Pitaval des Kaiserreichs, 3. Band. Hugo Friedländer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hugo Friedländer
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783754957998
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Sie spielten also ein Doppelspiel. Sie wollten von der Kriminalpolizei und von Knitelius Bezahlung erhalten?

      Zeuge: Jawohl.

      Vors.: Wenn Sie von der Kriminalpolizei Bezahlung erhalten hätten, dann wären Sie in den Dienst der Kriminalpolizei getreten?

      Zeuge: Es wäre auf die Bezahlung angekommen. Für 10 oder 20 Mark wäre ich nicht in den Dienst der Kriminalpolizei getreten.

      Vors.: War Ihnen bekannt, daß Knitelius stets eine geladene Browningpistole bei sich trug?

      Zeuge: Jawohl, das war aber nichts Außergewöhnliches. Juwelenpfandscheine, mit denen Knitelius handelte, wurden von anständigen Bürgersleuten nicht gekauft. Knitelius war daher genötigt, wenn er Geschäfte machen wollte, in Lokalen wie »Café Opera« und »Café Westminster« zu verkehren. In diesen Cafés hat mindestens jeder dritte Mann eine geladene Schießwaffe.

      Vors.: Knitelius hatte auch, als er im »Café Westminster« verhaftet wurde, die geladene Browningpistole bei sich?

      Zeuge: Jawohl.

      Vors.: Nun, Nitter, Sie werden schon gemerkt haben, daß Ihre Behauptung, Sie haben den Einbruch in der hiesigen Hirsch-Apotheke nicht mit Knitelius, sondern mit dem »schwarzen Artur« zusammen begangen, keinen überwältigenden Eindruck gemacht hat.

      Zeuge: Ich weiß, daß man mir nicht glaubt, ich muß aber meine Behauptung aufrechthalten.

      Vors.: Sie sagen: Knitelius war wohl in Magdeburg, er hat sich aber an dem Einbruch in der Hirsch-Apotheke nicht beteiligt, das war der »schwarze Artur«?

      Zeuge: Jawohl.

      Auf Auffordern des Vorsitzenden schilderte Nitter in ausführlicher Weise, was er am 25. Oktober 1908 in Magdeburg bis zum Einbruch in die Hirsch-Apotheke getan habe.

      Nitter teilte bei dieser Gelegenheit mit, daß er gegen drei Uhr nachmittags mit dem »schwarzen Artur« in seiner hiesigen Wohnung in der Anhaltstraße zusammen war.

      Schneidermeister Berigk und Tochter bekundeten auf das bestimmteste, daß ein Mann an jenem Sonntagnachmittag Nitter nicht besucht habe.

      Vert. R.-A. Dr. Boré: Nitter, Sie haben drei verschiedene Angaben gemacht. Zuerst sagten Sie, Sie haben mit einem Unbekannten den Einbruch in die Hirsch-Apotheke begangen, von dem Sie nur wissen, daß er mit Vornamen Fritz heißt. Alsdann haben Sie Knitelius als Mittäter angegeben, und darauf haben Sie gesagt: Knitelius war nicht Ihr Komplice, sondern der Ihnen aus Berlin bekannte »schwarze Artur«. Ich bin nun von Knitelius ersucht worden, Sie zu bitten, der Wahrheit vollständig die Ehre zu geben und auch zu gestehen, daß Knitelius nicht in Magdeburg war.

      Nitter schwieg.

      Vert.: Wollen Sie nicht vollständig die Wahrheit sagen? Bleiben Sie bei der Behauptung: Knitelius war wohl am Tatort, aber bei dem Magdeburger Einbruch nicht beteiligt?

      Nitter (nach einer kurzen Pause): Wenn ich jetzt sage, Knitelius war nicht in Magdeburg, dann wird man es mir doch nicht glauben.

      Vert.: Es handelt sich nicht darum, was man Ihnen glauben wird, sondern was wahr ist. Was aus Ihrer Aussage für Schlüsse gezogen werden könnten, darf Sie nicht kümmern. Ihre Pflicht ist es, vor Gericht die volle Wahrheit zu sagen.

      Nitter: Ich will jetzt bekennen: Knitelius war nicht in Magdeburg. (Große allgemeine Bewegung.)

      Vors.: Also jetzt behaupten Sie, Knitelius war nicht in Magdeburg?

      Nitter: Ja.

      Vors.: Sie wissen aus der Verhandlung gegen Sie, daß eine Anzahl Zeugen bekundet haben, Knitelius war in Magdeburg. Deshalb haben Sie gesagt, er war wohl am Tatort, war aber an der Tat nicht beteiligt.

      Zeuge: Ich bitte um eine Pause, damit ich mich ein wenig erholen kann. Ich bin erschöpft.

