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Qualitative Methoden der Sozialforschung verfolgen als sinnverstehende, interpretative Herangehensweise eine Perspektive des Verstehens anstelle des Erklärens (→ § 2 Rn 11 f.).88 Dabei bemühen sie sich um ein tieferes Verständnis der sozialen Zusammenhänge im Sinne eines Nachvollziehens.89 So können z. B. Täter:innen gefragt werden, wie und warum es zu bestimmten Handlungen gekommen ist, welchen Sinn sie diesen beigemessen haben und wie sie ihr Verhalten heute betrachten. Qualitative Methoden wurden aus der Erkenntnis entwickelt, dass quantitative Verfahren sich im Bemühen um Objektivität den Zugang zu einem intersubjektiv gebildeten sozialen Forschungsgegenstand verstellen. Zugleich sind quantitative Verfahren angesichts ihres geplanten Forschungsablaufs der Gefahr ausgesetzt, weniger offensichtliche Umstände und Zusammenhänge, die vom Forschungsdesign nicht erfasst worden sind, im Laufe des Forschungsprozesses zu übersehen und so zu einer selektiven Wahrnehmung [68] zu gelangen.90 Demgegenüber handelt es sich bei qualitativen Methoden oft um Verfahren, die bemüht sind, möglichst frühzeitig und unvoreingenommen mit dem praktischen Forschungsprozess zu beginnen, um aus dem empirischen Material heraus das konkrete Vorgehen zu entwickeln. Dies kann die Gefahr bergen, das eigene Vorverständnis unhinterfragt als allgemein gültig zu unterstellen.
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Unabhängig von der methodischen Herangehensweise stellt sich weiterhin die Frage, ob die für das Forschungsvorhaben notwendigen Daten selbst erhoben werden sollen (Primärdaten) oder ob bereits für einen anderen Zweck erhobene Daten ausgewertet werden können (Sekundärdaten).91 Auswertungen von Sekundärdaten haben den Vorteil, dass die meist ressourcenintensive eigene Datenerhebung entfällt. Zugleich ergeben sich auch Nachteile, da Sekundärdaten ein durch das spezifische Interesse bei der Datenerhebung und die gewählte Erhebungstechnik verzerrtes Bild der Wirklichkeit liefern.
II. Einzelne Methoden der Datenerhebung
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Wichtige Quellen im Bereich der Kriminologie sind zum einen die amtlichen Statistiken (Polizeiliche Kriminalstatistik, Staatsanwaltschafts-, Strafverfolgungs- und Strafvollzugsstatistik) sowie die durch Strafverfolgungsbehörden angelegten Akten. Insbesondere amtliche Quellen, wie aktenmäßige Erfassungen und Statistiken, betreffen nur das amtlich bekannt gewordene Hellfeld der Kriminalität; zudem dürfen sie nicht als Abbild der Wirklichkeit missverstanden werden (→ § 15 Rn 6).
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Aus der empirischen Sozialforschung sind für kriminologische Forschungsvorhaben sodann vor allem die verschiedenen Formen der Befragung, der Beobachtung und des Experiments von Bedeutung. Diese können jeweils quantitativ bzw. qualitativ ausgestaltet werden oder es können beide Aspekte kombiniert werden, was als Triangulation oder mixed-method-Forschung bezeichnet wird.92 Die Methodenwahl ist von der angestrebten Erkenntnis abhängig. Besondere Problemstellungen hinsichtlich der Methoden ergeben sich bei der Dunkelfeldforschung, die daher gesondert behandelt wird (→ § 17 Rn 19 ff.).
