterben gefragt hat.«

      »So wird es wohl wieder verschwinden, wenn wir es gar nicht beachten, ihm gar keine Antwort geben.«

      »Meinst du? Gut; wollen das versuchen!«

      Er kehrte nach diesen Worten in sein früheres Schweigen zurück.

      Der liebe, kleine, so gern lustige Hadschi war seit gestern oder wohl schon seit vorgestern ungewöhnlich ernst und in sich gekehrt gewesen, bei ihm eine Seltenheit. Ich hatte angenommen, daß ihn irgend ein Gedanke innerlich beschäftige; nun aber wußte ich, daß dies nicht der Fall gewesen sei. Es war eine körperliche Indisposition vorhanden, von der ich annahm, daß sie bald vorübergehen werde.

      Wir waren von Basra über Muhammera und Doraq an den um diese Zeit ziemlich wasserreichen Dscherrahi gekommen und hatten uns von ihm in die Berge des südlichen Luristan führen lassen. Nun war der Fluß längst verschwunden, und


<p>25</p>

Allah sei Dank.