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Auch die Organe der Zielgesellschaft werden, nicht zuletzt, um eine eigene Haftung zu vermeiden, auf den Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung drängen, bevor sie dem Verkäufer Informationen zur Zielgesellschaft zur Verfügung stellen. Ob dafür auch die Vereinbarung wirksamer Sanktionen (insbesondere also pauschalierten Schadensersatzes oder Vertragsstrafen) erforderlich ist, ist von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden,213 richtigerweise aber abzulehnen und in Verhandlungen oft auch nicht durchsetzbar. Abzulehnen ist eine solche Pflicht deshalb, weil die Frage, ob eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit „liquiden“ Sanktionen verbunden wird, eine unternehmerische Entscheidung214 der Geschäftsleitung des Verkäufers und der Zielgesellschaft ist. Allenfalls in extremen Ausnahmefällen ist aber das unternehmerische Ermessen derart „auf Null“ reduziert, dass eine Pflicht zur Vereinbarung von Vertragsstrafen oder pauschaliertem Schadensersatz besteht. Dies gilt insbesondere auch angesichts des Umstands, dass weder eine Vertragsstrafe noch ein pauschalierter Schadensersatz dem Verkäufer oder der Zielgesellschaft helfen, den Verstoß gegen die Vertraulichkeitsverpflichtung zu beweisen.
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Sind unter den Bietern Wettbewerber und unter den Informationen wettbewerblich sensible, dürfte es im Lichte jüngster zum Kartellrecht ergangener Entscheidungen215 regelmäßig kartellrechtlich geboten sein, nicht nur eine Vertraulichkeitsvereinbarung mit präziser Bestimmung ausgewählter Personen, die Zugang zu den vertraulichen Informationen erhalten (ggf. beschränkt auf ein Clean-Team), und präziser Zweckbestimmung zu vereinbaren, sondern darüber hinaus Clean Teams oder gar „Super“ Clean Teams216 einzusetzen.
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Geschützt wird durch eine Vertraulichkeitsvereinbarung auch der Käufer (erfolgreiche Bieter), denn es ist künftig letztlich „seine“ (Ziel-)Gesellschaft, deren Geheimnisse geschützt werden. Bei Carve-Out-Transaktionen, wenn also der verkaufte Geschäftsbereich (erst) aus einer größeren Einheit herausgelöst werden muss oder worden ist, kann auch die Einbeziehung verbundener Unternehmen des Verkäufers sinnvoll sein.217 Verbreitet sind solche Gestaltungen freilich nicht.218
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Wesentliche inhaltliche Regelungspunkte von Vertraulichkeitsvereinbarungen sind insbesondere:
– Bestimmung der Parteien der Vertraulichkeitsvereinbarung,
– Bestimmung der Schutzwirkung,
– Definition der vertraulichen Informationen,
– Zweckbestimmung der vertraulichen Informationen und Verpflichtung zur Vertraulichkeit,
– Bestimmung der Personen, die Zugang zu den vertraulichen Informationen bekommen sollen,
– Bestimmung der Laufzeit,
– Kontakt- und Abwerbeverbote,
– Verpflichtungen zur Rückgabe oder Vernichtung,
– Haftungsausschluss zugunsten des Verkäufers und der Zielgesellschaft für insbesondere im Informationsmemorandum enthaltene oder im Datenraum offengelegte unvollständige oder fehlerhafte Informationen,
– Bestimmungen zu besonderen Sanktionen, insbesondere pauschaliertem Schadensersatz und Vertragsstrafen.
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Gerade bei Bieterverfahren kann es darüber hinaus empfehlenswert sein, in der Vertraulichkeitsvereinbarung die Bildung von Bieterkonsortien von der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verkäufers abhängig zu machen.219 Dies kann auch für eine exklusive Bindung von Finanzierungspartnern an einen Bieter empfehlenswert sein.220 Denn durch beides läuft der Verkäufer Gefahr, dass der angestrebte Wettbewerb beeinträchtigt und der Bieter sich einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Bietern verschafft.221 Solche Verpflichtungen sollten durch den oder die Process Letter(s)222 flankiert werden, indem sich der Verkäufer dort ein ausdrückliches Recht vorbehält, dagegen verstoßende Bieter aus dem weiteren Bieterverfahren auszuschließen.
