Teil 2: Das CISG im Rechtsvergleich
A. Anzuwendendes Recht
Das auf einen Sachverhalt mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat anzuwendende Recht bestimmt sich grundsätzlich nach den Vorschriften des Internationalen Privatrechts (IPR).10 Die betreffenden Kollisionsnormen sind für das deutsche IPR größtenteils im EGBGB enthalten.11 Dieses verweist übrigens i.S.d. Art. 3 EGBGB auf das vorrangig geltende vereinheitlichte europäische IPR und auf zu innerstaatlichem Recht gewordene völkerrechtliche Vereinbarungen.
Hinsichtlich internationaler Kaufverträge verweist Art. 3 Nr. 1 lit. b EGBGB auf die Rom I-VO12. Durch die Vorschriften der für alle EU-Staaten mit Ausnahme Dänemarks geltenden VO wird das IPR bezüglich des auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendenden Rechts für den Anwendungsbereich i.S.d. Art. 1, 2 Rom I-VO europaweit einheitlich geregelt. Insoweit sind die in der Rom I-VO enthaltenen Kollisionsnormen in Bezug auf Kaufverträge i.S.d. Art. 1 Rom I-VO vorbehaltlich vorrangiger Rechtsakte einschlägig. Die Rom I-VO folgt mit der i.S.d. Art. 3 Rom I-VO normierten freien Rechtswahl dem Grundsatz der Parteiautonomie. Treffen die Parteien keine Rechtswahl, unterliegen Kaufverträge über bewegliche Sachen i.S.d. Art. 4 I lit. a Rom I-VO dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Umstritten ist, ob Art. 25 I Rom I-VO auch den Vorrang des CISG einschließt.13 Nach aktueller Rechtslage führen jedoch die zustimmende sowie die ablehnende Ansicht zum gleichen Ergebnis.14
Das deutsche IPR verweist weiter auf ebenso vorrangig zu behandelnde Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen i.S.d. Art. 3 Nr. 2 EGBGB. Das CISG stellt mit dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz vom 5.7.1989 über die Zustimmung zu dem Übereinkommen sowie dessen Inkrafttreten für die Bundesrepublik Deutschland am 1.1.1991 einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag dar.15 Der Anwendungsbereich des CISG ergibt sich i.S.d. Art. 1-6 CISG.
B. Anwendungsbereich
Die Art. 1-6 CISG (Teil I, Kapitel I) enthalten die Vorschriften hinsichtlich des Anwendungsbereichs des CISG. Damit haben diese Vorschriften in Bezug auf den hier vorzunehmenden Rechtsvergleich keine unmittelbare Relevanz. Ausgehend von der Zielsetzung dieser Arbeit ist das Kapitel aus Sicht des Autors gleichwohl von Bedeutung. Seine Vorschriften normieren neben dem Anwendungsbereich des Übereinkommens seinen Regelungsbereich16 und die Möglichkeiten parteiautonomer Vereinbarungen bezüglich der Rechtswahl sowie der Gestaltung einzelner Bestimmungen. Insoweit sind die Regelungen grundlegend hinsichtlich der Gestaltung internationaler Kaufverträge und des auf sie anzuwendenden Rechts. Über die betreffenden Vorschriften hinaus wird im Folgenden die diesbezügliche Rechtslage im Falle des Warenkaufs durch eine in Deutschland niedergelassene Vertragspartei bei einer in China niedergelassenen Vertragspartei betrachtet.
I. Anwendungsvoraussetzungen
Die im CISG erstgenannten Anwendungsvoraussetzungen betreffen den sachlichen Anwendungsbereich. Dieser umfasst i.S.d. Art. 1 I Hs. 1 CISG Kaufverträge über Waren. Eine ausdrückliche Definition der beiden Begriffe enthält das CISG nicht.17 Die Definition des Kaufvertrags ergibt sich insoweit aus den i.S.d. Art. 30, 53 CISG normierten Pflichten der Vertragsparteien.18 Als Waren gelten zum Zeitpunkt der Lieferung bewegliche körperliche Sachen.19 Eine Erweiterung erfährt der sachliche Anwendungsbereich unter den Voraussetzungen i.S.d. Art. 3 CISG in Bezug auf Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware. Vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen sind die in Art. 2 CISG aufgeführten Anwendungsausschlüsse.
Ungeachtet der Kriterien für die sachliche Anwendbarkeit des CISG grenzt Art. 4 CISG dessen sachlichen Geltungsbereich ab. Dieser umfasst i.S.d. Art. 4 S. 1 CISG ausschließlich den Abschluss des Kaufvertrages sowie die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Art. 4 S. 2 CISG stellt klar, dass das CISG insbesondere und soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist weder Fragen materieller Gültigkeit noch die Wirkung der Verträge auf das Eigentum an der verkauften Sache regelt.20 Vorbehaltlich einer anderslautenden Parteivereinbarung kommen für die Regelung der nicht dem CISG unterfallenden Rechtsfragen21 gegebenenfalls ein anderer völkerrechtlicher Vertrag oder das nach dem IPR des Forumstaates zu bestimmende unvereinheitlichte nationale Recht in Betracht.22 In Anbetracht der insoweit nicht abschließenden Regelungen des CISG sollten die Vertragsparteien eine Rechtswahl bezüglich des ihren Vorstellungen entsprechenden Subsidiaritätsstatuts treffen.
