«Ja.«
«Nun, mein Kind, hier sind wir sicher. So! Und nun schlafe.«
«Warum sind wir hier sicher?«fragte Bambi.
«Komm, setze dich zu mir«, sagte die Mutter,»ich will es dir erzählen.«
Bambi drückte sich eng an die Mutter. Er vergaß die Wiese. Und er schlief ein.
Eines Abends mit seiner Mutter ging Bambi auf die Wiese. Er sah zwei lange Ohren. Bambi stutzte, aber die Mutter sagte:
«Das ist unser Freund Hase.«
«Guten Abend, junger Herr«, sagte der Hase.
Bambi nickte.
«Was für ein hübscher junger Prinz!«sagte der Hase zur Mutter.»Ich beglückwünsche Sie! Das wird einmal ein prächtiger Prinz, ja, ja, ja.«
«Guten Abend«, sagte Bambi.
Die Mutter lächelte:
«Der gute Hase… so schlicht und so bescheiden.«
Es war Sympathie in ihren Worten.
Bambi spazierte ein wenig umher. Plötzlich hörte er ein feines Rauschen auf der Wiese. Dort drüben, am anderen Saume des Waldes, huschte etwas durchs Gras. Ein Wesen… nein… zwei! Bambi wollte entfliehen. Die Mutter hob das Haupt.
«Was ist denn?«rief sie.
Bambi war sprachlos. Er fand keine Worte und stammelte nur:
«Dort… dort…«
Die Mutter schaute hinüber.
«Ach so«, sagte sie,»das ist meine Base. Ena hat zwei Kinder… wirklich zwei.«
Bambi stand und gaffte.
«Komm«, sagte die Mutter,»da ist einmal Gesellschaft für dich.«
Bambi ging. Die Mutter redete weiter.
«Ich wusste doch, dass Ena auch ein Kind hat. Aber dass es zwei Kinder sind…«sagte die Mutter.
Die Tante war sehr freundlich.
«Ja«, sprach sie,»das ist nun Gobo, und das ist Faline. Ihr könnt immer miteinander spielen.«
Die Kinder standen steif. Gobo eng bei Faline, Bambi ihnen gegenüber. Keines rührte sich. Sie standen und gafften.
«Laß nur[13]«, sagte die Mutter,»sie werden sich schon befreunden.«
«Was für ein hübsches Kind«, erwiderte Tante Ena,»wahrhaftig, ganz besonders hübsch. So kräftig und so gut!«
Die Mutter sagte:
«Bambi ist mein erstes…«
Die Kinder standen noch immer und betrachteten einander. Keines sagte ein Wort. Plötzlich machte Faline einen Sprung und fegte davon.
Augenblicklich stürzte sich Bambi hinter ihr her. Gobo folgte sogleich. Es ging prächtig[14]. Sie begannen zu schwatzen. Bambi erzählte, dass er mit dem guten Heupferdchen und mit dem Weißling gesprochen hatte.
«Hast du auch mit dem Goldkäfer geredet?«fragte Faline.
Nein, mit dem Goldkäfer hatte Bambi nicht gesprochen. Er wusste nicht, wer das war.
«Ich rede oft mit ihm«, sagte Faline.
«Mich hat der Häher geschimpft«, sagte Bambi.
«Wirklich?«staunte Gobo.»War der Häher so frech zu dir? Und mich hat der Igel in die Nase gestochen.«
«Wer ist der Igel?«fragte Bambi.
«Der Igel ist ein fürchterliches Geschöpf!«rief Faline.»Voll großer Stacheln am ganzen Körper. Und er ist sehr böse!«
«Glaubst du wirklich, dass er böse ist?«fragte Gobo.
«Er will mit niemandem reden«, sagte Faline.
«Vielleicht fürchtet er sich nur«, meinte Gobo.
Bambi fragte Gobo:
«Weißt du, was das ist… die Gefahr?«
Gobo dachte nach.
«Die Gefahr…«flüsterte er,»die Gefahr… das ist etwas sehr Schlimmes.«
«Ja«, sagte Bambi,»etwas sehr Schlimmes… aber was?«
Plötzlich rief Faline laut und fröhlich:
«Die Gefahr ist… wenn man davonlaufen muss!«
Sie sprang fort. Bambi und Gobo sprangen ihr sogleich nach. Tante Ena hob das Haupt und rief zu ihren Kindern her:
«Gobo! Faline! Nun müssen wir bald gehen.«
Auch die Mutter mahnte Bambi:
«Komm jetzt! Es ist Zeit.«
«Noch eine Weile«, bat Faline,»noch eine kleine Weile.«
Bambi flehte:
«Bitte! Es ist so schön!«
«Es ist so schön… noch eine Weile!«sagte Gobo.
Vom Walde her drang klopfendes Stampfen den Erdboden entlang. Äste knackten, Zweige rauschten. Wer war es? Sie sahen wohl aus wie Mutter und Tante Ena. Doch auf ihren Häuptern blitzte die Krone des Gehörns. Bambi war ganz betäubt. Der eine war kleiner, und auch seine Krone war geringer. Aber der andere war gebieterisch schön. Er trug das Haupt hoch, und hoch ragte darauf die Krone.
«Oh!«rief Faline in Bewunderung.
Bambi aber sagte gar nichts. Er war stumm. Sie gingen langsam in den Wald zurück. In Augenblick schlossen sich die grünen Türen des Waldes.
«Wer war das?«rief Faline.
«Wer war das?«fragte Gobo.
Bambi schwieg.
Tante Ena sagte feierlich:
«Das waren die Väter.«
Tante Ena zog mit ihren Kindern gleich hier ins nächste Gebüsch. Bambi schwieg lange. Endlich fragte er:
«Haben sie uns gesehen?«
Die Mutter antwortete:
«Gewiss. Sie sehen alles.«
«Warum sind sie nicht bei uns geblieben?«
«Sie bleiben nicht bei uns«, antwortete die Mutter.
«Warum haben sie nicht mit uns gesprochen?«
«Man muss warten, bis sie zu uns reden.«
«Wird mein Vater mit mir sprechen?«fragte Bambi.
«Gewiss, mein Kind«, verhieß ihm die Mutter,»wenn du erwachsen bist, wird er mit dir sprechen.«
Bambi ging neben der Mutter.
«Wie schön er ist!«dachte Bambi.»Wie schön er ist!«
Die Mutter sagte:
«Mein Kind, wenn du klug bist, dann wirst du auch einmal so stark und schön sein wie der Vater.«
Bambi atmete tief.
Die Zeit verstreicht, und Bambi macht viele Erfahrungen. Er kann jetzt schon lauschen. Er weiß zum Beispiel, dass dort ein Fasan durchs Gebüsch läuft. Auch die Waldmäuse erkennt er nach dem Gehör. Er kennt den kühnen, hellen Ruf der Falken. Er kennt das Flügelklatschen der Waldtauben, das schöne, ferne Schwingenbrausen der Enten und noch vieles andere.
Die Nacht gefällt ihm jetzt sehr. Alles ist munter, alles in Bewegung. Natürlich muss man auch des Nachts achtgeben. Und man trifft überall Bekannte! In der Nacht ist der Wald feierlich und still.
Bambi mag die Eule gern leiden[15]. Sie hat einen so vornehmen Flug, ganz lautlos, ganz leicht. Sie hat auch ein so bedeutendes Gesicht, so bestimmt,