VI. Zugang zu Übertragungskapazitäten – §§ 50 ff. RStV
VII. Aufsicht über den privaten Rundfunk
I. Grundsätzliches
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In der Bundesrepublik Deutschland unterliegt privater Rundfunk einem besonderen Rechtsregime. Seine Legitimation bezieht das Rundfunkrecht aus der herausgehobenen Rolle, die dem Rundfunk für die soziale, kulturelle und politische Entwicklung der Gesellschaft zukommt. Rundfunk ist, und das hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung immer betont, von schlechthin konstituierender Bedeutung für die freiheitlich demokratische Grundordnung.[1] Damit der Rundfunk seiner Rolle als Medium und Faktor des verfassungsrechtlich geschützten Prozesses der freien Meinungsbildung gerecht werden kann, bedarf es einer positiven Ordnung, nämlich materieller, organisatorischer und prozeduraler Regelungen, die die Normziele des Art. 5 Abs. 1 GG zu gewährleisten geeignet sind.[2] Die zunächst knappen Übertragungskapazitäten und die hohen Kosten einer Rundfunkveranstaltung ließen nicht erwarten, dass sich Rundfunk ohne gesetzgeberische Ausgestaltung im freien Meinungsmarkt etablieren und entwickeln können würde. Die Rundfunkregulierung dient darüber hinaus der Wahrung des Grundsatzes der Staatsfreiheit. Der Gesetzgeber, ein Adressat des Art. 5 GG, darf seinen grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum nicht dazu nutzen, den Rundfunk für bestimmte Meinungsrichtungen zu instrumentalisieren. Die Restriktionen, denen private Rundfunkveranstalter im Vergleich zu anderen Wirtschaftsunternehmen in stärkerem Maße ausgesetzt sind, korrespondieren mit besonderen Privilegien. In der Präambel zum RStV sind diese angesprochen, wenn dort den privaten Veranstaltern Ausbau und Fortentwicklung eines privaten Rundfunksystems ermöglicht werden, wozu ihnen ausreichende Sendekapazitäten zu Verfügung gestellt und angemessene Einnahmequellen erschlossen werden sollen. Auch wenn Kritiker angesichts der veränderten Rundfunklandschaft und des Umfelds, in dem sich Rundfunk heute bewegt, bezweifeln mögen, dass die bestehenden Regelungen den verfassungsmäßigen Anforderungen noch genügen und die Balance zwischen Rundfunkfreiheit und Wirtschaftsfreiheit noch wahren, kann die Erläuterung in einem Praxishandbuch die Diskussion an dieser Stelle nicht vertiefen. Aus praktischer Sicht mag zunächst interessieren, wie sich das Rundfunkrecht, mit dem wir derzeit umzugehen haben, darstellt.
II. Die Besonderheiten des privaten Rundfunkrechts
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Das Verständnis der konkreten Regelungen und gesetzlichen Anforderungen soll zunächst dadurch erleichtert werden, dass noch einmal kurz an die besonderen Herausforderungen und strukturellen Eigenarten der Rundfunkregulierung erinnert wird. Die Herausforderung des modernen Rundfunkrechts resultiert aus der Tatsache, dass Gesetzgeber, Regulierungsbehörden, Rundfunkveranstalter, Infrastrukturbetreiber und nicht zuletzt Nutzerinnen und Nutzer mit einer sich ständig fortentwickelnden Medienlandschaft konfrontiert sind. Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre sind zahlreich. Die Digitalisierung der Angebotserstellung und der Verbreitungswege führt zu neuen Programm- und Nutzungsformen. Rundfunk über das Internet, IP-TV, digitaler Hörfunk, Hybrid-TV, HD-TV, DVB-T2 und Handy-TV sind Beispiele hierfür.[3] Inhalteanbieter und Programmveranstalter sehen sich der Notwendigkeit ausgesetzt, zusätzlich zu den klassischen Refinanzierungsinstrumenten neue Erlösquellen aufzutun. Plattformanbieter sind zunehmend zwischen Nutzer und Inhalteanbieter eingebunden und stellen wichtige Flaschenhälse dar. Die Grenzen zwischen Rundfunk, Telemedium und Presse verschwimmen, verschiedene Angebote vermischen sich bzw. werden auf derselben Plattform angeboten. Wie Smartphones und Tablets werden auch Fernsehempfangsgeräte smart und ermöglichen den Zugang sowohl zu linearen Rundfunkangeboten als auch dem Internet. Der Zugang bei connected tv erfolgt über Apps, die von Geräteherstellern selbst zu Portalen zusammengestellt werden. Diese Art des Navigierens ist bislang zumindest unter dem Gesichtspunkt des chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugangs nicht rundfunkrechtlich reguliert.[4] In diesem Umfeld gewinnen auch Fragen des Signalschutzes für Anbieter klassischer Rundfunkprogramme zunehmend an Bedeutung.