In Eingrenzung seines Geltungsbereichs wird die Anwendung des CISG auf die Haftung des Verkäufers für Personenschäden i.S.d. Art. 5 CISG ausgeschlossen.
Art. 1 I lit. a und lit. b CISG normieren den räumlichen Anwendungsbereich des CISG. Als Grundvoraussetzung und einzige Anforderung an die Internationalität des Kaufvertrags müssen dessen Vertragsparteien ihre Niederlassungen unter Maßgabe der Art. 1 II, 10 CISG in verschiedenen Staaten haben.23 Der räumliche Anwendungsbereich des CISG ist dann gegeben, wenn es sich bei diesen Staaten i.S.d. Art. 1 I lit. a CISG zudem um Vertragsstaaten handelt oder wenn das maßgebliche IPR i.S.d. Art. 1 I lit. b CISG zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führt. Die letztere Variante steht dabei unter dem Vorbehalt einer entgegenstehenden Erklärung i.S.d. Art. 95 CISG. Vorbehaltlich Art. 92, 93 CISG ist die Eigenschaft eines Vertragsstaates nach überwiegender Ansicht gegeben, wenn das CISG im jeweiligen Staat i.S.d. Art. 99 II CISG in Kraft getreten ist.24
Das CISG stellt entsprechend Art. 1 III CISG grundsätzlich keine Anforderungen an den persönlichen Anwendungsbereich.
Der zeitliche Geltungsbereich des CISG ist i.S.d. Art. 100 CISG in Bezug auf sein Inkrafttreten in den Vertragsstaaten i.S.d. Art. 1 I lit. a und lit. b CISG normiert.
II. Prinzipien der Partei- und Privatautonomie
Das CISG findet im Rahmen seiner Anwendungsvoraussetzungen grundsätzlich unmittelbar Anwendung, ohne dass es einer entsprechenden Rechtswahl der Vertragsparteien bedarf.25 Dieser Grundsatz wird durch das i.S.d. Art. 6 Var. 1 CISG normierte Prinzip der Parteiautonomie durchbrochen.26 Die Parteien können das CISG hierdurch mit oder ohne der Wahl eines stattdessen auf den Vertrag anzuwendenden Rechts abbedingen, wobei sich dieses im letzteren Fall insoweit nach dem Kollisionsrecht des Forums bestimmt.27 Um hiermit verbundene Schwierigkeiten auszuschließen, sollten die Parteien jedoch eine wirksame und eindeutige Rechtswahl treffen.28 Dabei ist allein die Wahl einer nationalen Rechtsordnung eines Vertragsstaates für die Abbedingung des CISG nach ganz herrschender Meinung nicht ausreichend, da dieses als Bestandteil einer solchen Rechtsordnung im Rahmen seines Anwendungsbereichs anzuwenden ist.29
Aus Art. 6 CISG ergibt sich zudem die Möglichkeit, das CISG ungeachtet seiner Anwendungsvoraussetzungen als das auf den Vertrag anzuwendende Recht zu wählen, soweit seine Anwendung dem Kollisionsrecht des Forums nicht entgegensteht.30 Das CISG wird insofern Bestandteil des Vertrags, wobei die zwingenden Vorschriften des maßgeblichen nationalen Rechts Vorrang haben.31
Wie bereits angeführt, ist generell eine eindeutige Rechtswahl zu empfehlen. Ungeachtet möglicher Schwierigkeiten bei einer kollisionsrechtlichen Bestimmung des anzuwendenden Rechts, ist eine solche regelmäßig mit finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden. Gleichzeitig liegt es im Interesse der Parteien, dass das ihren Vorstellungen entsprechende Recht zur Anwendung kommt. Findet das CISG Anwendung, ist aufgrund dessen nicht abschließender Regelungen zudem die Wahl eines subsidiär wirkenden und insoweit eingreifenden Rechts sinnvoll.32
Art. 6 Var. 2 CISG statuiert das Prinzip der Privatautonomie, aus welchem sich die Vertragsfreiheit ergibt.33 Die sich für die Vertragsparteien aus dieser Vorschrift ergebenden Freiheiten werden nur in wenigen Punkten begrenzt. Ausdrücklich von der Disposition der Parteien ausgeschlossen ist Art. 12 CISG.
Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts ergibt sich der Grundsatz der Privatautonomie für die vertragsgestaltenden Parteien i.S.d. Art. 2 I GG.
III.