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Parteien der Vertraulichkeitsvereinbarung sind regelmäßig jedenfalls der Verkäufer und der Bieter. Bei deutschen Gesellschaften als Kaufinteressenten sollen die Organmitglieder ebenfalls verpflichtet und durch die Vereinbarung automatisch unmittelbar gebunden sein.223 Ist der Kaufinteressent ein Gruppenunternehmen eines Konzerns, empfiehlt es sich, die Vertraulichkeitsvereinbarung mit der Konzernobergesellschaft abzuschließen und diese verschuldensunabhängig zu verpflichten, für die Einhaltung durch ihre verbundenen Unternehmen einzustehen.224 Existiert auf Bieterseite, wie bei Private Equity-Fonds, das Akquisitionsvehikel noch nicht, kommen die Beratungsgesellschaft des Fondsmanagers,225 dieser selbst226 oder die Fondsgesellschaft, die die Gesellschaft zu erwerben beabsichtigt, in Betracht.227
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Geschützt werden soll neben dem Verkäufer als Vertragspartei auch insbesondere die Zielgesellschaft. Sie kann daher entweder ebenfalls Vertragspartei werden oder aber als Drittberechtigte im Sinne von § 328 BGB vorgesehen werden. Wird die Zielgesellschaft im Bieterverfahren verkauft, kann es sich empfehlen, die Vertraulichkeitsvereinbarung auch als echten Vertrag zugunsten eines Dritten i.S.v. § 328 BGB zugunsten des späteren Käufers abzuschließen. Bei Carve-Out-Transaktionen, wenn also der verkaufte Geschäftsbereich (erst) aus einer größeren Einheit herausgelöst werden muss oder worden ist, kann auch die Einbeziehung verbundener Unternehmen des Verkäufers sinnvoll sein.228 Sollen in beiden Gestaltungsvarianten die Vertragsparteien das Recht haben, einzelne Bestimmungen, die auch drittbegünstigend sind, ohne Zustimmung des Dritten zu ändern oder aufzuheben, müssen sie sich dies in der Vertraulichkeitsvereinbarung vorbehalten.229
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Der Kaufinteressent wird regelmäßig an einer möglichst exakten Definition der vertraulichen Informationen interessiert sein, etwa der Existenz und den näheren Umständen des Verkaufsprozesses und der beabsichtigten Transaktion, Informationen, die im Rahmen des vorvertraglichen Auskunftsprozesses (Q&A Process), der Managementpräsentation (Management Presentation), Expertengesprächen (Expert Sessions) oder von Standortbesichtigungen (Site Visits) erlangt wurden, und Informationen, die im Datenraum enthalten sind. Näher zu definierende und zu qualifizierende öffentlich bekannte Informationen, solche, die dem Kaufinteressenten von Dritten mitgeteilt wurden, solche, die aufgrund rechtlicher Verpflichtungen offenzulegen sind, und schließlich solche, die durch den Kaufinteressenten „entwickelt“ wurden, werden typischerweise ausgenommen.
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Zweckbestimmung dürfte regelmäßig die Bewertung der Transaktion, ggf. zusätzlich die Finanzierung der Transaktion oder der Abschluss einer W&I-Versicherung230 sein. Insbesondere dann, wenn unter dem Kreis der Bieter auch Wettbewerber sind und die im Transaktionsprozess offengelegten Daten, wie oft der Fall, wettbewerblich sensibel sind, empfiehlt sich die Verpflichtung, die Informationen auch unternehmensintern (innerhalb des Bieterunternehmens) vertraulich zu behandeln.
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Besonderes Augenmerk ist auf die Bestimmung der Personen zu richten, die auf der Seite des Kaufinteressenten Zugang zu den Informationen bekommen dürfen. Dies gilt aus kartellrechtlichen Gründen insbesondere dann, wenn der Kaufinteressent Wettbewerber ist und im Rahmen der Transaktionsvorbereitung auch sensible Daten offengelegt werden sollen. Legen die Parteien – etwa aus kartellrechtlichen Gründen – Wert auf einen möglichst engen und präzise gefassten Personenkreis, empfiehlt sich dessen namentliche Benennung in einer Anlage zur Vertraulichkeitsvereinbarung. Soll der Kreis weiter gefasst werden, können etwa auch Mitarbeiter von verbundenen Unternehmen und Berater und Dienstleister