»Du warst doch glücklich mit deinem Josef!«hat meine Mutter gesagt.
»Hmm!«hat die Tante gerufen. »Na ja, wir waren recht glücklich. Aber ich war keine Regierungsrätin in Ansbach. Und unsere Brüder haben das ganze Geld gebraucht.«
Ich habe mich furchtbar geärgert, dass sie über unseren Vater so redet. Ich habe gedacht: ich will das Feuerwerk mit dem Papagei schon heute machen! Oder noch Wasser spritzen?
Aber die Tante ist aufgestanden. Meine Mutter ist hinausgegangen. Die Tante ist im Zimmer herumgegangen. Sie hat alles angeschaut.
Unter dem Hirschgeweih ist das Bild von meinem Vater gehängt. Da war er Student. Er hat eine Mütze gehabt. Auch hat er einen Säbel und große Stiefel gehabt. Meine Mutter sagt immer, er hat so ausgeschaut, wie sie ihn zuerst gesehen hat. Da haben sie einen Fackelzug gemacht. Mein Vater ist vorausgegangen. Die Tante hat das Bild angeschaut. Damm hat sie wieder gesagt:
»Da sehe ich deutlich, wo er das viele Geld brauchte!«
Dann ist sie bei der Kommode gestanden. Da hat Ännchen die Photographie von dem Herrn Amtsrichter hingestellt. Die Tante hat es gleich gesehen. Sie hat mich gefragt:
»Wer ist denn das?«
Ich habe gesagt, das ist unser Amtsrichter. Da hat sie gefragt:
»Wer ist unser Amtsrichter?«
Ich habe gesagt. Er kommt immer zum Kaffee. Er heißt Doktor Steinberger.
Da hat sie das Bild genommen. Sie sagte:
»So, so, aber er gefällt mir gar nicht. Er hat schon so wenig Haare. Und er schielt ziemlich stark. Das Gesicht ist so dick. Trinkt er gerne?«
Ich mag den Steinberger auch nicht besonders. Er hat zu mir gesagt, ich soll gegen meine Schwester anständig sein. Oder er will mich einmal bei den Ohren nehmen[19].
Ich mache Ännchen oft vor, wie er schielt. Dann heult sie. Aber es hat mich geärgert, dass die Tante etwas gegen ihn weiß[20]. Sie weiß auch etwas gegen unsern Vater.
Ich wollte vielleicht in die Küche gehen und es ihnen sagen. Aber dann gibt es nichts zum Essen, wenn sie immer hinauslaufen und heulen. Ich habe gedacht, ich sage es, wenn das Essen vorbei ist.
Dann ist meine Mutter in das Zimmer gekommen. Sie hat der Tante die Hand gegeben. Dann hat meine Mutter gesagt:
»Ich habe mich vorher ein bisschen geärgert. Aber vielleicht war es nicht recht. Es ist vorbei[21].«
Die Tante hat ihre Nase gerieben. Dann hat sie gesagt:
»Natürlich darf man nicht sich ärgern, wenn man die Wahrheit hört.«
Sie ist furchtbar gemein.
Ich bin hinausgegangen. Meine Mutter hat gerufen:
»Wo gehst du denn hin, Ludwig? Wir essen gleich.«
Ich habe gesagt:
»Ich muss geschwind ein unregelmäßiges Verbum anschauen.«
Da hat meine Mutter freundlich gelacht. Sie hat gesagt:
»Das ist recht, wenn du das unregelmäßige Verbum studierst.«
Und zur Tante hat meine Mutter gesagt:
»Weißt du, Frieda, ich glaube, unser Ludwig hat jetzt den besten Willen. Er will auf dem Gymnasium vorwärts kommen.«
Ich bin recht laut gegangen bis zu meinem Zimmer. Ich habe die Tür aufgemacht. Dann bin ich aber ganz still ins Zimmer der Tante gegangen. Der Papagei hat mich gleich gesehen. Er ist von der Stange gehupft. Ich habe schnell das Glas mit Wasser voll gemacht. Dann bin ich zu ihm hin. Ich habe ihn zweimal angespritzt.