7 [69] Befragungen können in Form von Fragebögen (von den Befragten selbst auszufüllen) oder von Interviews (Befragung durch Interviewende) durchgeführt werden. Fragebögen, die online oder in Papierform zur Verfügung gestellt werden, sind das Standardinstrument in vielen quantitativen kriminologischen Forschungen und in sehr unterschiedlicher Form möglich.93 Sie sind kostengünstig, weshalb große Stichproben realisierbar sind. Anonymität und die Abwesenheit von Interviewenden ermöglichen auch die Abfrage sensibler Daten, z. B. hinsichtlich eigener Viktimisierungs- oder Täter:innenerfahrung. Allerdings sind bei Befragungen mit Fragebögen die Rücklaufquoten meist niedrig, was die Aussagekraft erheblich einschränken kann. Werden die Befragungen unmittelbar durch Interviewende geführt, ist der Anteil abgeschlossener Befragungen deutlich höher und eventuell auftretende Missverständnisse können direkt beseitigt werden.94 Allerdings ist dieses Vorgehen kostenintensiver und mit Möglichkeiten der subjektiv verzerrten Datenerfassung belastet.
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Bei Fragebögen sind die Fragen meist geschlossen formuliert, d. h. mit der Frage wird den Befragten gleichzeitig eine begrenzte Anzahl möglicher Antworten vorgegeben.95 Auf diesem Weg lassen sich die erhobenen Daten vergleichsweise einfach statistisch und sogar automatisiert auswerten. Im Gegenzug begründet die Vorstrukturierung der Antwortmöglichkeiten durch die Forschenden die Gefahr, dass von diesen übersehene, aber relevante Antwortmöglichkeiten in der Untersuchung nicht erfasst werden.96
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Bei Interviews können verschiedene methodische Herangehensweisen unterschieden werden, die zu erheblichen Divergenzen bei den sichtbar gemachten Daten führen. Die Unterschiede bestehen insbesondere in einer unterschiedlich starken Strukturierung der Interviews. Bei strukturierten (standardisierten) Interviews stehen Inhalt, Anzahl und Reihenfolge der Fragen schon vor der Befragung fest. Ein solches Vorgehen dient in der Regel dazu, mit geschlossenen Fragen vor allem quantitativ auswertbare Daten zu erzeugen. Demgegenüber werden freie Interviews mit offenen Fragen für ethnografische und andere qualitative Studien eingesetzt. Dazwischen gibt es zahlreiche Möglichkeiten eines semi-strukturierten Interviews, etwa anhand von Leitfäden, in denen die interviewende Person die Möglichkeit hat, die Interaktion zu beeinflussen und so [70] auch außerhalb der ursprünglichen Fragen liegende Aspekte aufzunehmen, die sich erst im Laufe der Befragung ergeben.97
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Bei jeglicher Form der Befragung ist die Datenerhebung durch das Erinnerungsvermögen der Befragten begrenzt. Dies kann zu Verzerrungen führen, da kürzlich als einschneidend empfundene Erlebnisse und Erfahrungen besser erinnert werden als solche, die als üblich oder bagatellhaft empfunden werden und schon länger zurückliegen. Durch die Formulierung der Fragen haben die Forschenden großen Einfluss auf das Antwortverhalten, z. B. durch Suggestivfragen, die Art der Formulierung und die Reihenfolge der Fragen. Dies kann zu einer Beeinflussung der Ergebnisse führen.98
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Eine weitere Methode zur Gewinnung qualitativer Daten sind moderierte Gruppendiskussionen oder focus groups, bei denen Expert:innen oder Akteur:innen eines bestimmten sozialen Feldes über vorgegebene Fragestellungen diskutieren.99 Die Diskussion zwischen den zumeist sechs bis acht Teilnehmenden wird von diesen selbständig geführt, um eine dynamische Gruppeninteraktion zu erreichen, die möglichst ohne Einmischung der forschenden Personen viele inhaltliche Aspekte zu dem jeweiligen Thema hervorbringt. Der Einsatz von focus groups eignet sich vor allem für explorative Studien, mittels derer ein Überblick über das Forschungsfeld gewonnen werden soll.100
12 Die Beobachtung ist überwiegend ein Verfahren zur Gewinnung qualitativer Daten. Sie kann offen oder verdeckt erfolgen, die beobachtende Person kann sich als solche zu