      Der Vorsitzende ließ den Zeugen hinausführen.

      Es wurde darauf die gerichtliche Aussage der verstorbenen Prostituierten Haars verlesen. Diese hatte bekundet: Nach der ihr vorgelegten Photographie erkenne sie den Mann aufs bestimmteste wieder, mit dem sie in der Nacht vom 24. zum 25. Oktober 1908 in Magdeburg zusammengewesen sei.

      Fräulein Wieland: Sie habe in früheren Jahren in Frankfurt mit dem Angeklagten intim verkehrt; Zuhälterdienste habe der Angeklagte ihr nicht geleistet.

      Geschäftsführer Krumme (Berlin): Ich bin Geschäftsführer des Detektivbureaus von Grützmacher in Berlin. Nitter war von Oktober 1907 bis Ende Januar 1908 bei Grützmacher als Detektiv engagiert. Im allgemeinen war Nitter ganz brauchbar. In der letzten Zeit erschien er aber oftmals in sehr derangierter Kleidung, wurde nachlässig und kam auch ungemein spät ins Bureau, er wurde deshalb entlassen. Er renommierte außerdem ungemein, er sei imstande, jeden Geldschrank zu öffnen, so daß ich ihm drohte, die Kriminalpolizei auf ihn aufmerksam zu machen. Nachdem ich den Angeklagten hier gesehen, kann ich mit vollster Bestimmtheit sagen, daß der Angeklagte den Nitter einmal in unserem Bureau besucht hat. Ich habe auch den Angeklagten einmal, wenn ich nicht irre, nach dem Verbrechen in Magdeburg, mit einer Dame im »Kronen-Café« in Berlin gesehen. Ich will noch bemerken, daß Nitter mit einem früheren Angestellten von uns, einem brünetten Mann, namens Artur Scheschonka, befreundet war. Ich vermute, Nitter hat sich aus seiner Bekanntschaft mit verschiedenen Arturs den »schwarzen Artur« zusammengebaut.

      Vors.: Wie sieht dieser Artur Scheschonka aus?

      Zeuge: Er ist etwa Mitte der dreißiger Jahre, mittelgroß und hat einen schwarzen Schnurrbart und schwarzen Spitzbart.

      Vors.: Wissen Sie die nähere Adresse des Scheschonka?

      Zeuge: Er wohnt in der Bülowstraße in Berlin, die Hausnummer weiß ich leider nicht.

      Auf Antrag des Staatsanwalts wurde beschlossen, den Artur Scheschonka als Zeugen zu laden.

      Darauf wurde Nitter nochmals in den Saal geführt.

      Vert.: Nitter, kennen Sie einen brünetten Menschen, einen ehemaligen Angestellten bei Grützmacher, mit dem Sie sehr befreundet waren?

      Zeuge: Ich weiß im Augenblick nicht.

      Vert.: Kennen Sie einen Artur Scheschonka?

      Zeuge: Jawohl.

      Vert.: War das etwa der »schwarze Artur«, Ihr Komplice bei dem Einbruch in die Magdeburger Hirsch-Apotheke?

      Zeuge: Nein.

      Vert.: Sie haben zugegeben, daß Knitelius nicht in Magdeburg war. Ich frage Sie jetzt, wo wir am Ende Ihrer Vernehmung stehen, haben Sie Ihrer Aussage noch etwas hinzuzufügen oder etwas abzuändern?

      Zeuge: Wenn ich jetzt etwas mitteile, dann wird es mir ja doch nicht geglaubt.

      Vors.: Das will ich nicht sagen, das Gericht will nur die Wahrheit ermitteln, wir stehen der Sache vollständig objektiv gegenüber.

      Vert.: Sie scheinen noch etwas auf dem Herzen zu haben, erleichtern Sie Ihr Gewissen. Sagen Sie aber jetzt die Wahrheit.

      Zeuge: Ich habe bisher nicht die volle Wahrheit gesagt, weil die Reise nach Magdeburg noch mit einer anderen Straftat zusammenhängt.

      Vert.: Wenn Sie befürchten, sich einer strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen, dann können Sie, soweit es Ihre Person betrifft, die Aussage verweigern.

      Zeuge: Dann will ich es sagen: Die Reise nach Magdeburg hängt mit einer Tat zusammen, die auf Grund des § 175 des Strafgesetzbuchs bestraft wird. (Große allgemeine Bewegung.)

      Vert.: Sie können, so weit Sie glauben, daß Sie sich strafbar gemacht haben, die Aussage verweigern. Bezüglich des Angeklagten müssen Sie aber aussagen. Sie können das um so mehr tun, da der Angeklagte auf Grund des § 175 nicht ausgeliefert ist, also deshalb nicht