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Hinzu kommt das sich verändernde Mediennutzungsverhalten. Zwar hat das klassische lineare Fernsehen nach wie vor hohen Stellenwert. Vor allem jüngere Zuschauergruppen nutzen zunehmend Medieninhalte auf Abruf, z.B. über YouTube, Netflix oder Spotify. Informationen werden über Intermediäre vermittelt, die sich als Suchmaschinen wie z.B. Google oder soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter nicht dem klassischen Plattformbegriff zuordnen lassen. Diese Strukturen, die sich nicht als Medieninhalteanbieter begreifen und die Auswahl und Auffindbarkeit der über sie zugänglichen Inhalte nicht nach medienrechtlichen Kriterien steuern, haben zusätzlich zu den oben bereits geschilderten Entwicklungen in der letzten Zeit die Diskussion über die moderne Medienordnung, neue Rahmenbedingungen und Regulierungsinstrumente gefördert. Die in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung eingesetzte Bund-Länder-Kommission hat sich nicht nur mit Handlungsbedarf im Zusammenhang mit der Überarbeitung der AVMD-Richtlinie und des Jugendmedienschutzes befasst, sondern hat auch untersucht, inwieweit über kartellrechtliche und rundfunkrechtliche Vielfaltssicherungsmodelle, eine neue Verortung des Plattformbegriffs bzw. der Plattformregulierung solche Intermediäre in einen Regulierungszusammenhang gestellt werden sollen. Diese Bund-Länder-Kommission soll Vorschläge für eine der Medienkonvergenz angemessene Medienordnung auf nationaler und internationaler Ebene erarbeiten und dabei auch die bessere Verzahnung der Arbeit der nach Bundes- bzw. Landesrecht zuständigen Behörden untersuchen.[5] Der Bericht der Bund-Länder-Kommission mit Handlungsempfehlungen liegt seit Juni 2016 vor.[6]
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Für den Nutzer bedeutet das immer mehr Bedarf nach Medienkompetenz. Rundfunkangebote klassischer Ausprägung sind zunehmend nur ein Bestandteil des Angebotsbündels, mit dem z.T. supranational agierende Unternehmen Inhalte crossmedial verwerten, bzw. Infrastrukturen vermarkten. Das Rundfunkrecht soll diese Entwicklungen aufgreifen bzw. vorwegnehmen und steuern. Der sich aus dem Normziel des Art. 5 GG ergebende Auftrag an den Gesetzgeber hält diesen in stärkerem Maße dazu an, mit seinen Mitteln einen Entwicklungsprozess zu fördern. Nicht die Einhaltung und Wahrung eines für einmal verfassungskonform befundenen Zustands steht im Vordergrund. Es bedarf vielmehr einerseits bestimmter, andererseits dynamischer und flexibler Regelungen um den erwünschten Zustand bei sich ständig entwickelndem Regulierungsgegenstand zu gewährleisten.
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Der Rundfunkstaatsvertrag und die Landesmediengesetze operieren daher mit Zielvorgaben, wie etwa den Programmgrundsätzen, mit unbestimmten Rechtsbegriffen und mit Satzungs- und Richtlinienermächtigungen, die die konkretere Ausgestaltungen in die Hände der Landesmedienanstalten legen. Fragen der Auslegung und des rechtskonformen Verhaltens sind in stärkerem Maße dem Dialog zwischen Regulierten und Regulierer überantwortet als auf anderen Rechtsgebieten. Eine weitere Besonderheit, die das Rundfunkrecht auszeichnet, resultiert aus der Einordnung des Rundfunks als Kulturgut. Rundfunkgesetzgebung ist nach der Kompetenzaufteilung des GG Ländersache. Seit der Einführung des satellitenübertragenen Rundfunks stellt sich das Rundfunkrecht der Herausforderung, bundesweite, bzw. sich europaweit auswirkende Sachverhalte durch Landesgesetz zu regeln.
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Den vielleicht vorläufigen Höhepunkt in der Herausforderung stellt die Entwicklung dar, dass zunehmend