Da hat er die Augen zugemacht. Er hat furchtbar gepfiffen. Er hat geschrien:
»Lora! Lora! Lora!«
Da bin ich geschwind hinaus. Schnell bin ich in mein Zimmer gekommen. Dann habe ein Buch genommen. Der Papagei hat noch einmal gepfiffen. Die Tür vom Wohnzimmer ist aufgegangen. Die Tante ist schnell gegangen. Sie hat gesagt:
»Ich weiß nicht, warum Lorchen ruft.«
Und dann war es ein bisschen still. Aber gleich hat sie in ihrem Zimmer geschrien:
»Das ist ja eine Gemeinheit! Das arme Tierchen!«
Sie hat meine Mutter gerufen. Das Lorchen war patschnass! Wo ist der nichtsnutzige Lausbub? Das bin ich.
Meine Mutter hat in mein Zimmer hereingeschaut. Ich habe das unregelmäßige gelernt.
Meine Mutter hat gesagt:
»Ludwig, hast du den Papagei nass gemacht?[22]«
Ich habe ganz zerstreut aus meinem Buch gesehen.
»Was für einen Papagei?«habe ich gefragt.
»Den Papagei der Tante«, hat sie gesagt.
Da war ich ganz beleidigt. Ich habe gesagt:
»Ich habe doch mein unregelmäßiges Verbum studiert! Warum ich?«
Die Tante ist auch an die Tür gekommen. Sie hat gerufen:
»Und wer?«
Ich habe gesagt, das weiß ich nicht. Vielleicht war es der Schreiner Michel. Er hat eine Holzspritze. Er kann weit damit spritzen.
Die Tante hat gesagt:
»Komm mit mir. Ich will es untersuchen.«
Meine Mutter ist auch mitgegangen.
Wir sind in das Zimmer gekommen. Der Papagei hat gleich den Kopf unter die Flügel versteckt. Er hat furchtbar gepfiffen. Er hat seine Augen auf mich gerollt.
Die Tante hat geschrien:
»Siehst du, er war es! Mein Lorchen ist so klug!«
Meine Mutter hat gesagt:
»Aber hat er doch sein unregelmäßiges Verbum studiert!«
»Du glaubst immer deinen Kindern«, hat die Tante gesagt. »Uns sie sind sehr schlau.«
Ich habe beim Fenster hinausgeschaut. Dann habe ich gesagt:
»Ich glaube, dass Michel vom Gartenzaun herüber gespritzt hat. Das Fenster ist offen.«
Die Tante hat gesagt:
»Es ist zu weit und zu hoch. Man muss es doch am Fenster sehen. Und das Fenster ist nicht nass.«
Ich sagte:
»Michel kann furchtbar gut zielen.«
Da hat Ännchen gerufen, dass wir zum Essen kommen:
»Die Suppe steht schon auf dem Tisch!«
Wir sind gegangen.
Der Papagei hat sich immer geschüttelt. Er hat immer die Federn aufgestellt. Die Tante hat gesagt:
»Mein Lorchen muss keine Angst haben. Ich lasse mein Lorchen nicht mehr nass machen[23].«
Sie hat mich furchtbar angeschaut. Der Papagei hat mich auch furchtbar angeschaut.
Aber ich habe gedacht:
»Er wird noch viel ärger schauen, wenn das Pulver losgeht.«
Beim Essen war die Tante noch immer zornig. Ihre Nase war ganz weiß. Und sie hat die Suppe mit dem Löffel so schnell gerührt.
Meine Mutter hat gesagt:
»Du sollst dich die Freude von der Ankunft nicht verderben.«
Die Tante hat gesagt:
»Ich hat keine Freude. Zuerst ist man mir böse, weil ich die Wahrheit rede. Dann treibt man ein hilfloses